Musik-Tipp
Taylor Swift spielt auf ihrem neuen Album die ärmste Milliardärin

Jordan Strauss/dpa
Taylor Swift stellt sich für das neue Album teils in Burlesque-Outfits dar. In der Musik spielt das kaum eine Rolle.
Taylor Swift steht an der Spitze: Sie ist eine der erfolgreichsten Musikerinnen aller Zeiten und laut „Forbes“ die erste Milliardärin, die ihr Geld vor allem mit Musik verdient hat. Nach jahrelangem Kampf hat sie sich die Rechte an ihren alten Alben zurückgeholt. Sie befindet sich in einer glücklichen Beziehung mit Football-Star Travis Kelce und hat sich vor Kurzem mit ihm verlobt. Ihre „Eras“-Tour, die vergangenes Jahr endete, verbuchte die höchsten Einnahmen einer Konzert-Reihe aller Zeiten.
Ihr neues Album „The Life of a Showgirl“ soll jetzt an diese Erfolge anknüpfen. Als Swift die Platte im Podcast ihres Verlobten vorstellte, beschrieb sie sie als Verarbeitung von all dem, was die Musikerin während ihrer langen Tour um die ganze Welt gefühlt hat. Deshalb stellt sich Taylor auf dem Album-Cover und -Titel als Showmädchen in Burlesque-Outfits dar. Gleichzeitig kündigte sie an, dass „The Life of a Showgirl“ wieder mehr Pop-Musik beinhaltet. Die Musikerin hat dafür vor allem mit den Star-Produzenten Max Martin und Shellback gearbeitet, die schon bei ihren größten Ohrwürmer und Radio-Hits im Studio dabei waren.
All das klingt erst mal spaßig und nach einem Konzept mit viel Potenzial: Doch leider ist „The Life of a Showgirl“ ein frustriertes und frustrierendes Endprodukt, das die schlimmsten Tendenzen von Taylor Swift als Songwriterin zeigt.
Wo ist das Showgirl?
Die Enttäuschung beginnt schon damit, dass dieses interessante Konzept in der Musik selbst kaum stattfindet, sondern vor allem in Musikvideos und auf dem Albumcover. Nur im Titellied, gleichzeitig das letzte auf der Platte, beschreibt Taylor Swift zusammen mit der Sängerin Sabrina Carpenter, wie das Leben als Showgirl ist. Die „Eras“-Tour wird textlich auch kaum erwähnt. Dadurch fühlt sich die beworbene Kernidee des Albums mehr wie ein reines Anhängsel an, ein Marketing-Trick.

Republic Records/dpa
„The Life of a Showgirl“ von Taylor Swift, Republic Records, zum Streamen, als Vinyl und CD erhältlich.
Auch die Pop-Brillanz der Produzenten fällt in den Hintergrund: Musikalisch erinnern die neuen Lieder an Taylor Swifts Album aus dem vergangenen Jahr, „The Tortured Poets Department“, denn ihnen fehlt die Dynamik, die ein Pop-Song braucht. Dort ist die Musik ein tristes Fundament, über dem die Sängerin Texte dichtet, die an Tagebucheinträge erinnern. Musikalisch hat das neue Album also kaum Neues zu bieten. Wer einen Ohrwurm-Chorus sucht, braucht nach den soliden ersten drei Songs ein Hörgerät und starkes Swift-Stockholm-Syndrom.
Liebe und Hass
Leider überzeugen auch die Texte nicht: Thematisch dreht sich „The Life of a Showgirl“ sehr viel um Travis Kelce, doch Taylor dichtet über ihren Verlobten ohne viel Tiefe. Ein Beispiel: Im Lied „Wood“ beschreibt Taylor Swift vor allem, wie gut der Sportler im Bett ist. Dabei benutzt sie allerdings flachwitzige Penis-Metaphern, die wahrscheinlich sogar für ihre junge Fanbase zu kindisch sind.
Viel spannender ist, dass sich Taylor Swift in vielen Liedern immer noch in einer Opferrolle sieht – trotz aller Erfolge, die sie feiern durfte. „Honey“ und „Actually Romantic“ beschreiben Popstar-Kollegen, die scheinbar gemein und neidisch sind. In „Cancelled!“ singt sie, dass sie sich gerne mit kontroversen Promis anfreundet, weil diese „dieselben Narben“ besitzen. Und bei „Eldest Daughter“ beschwert sich die Sängerin in sehr holprig geschriebenen Zeilen, wie gemein das Internet doch zu ihr sei. Selbst an der Spitze der Musikindustrie nimmt sich Taylor Swift scheinbar jede Kritik zu Herzen und kann nicht das Handy aus der Hand legen. Man möchte der Milliardärin beinahe einen Geldschein als Taschentuch reichen.
Die Mittelklasse-Milliardärin
Der peinlichste Moment auf dem ganzen Album ist allerdings das Lied „Wi$hli$t“: Es ist ein Versuch von Taylor Swift, ihren Fans zu sagen, dass sie auch nur eine ganz normale Frau ist. Sie singt mit einer sehr klischeehaften Kapitalismuskritik darüber, dass sie ihren Reichtum nicht braucht, sondern nur ein ganz normales Haus möchte, in dem sie mit Travis Kelce viele Kinder großziehen kann.
Das Problem: die Millionen auf ihrem Konto. Denn die kommen nicht von irgendwoher und disqualifizieren Taylor Swift davon, sich an Halloween als Teil der Mittelklasse zu verkleiden. In den vergangenen Jahren erschien jedes Album der Sängerin in verschiedenen Versionen, die ihre Superfans sammeln sollen – jeweils mit unterschiedlichen Covern und Bonus-Material. Das Ziel ist klar: ihren Fans möglichst viel Geld aus der Tasche zu saugen. Taylor Swift ist nicht die einzige Künstlerin, die das macht, aber mit Abstand die erfolgreichste und schamloseste: „The Life of a Showgirl“ hat bereits zahlreiche verschiedene Versionen. Ihr vorheriges Werk, „The Tortured Poets Department“, hatte am Ende über 40 unterschiedliche Varianten. In den sozialen Medien geben einige „Swifties“ bereits damit an, dass sie Monatsgehälter für Platten, Merch und CDs ausgegeben haben, um Loyalität zu zeigen.
Selbst in den besten Momenten von „The Life of a Showgirl“ wiederholt Taylor Swift also nur, was sie auf anderen Alben bereits deutlich besser gemacht hat. Die restlichen Lieder beschreiben die oberflächlichen Wehwehchen einer taktlosen Milliardärin. Sie bricht trotzdem wieder Verkaufs- und Streamingrekorde.