Musik-Tipp
Bon Iver verabschiedet sich in seinem neuen Album von der Dunkelheit

D.L. Anderson/dpa
Bon Iver verabschiedetet sich von der düsteren Musik, durch die er am Anfang seiner Karriere berühmt wurde.
Darum geht’s: Eine einsame Hütte, eine Akustik-Gitarre und ein gescheiterter Songwriter mit viel auf dem Herzen: So begann die Karriere von Bon Iver mit dem Album „For Emma, Forever Ago“, das ihn berühmt machte. Doch auch wenn er mit sanfter Folk-Musik anfing, legte er 2016 eine Kehrtwende hin: Sein drittes Projekt „22, A Million“ ist abstrakt mit stotternder Elektronik, verzerrten Geräuschen und oft unmenschlich klingendem Gesang. Die Lieder folgen keiner wirklichen Struktur, sondern mehr einem vagen Gefühl.
Über die vergangenen sechs Jahre hat sich Justin Vernon, wie der Mann hinter Bon Iver heißt, wieder neu erfunden. „Sable, fable“, das neue Album, besteht aus zwei Hälften, die beide Stile des Künstlers kombinieren. Die ersten vier Songs wurden bereits 2024 als die EP veröffentlicht und erinnern an die deprimierende Stimmung seines Debüts. Der Rest wiederum übernimmt das Gelernte seiner späteren Werke, verabschiedet sich aber von der Abstraktion. Stattdessen entscheidet sich Justin Vernon für sonnige Klaviertöne, Ohrwurm-Pop-Melodien und ein euphorisches Saxofon.
Das Besondere: „Sable, fable“ beginnt mit sanfter Akustik-Gitarre und einem reflektiven Text: Der Musiker fühlt sich nicht wohl mit seinem aktuellen Zustand. Die „Things Behind Things Behind Things“ (deutsch: Dinge hinter Dingen hinter Dingen), nach denen das erste Lied benannt ist, beschreiben die Probleme, die sich in Bon Ivers Kopf angesammelt haben. Die folgenden Lieder berichten zum Beispiel von schweren Schuldgefühlen und gescheiterten Beziehungen.
Die Überleitung in die glücklichere Hälfte fühlt sich stattdessen an wie die ersten Sonnenstrahlen im Frühling: Warme Klavierakkorde führen zu der Single „Everything Is Peaceful Love“, auf der Justin Vernon vor Freude über eine neue Liebe „auf einen Baum klettern möchte“. Er zweifelt zwar noch ein wenig – schließlich klettern Katzen auf Bäume, wenn sie Angst haben – doch er lässt das Glück zu. Die nächsten Songs erkunden die Höhen und Tiefen der neuen Beziehung: „Walk Home“ beschreibt den friedlichen Alltag, bei dem Duett „If Only I Can Wait“ fragen sich Bon Iver und Sängerin Danielle Haim, wie lange sie noch aneinander festhalten können. Das Album endet mit „There’s A Rhythmn“: Rückblickend sieht Justin Vernon hier, wie sehr er sich verändert hat und dass er aus der Dunkelheit vom Anfang des Albums herausgefunden hat. „Jetzt sind alle Dinge arrangiert“, singt der Musiker zum Abschluss. Die Probleme des ersten Liedes sind sortiert und können überwunden werden.
Fazit: „Sable, fable“ fühlt sich an wie eine Zusammenfassung von Bon Ivers zwanzig Jahren als Künstler. Die DNA von all seinen Alben lässt sich hier teilweise wiederfinden. Dabei erzählt das Werk eine emotionale Geschichte, wie Justin Vernon aus der Dunkelheit herausgefunden hat. Die Musik selbst ist wunderschön, am Anfang düster und melancholisch, am Ende farbenfroh und unbeschwert. Wann wohl die nächste Neuerfindung folgt?