Rubrik der Redaktion Freistunde
Alle Teile unserer Kolumne Freischnauze

Teil 84 von Emilia Gegenfurtner (05. September 2025)
Leidenschaftlich tollpatschig
In den vergangenen Wochen ist mir schmerzlich bewusst geworden: Der Grat zwischen „ungeschickt, aber niedlich“ und „nicht mehr alltagsfunktionsfähig“ ist erschreckend schmal. Vor allem, wenn man ein dermaßen schlechtes räumliches Bewusstsein hat wie ich.
Da kommt es schon einmal vor, dass ich beim Spazierengehen vom Bürgersteig schräg in Richtung Fahrbahn abdrifte und langjährigen Autofahrern versehentlich eine Auffrischung in Sachen „Gefahrenbremsung bei 50 Kilometern pro Stunde“ verpasse.
Es gibt keine Treppe, die ich hoch- oder runtersteigen kann, ohne über meine Füße zu stolpern, keinen Türrahmen im Büro, der nicht schon Bekanntschaft mit meinem Ellbogen gemacht hat, und keine Stelle an meinen Beinen, die noch nie von einem blauen Fleck geziert worden ist.
Ich wünschte, ich wüsste, woher diese Tollpatschigkeit kommt. Meine ganze Familie scheint durch den Alltag zu schweben, während ich gegen die nächstbeste Betonmauer schlittere. Eine verfluchte Blutlinie fällt damit wohl weg. Im Nachhinein sind die meisten Situationen selbst für mich witzig, das gebe ich zu.
Übrigens: In meiner Freundesgruppe halte ich mit insgesamt vier Vorfällen stabil den Rekord für die Kategorie „Ist am öftesten ohne Hose Auto gefahren“ – es gibt keine Konkurrenz. Aber was bleibt mir auch anderes übrig, wenn sich offensichtlich alle Softdrink-Dosen auf dieser Welt gegen mich und meine frisch gewaschenen Jeans verschworen haben?
Einen Vorteil hat das Ganze vielleicht trotzdem. Denn ich habe früh gelernt, dass man so gut wie alles waschen kann – zum Glück. Dreimal darfst du raten, wer heute zuhause erst mal seine Arbeitstasche inklusive Stoffgeldbeutel schrubben muss, weil ihm gerade die Overnight-Oats darin explodiert sind ...
Teil 83 von Kerstin Bauer (29. August 2025)
Herbstfreuden
Zugegeben, der Sommer war durchwachsen. Wer jetzt traurig ist, dass die Zeit der Kürbisse und nackten Bäume trotzdem unaufhaltsam näher rückt, dem seien hier einige Gründe genannt, warum er sich auf den Herbst freuen darf:
- Du hast Lust, dir nach dem leckeren Kuchenstück gleich noch eines zu gönnen? Kein Problem, bis zum „sexy beach body 2026“ ist jetzt lange Zeit. Und ein kleines Fettpölsterchen für den Winterschlaf kann doch nicht schaden ...
- Die einzige Sauna, die uns im Herbst lockt, duftet zum Beispiel nach Eukalyptus – und findet nicht im eigenen Auto statt, nachdem es draußen in der Sonne geparkt ist.
- Bald sind „Bad Hair Days“ kein Problem mehr. Wenn die eigene Frisur mal wieder einem Vogelnest gleicht oder man es nicht mehr geschafft hat, seine Haare zu waschen: einfach Mütze auf und los geht’s. Und mit einem langen Mantel kann man sogar im Schlafanzug einkaufen gehen.
- Schon mal was von „Sunshine Guilt“ gehört? Der Begriff meint das schlechte Gewissen, das einen überkommt, wenn man einen schönen Sommertag nicht richtig ausnutzt.
Der Herbst setzt uns da weniger unter Druck: Bewölkte Tage lassen einen regelrecht auf der Couch kleben. Man sollte nur nicht vergessen, sich davor genügend Snacks hinzustellen – oder einen Entferner für Klebstoff. - Und schläft es sich nicht um einiges besser, wenn es im Schlafzimmer keine 27 Grad hat, keine Mücken nerven und die Nase nicht ständig vom Heuschnupfen beißt? Außer man erkältet sich durch den Herbstwind. Dann läuft die Nase auch ...
Teil 82 von Jasmin Kainz (22. August 2025)
Autobahnabenteuer
Mein Auto ist mein Ein und Alles. Für nichts auf der Welt würde ich meinen kleinen Toyota mit dem roten Glitzerlenkrad hergeben. Was ich anscheinend aber immer noch nicht begriffen habe, ist, dass so ein Auto vor allem dazu da ist, um auch mal längere Strecken damit zu fahren. Ich komme aus Landshut und alles hinter Freising ist für mich und mein kleines Auto eine Fernreise, die wir gekonnt vermeiden. Bis vor Kurzem.
Mein Freund lebt im autofeindseligen München, wo man meist mehr steht als fährt. Ich war jedoch entschlossen, dass mein kleiner Aygo und ich uns da durchkämpfen konnten. Ich wollte schließlich nicht für immer mit dem Zug fahren. Voller Tatendrang setzte ich mich also auf meinen Fahrersitz und versuchte, mir einzureden, dass ich locker und gelassen war. Ich fuhr ja mit Google Maps.
Doch was war das? Warum wurde die Autobahn fünfspurig? Da waren doch gerade noch zwei Spuren! Unheimlich ... Ich war hier ja schon öfter gefahren, aber nur als Beifahrerprinzessin! Damals war ich immer damit beschäftigt, den Sitz nicht vollzukrümeln oder mich um die Musik zu kümmern und nicht damit, welche Spur denn die richtige ist.
Warum außerdem fünf Spuren? Ich verabscheute Google Maps für sein Schweigen und hielt mich einfach rechts, damit ich niemanden störte. Hmm, passt doch. Ich war Profi, mir konnte so eine Autobahn gar nichts anhaben. Wie ein Blitz raste ich mit meinen 64 PS die Autobahn entlang ... Richtung Lindau. Wie war das passiert? Ich musste mir eingestehen, dass ich anscheinend unfähig war, Schilder zu lesen und mich auf dem besten Weg in die Berge befand.
Wie ich es noch pünktlich nach München zu meinem Freund geschafft habe, ist mir ein Rätsel. „Klar, ich hab gut hergefunden. War kein Problem. Ich kann doch Auto fahren.“ Dass ich bei meiner Ankunft erstmal meinen Vater anrief, um ihm voller Enthusiasmus von diesem Autobahnabenteuer und meinem Erfolg zu berichten, musste er ja nicht wissen. Aber fünfspurige Autobahnen und der Münchner Stadtverkehr machen mir nicht länger Angst – heute fahre ich wieder hin!
Teil 82 von Florian Wende (14. August 2025)
Volksfest-Launen
Es kann der Himmel auf Erden sein, eben das oft zitierte „Trumm vom Paradies“. Es kann aber auch ein Trumm von Qualen sein. Die Rede ist vom Volksfest. Und weil’s für alle Straubinger nur das eine gibt, kurz für die Auswärtigen: Es geht ums Gäubodenvolksfest.
Beginnen wir mit dem Freudigen: Alte Freunde wiedertreffen, eine feucht-fröhliche Zeit im Bierzelt, leckeres Essen für jeden Geschmack – so ein Volksfest macht einen Riesen-Spaß. Wenn man den inneren Volksfest-Schweinehund überwunden hat.
Denn ganz ehrlich: Ich habe mich diese Woche öfters gefragt, warum ich mir das hier eigentlich antue. Sich nach fünf Stunden Schlaf, weil das Volksfest am Vortag natürlich mal wieder nicht ohne einen ausgekommen ist, bei Temperaturen, die eine Sauna neidisch werden lassen, in ein enges Gewand zu zwängen ... da kommt man ins Grübeln. Gerade wenn einen der schattige Balkon und die bequeme Couch umgeben.
Doch dann ploppt im Laufe des Nachmittags die eine Nachricht im Chat mit den Freunden auf: „Is heid wer unt’n?“ Und mit diesen wenigen Worten wandelt sich die Volksfest-Laune von der Höllenqual zum Freudenstrahl.
Die Lederhose zwickt nicht mehr so schlimm, Hunger und Durst melden sich auch schon und der Volksfestbus fährt bald. Also: Auf geht’s!
Jammern in der Früh, feiern am Abend, das gehört in Straubing an elf Tagen im Jahr dazu.
Teil 81 von Manuel Bogner (8. August 2025)
Relax(o) im Bierzelt
Ich bin eigentlich kein Volksfest-Mensch, auch wenn ich mein ganzes Leben lang schon in Straubing wohne. Zwei oder drei Besuche sind jedes Jahr trotzdem drin. Aber dieser Spaß geht leider auch Hand in Hand mit vier bis sechs betrunkenen Fremden, die nachts in meiner Straße irgendwelche unverständlichen Morddrohungen Richtung Himmel grölen. Lasst mich doch schlafen! Möge der Mond euch so grell blenden, dass ihr am Morgen nicht nur wegen des Katers Sterne seht.
Doch ein Mann ist inzwischen zum Helden des Volksfestes für mich geworden: Als ich vergangenes Jahr online durch einen Artikel mit Hunderten Bierzelt-Bildern klickte, entdeckte ich zwei freundlich grinsende Typen auf einem Foto. Einer hält ganz stolz sein Handy in die Kamera. Darauf zu sehen? Die emulierte Version eines stinkalten Pokémon-Spiels.
Während also die einen im Bierzelt die Liebe oder den Vollrausch suchen, jagte dieser Kerl Pikachus und Evolis. Wenn ihm das nächste Mal im Spiel die Heiltränke ausgehen, kann er es mit dem Äquivalent im echten Leben versuchen: Für einen wahren Bayer ist nichts so heilsam wie Bier, habe ich mir sagen lassen. Wer weiß, vielleicht lernt sein Relaxo durch die Mass eine neue Attacke. Eine Bierwampe hätte das Videospiel-Tier schon.
Teil 80 von Sebastian Geiger (1. August 2025)
Die Sprizzkalation
Immer spannend und faszinierend am Sommer ist der dazu passende Drink, der unweigerlich in der eigenen Bubble auftaucht. In meinem Stadtteil kann man das besonders gut beobachten, weil er, sagen wir mal, sehr touristisch geprägt ist. Sobald die Temperaturen es erlauben, rufen die anliegenden Cafés und Gaststätten „Sprizz“-Time aus. Gerne auch zum Mitnehmen. Das kostet mehr, als man denkt, aber weniger als die Schmerzgrenze, die man dieses Mal ganz sicher einhalten wird. Zumindest ein bisschen.
Diesen Sommer stehen die Zeichen eindeutig auf Sprizzkalation. Was vor ein, zwei Jahren noch lapidar als ein „Und ein Aperol!“ in die Bestellung eingeflossen ist, hat sich mittlerweile zur Wissenschaft entwickelt. Wie soll er denn schmecken? Soll er alkoholfrei sein? Was ist Sarti überhaupt? Und wie hoch darf der Barkeeper den Spritzkoeffizienten im Bezug auf den allgemeinen Fruchtfaktor einstellen? Und, ganz wichtig: Orange als Deko, Zitrone oder – ganz ausgefallen – Grapefruit?
Erste Anzeichen mehren sich aber, dass die Sprizzkalation inzwischen ihren Höhepunkt erreicht, wenn nicht gar überschritten hat. Denn es gibt einen neuen Herausforderer: Kaffee. Natürlich nicht schnöde gefiltert, sondern in der Form von Espresso Tonic. Dieser Drink besteht dankenswerterweise genau aus den Zutaten, die in seinem Namen enthalten sind, schmeckt besser als erwartet und ist auch nicht so teuer wie befürchtet. Zumindest noch.
Wahre Sommerdink-Gourmets sind ihrer Zeit aber immer etwas voraus. Und so hat der Espresso Tonic natürlich auch einen Konkurrenten. Der hört auf den Namen Cold Brew Orange. Dahinter verbirgt sich nicht kalt gepresster Orangensaft, sondern – sorry fürs Illusionenrauben – kalter Kaffee, aufgefüllt mit Orangensaft.
Eine Bekannte von mir hat ein ähnliches Rezept als Hausmittel gegen Kopfschmerzen: heißer Kaffee, mehr Zitronensaft als notwendig und – ex! Natürlich erst, wenn der Kaffee Trinktemperatur hat. Dieser namenlose Drink ist ganzjährig einsetzbar, schmeckt schrecklich (soll er vielleicht auch), tut aber – ganz wie die Modezutat Sprizz, Espresso Tonic und Cold Brew Orange – genau das, was er soll.
Teil 79 von Emilia Gegenfurtner (25. Juli 2025)
Kleiderkommunismus
Eine Woche. So lange dauert es maximal, bis mein neues Shirt aus meinem Schrank in das schwarze Loch gegenüber gesogen wird: tief in das Reich meiner kleinen Schwester Anna. Ob und wann das gute Stück je zurückkommt, ist ungewiss. Jedes Mal, wenn ich shoppen gehe, erwische ich mich bei dem Gedanken, ob das Teil in meinen Händen Anna wohl auch gefällt.
Dieser „Kleiderkommunismus“, wie sie ihn betitelt, geht mittlerweile so weit, dass ich nur darauf warte, bis ihr ein kleines Karl-Marx-Bärtchen wächst. Die kleine Elster von nebenan geiert auf alles, was entweder schwarz ist oder glitzert. Manchmal breche ich in ihr Zimmer ein und wühle mich wie ein Waschbär in der Mülltonne durch ihre Wäschekörbe. So kann ich wenigstens einen Bruchteil meines Eigentums (vorerst) zurückerobern.
Dieser Teufelskreis geht mir nah: In meinen Albträumen sehe ich Anna, wie sie um sechs Uhr morgens in meinem Zimmer steht. Ohne mir die Zeit zu geben, zwischen meinem Schlafparalyse-Dämon und meiner Schwester zu differenzieren, kommt sie gleich zur Sache: „Hast du so’ne schwarze Jacke?“ Tatsächlich habe ich nie eine. Die hat sie sich nämlich alle unter den Nagel gerissen. Und das Schlimmste: Rache war nie eine Option. Ich trage Größe L – sie XS.
Teil 78 von Kerstin Bauer (18. Juli 2025)
Italienische Nachteulen
Wirklich weit weg ist es nicht, das wunderschöne stiefelförmige Land, zu dem auch traumhafte Inseln wie Sardinien und Sizilien gehören: Bella Italia. Und doch gibt es kulturelle Unterschiede, die deutsche Urlauber vor Ort bemerken. Während in Deutschland etwa an einem Sonntagabend um 23 Uhr längst alle Bürgersteige hochgeklappt sind, herrscht in Italien noch reges Treiben. Da wird mit den Nachbarn auf der Straße laut diskutiert, geratscht und Hunde bellen wild durcheinander (was die Haustierchen übrigens auch nachts immer wieder tun und anscheinend niemanden stört).
Einen großen Unterschied gibt es auch beim Abendessen. In Sardinien waren wir vor Kurzem nach einem langen Strandtag um 18 Uhr auf der Suche nach einem Restaurant. Und wurden in jedem freundlich abgewiesen – die Küche öffnet erst um 20 Uhr.
Um 20 Uhr waren wir dann trotz einiger Reserviert-Schilder die einzigen Gäste im Lokal. „Wann kommen die denn alle?!“, fragte ich mich. Um 21.30 Uhr. Als wir uns gerade auf den Heimweg machten und ich mich schon heimlich aufs Bett freute, strömten sie plötzlich in Scharen herein, viele schick gemachte Italiener mit ihren kleinen Kindern – die übrigens auch nicht müde wirkten. „Wer geht denn um 21.30 Uhr erst essen?!“, dachte ich mir und fühlte mich plötzlich wie eine Oma. Aber zumindest durfte sich diese Oma wenig später in ihr Bett kuscheln ...
Teil 77 von Manuel Bogner (11. Juli 2025)
Dungeons & Dummköpfe
„Dungeons & Dragons“ ist ein sehr ernstes Spiel. Kurze Erklärung, wie es funktioniert: Der Dungeon-Master, kurz: DM, denkt sich eine Geschichte aus, bei der eine heldenhafte Truppe adrenalinreiche Abenteuer erlebt. Und die Spieler, die sich in der Rolle von selbst erdachten Figuren befinden, müssen gegen garstige Monster antreten, gut schauspielern – und vor allem Glück beim Würfeln haben. Denn nur so können sie Kämpfe gewinnen.
Das Tabletop-Game hat seit inzwischen einem Jahr auch meinen Freundeskreis in seinen Bann gezogen. Unser Trupp ist jedoch eine seltsame Sammlung an Helden: Vielleicht ist D&D doch nicht ganz so ernst.
Darf ich vorstellen: einen Kleriker, der eigentlich Leute in seine Religion indoktrinieren will, sich aber von allem ablenken lässt, was halbwegs spannend ist. Also zum Beispiel auch Gänseblümchen am Wegesrand. Aust Immeral, einen Elfenkrieger, der sein Leben lang ein Portal verteidigte – und deshalb die soziale Kompetenz einer Weintraube hat. Und ein konfrontativer Barde, der Krieg mit jedem anzettelt, obwohl er körperlich ungefähr so groß wie ein Volleyball ist und nur mit seiner Ukulele kämpfen kann.
Am Leben hält uns Rangrim: Eigentlich ist er ein ehrenhafter Zwergenpaladin, doch nun wurde er zum Kindergärtner für unser wildes Quartett. Das hat eine gewisse Ironie – denn im echten Leben arbeitet unsere DM tatsächlich als Erzieherin.
Rangrim versucht verzweifelt, uns in den Griff zu kriegen. Schwierig, wenn der Kleriker in einem Brunnen ertrinkt, der Elf aus Versehen das ganze Stadtzentrum abfackelt und der Barde dem Bürgermeister wiederholt ans Bein pinkelt. Ob mit Worten oder anderweitig lasse ich mal an dieser Stelle zur Interpretation offen.
Teil 76 von Florian Wende (4. Juli 2025)
Mahlzeit-Wahnsinn
Wer aus Schule oder Studium in die Arbeitswelt kommt, der lernt schnell einen Begriff: Mahlzeit. Der Duden definiert den Ausdruck offiziell als „umgangssprachlichen Gruß in der Mittagszeit, besonders zwischen Arbeitskollegen“. Das stimmt. Aber Mahlzeit ist so viel mehr – und für manche auch den gesamten Tag gültig.
Der eine Kollege ruft einem die Formel schon gegen 10.30 Uhr am Gang zu, der andere auch locker noch nach 16 Uhr. Wappnen sollte man sich aber in der Mittagszeit. Denn wer gegen 12 Uhr die Gänge eines Betriebes betritt, den erwartet ein Mahlzeit-Marathon. Mit am besten dargestellt hat den schon vor vielen Jahren der legendäre Gerhard Polt. Wer den Clip nicht kennt, unbedingt auf YouTube suchen.
Ein Kollege und ich sind mittlerweile dazu übergegangen, ein bisschen Abwechslung in die Mahlzeit-Eintönigkeit zu bringen. So ertönt von ihm zur Mittagszeit schon mal „Gute Nacht!“ und von mir als Antwort „Schöne Pfingsten!“. In diesem Sinne: „Mahlz... äääh: Frohe Weihnachten!“
Teil 75 von Jasmin Kainz (27. Juni 2025)
Traum von der Bikinifigur
Meine beste Freundin und ich haben uns vorgenommen, sportlicher zu werden. Schließlich ist Sommer und wir wollen eine hübsche Bikinifigur! Vor meinem inneren Auge sah ich uns schon elegant durch einen See schwimmen, lässig zum Schwimmbad joggen oder Beachvolleyball spielen. Das war das Ziel ...
Aber bis jetzt haben wir die Ausdauer eines Faultiers, die Gelenkigkeit einer Eisenstange und die Muskulatur eines Puddings. Fest entschlossen, diesen Zustand zu beenden, schlüpften wir in Sportklamotten und holten die Matten raus. Unsicher warf ich mich in die Stellung, die sich Liegestütz schimpft. Um Gottes Willen ... Wie sollte ich mich selber nur mit meinen Armen rauf und runter bewegen? Hatte ich überhaupt sowas wie Oberarmmuskeln?
Vielleicht war es eine schlechte Idee, mit Armmuskeltraining zu starten. Das Schwerste, was ich in den vergangenen Jahren getragen hatte, war nämlich meine Handtasche. Wir beschlossen, die Liegestütz als Übung für Fortgeschrittene einzustufen und fingen lieber mit den Beinen an.
Schon besser. Mein täglicher Sprint zur Deutschen Bahn scheint sich zu lohnen. Nun können mir doch Liegestütze auch nichts mehr tun, oder? Erneut stützte ich mich also wieder auf meine sogenannten Armmuskeln und landete Sekunden später mit dem Gesicht auf meiner Matte. Verzweifelt schloss ich die Augen. Ich gebe mich erstmal geschlagen, was diese Übung betrifft. Meine Kraft in den Oberarmen ist wohl wie meine Einparkkunst – nicht vorhanden.
Teil 74 von Emilia Gegenfurtner (20. Juni 2025)
Zahl bitte nicht
Was viele Frauen als romantisch oder sogar als Grundvoraussetzung sehen, ist für mich ein kleines Stück Hölle: ausnahmslos alles beim ersten Date spendiert zu bekommen. Ich verstehe die Geste dahinter, klar. Würde man mich fragen, könnte ich auch gar nicht konkret sagen, was mir dermaßen daran aufstößt. Vielleicht, weil ich mein eigenes Geld verdiene? Vielleicht, weil ich einer komplett fremden Person nicht bei unserem ersten Treffen direkt auf der Tasche liegen möchte? Vielleicht, weil ich mein ganzes Leben lang daran gearbeitet habe, emanzipiert und selbstständig zu werden? Egal, was davon der Fall ist – wer ungefragt für mich mitbezahlt, macht sich automatisch zu einem Stressfaktor in meinem Leben.
Ähnlich war es vor Kurzem, als ich für ein Date nach Linz gefahren bin. Während wir auf die Straßenbahn warteten, beobachtete ich sie bereits mit großen Augen, während sie zwei Tickets für mich löste. In dem Moment fühlte ich mich wie ein kleines Kind, das seiner Mutter zusieht, wie sie die „Erwachsenensachen“ regelt. Ich warf von der Seite einen Blick auf den Bildschirm. Eine Tagesfahrkarte und eine Pendelkarte – für zwölf Euro. Sie zuckte mit keiner Wimper, während ich vor lauter Blinzeln fast blind geworden wäre. Ich kann doch nicht von einer fremden Frau verlangen, zwölf Euro dafür zu bezahlen, dass ich in einem stickigen Bahnabteil einen Berg raufgeschleppt werde … oder?
Beim Essen ging es weiter: „Wollen wir getrennt zahlen?“, fragte ich, während sie bereits ihre Kreditkarte unter den Leser hielt. Absolut romantisch, keine Frage. Dieser Aspekt wurde aber für mich davon verdrängt, dass ich mir alle Mühe geben musste, kein Aneurysma zu entwickeln. Long story short: Die Sache hat nicht funktioniert. Ob ich einverstanden damit gewesen wäre, wenn sie beim zweiten Date alles gezahlt hätte, werden wir deswegen leider nie erfahren.
Teil 73 von Jasmin Kainz (13. Juni 2025)
Hunger!
Ich war letztens ziemlich im Stress. Es war einer der Tage, an denen ich fünf Termine auf einmal hatte und kaum noch wusste, wo hinten und vorne war. Wie vom Blitz getroffen, huschte ich von meinem Laptop zum Auto, zum Arzt und wieder zurück. Was für ein Chaos! Und was sollte ich eigentlich zu Mittag essen?
Es war bereits 12.30 Uhr und schön langsam bekam ich Hunger. Da ich sowieso keine Zeit hatte, um was Anständiges zu kochen, beschloss ich, schnell zum Discounter meines Vertrauens zu fahren und eine Tiefkühlpizza zu besorgen. Geht doch immer. In Höchstgeschwindigkeit raste ich also mit meinem 64-PS-Wagen den Berg hinunter, sprintete ins Geschäft, holte die Pizza und lief wieder raus. Keine 15 Minuten später war ich auch schon wieder zuhause und schaltete den Ofen ein.
Ich stellte mir einen Timer und setzte mich in der Zwischenzeit wieder an den Schreibtisch, um die restlichen Mails zu beantworten.
Endlich läutete der Timer. Ich lächelte, da mein Magen gleich von seinem Hungergefühl erlöst sein würde. Voller Vorfreude und mit einem Teller in der Hand öffnete ich den Ofen. Und erstarrte. Vor lauter Chaos hatte ich zwar den Ofen angeschaltet, aber die Pizza nicht hineingeschoben. Ich war einfach schon immer ein unverbesserlicher Tollpatsch.
Teil 72 von Sebastian Geiger (06. Juni 2025)
10 ... 9 ... 8 ...
Womit man sich bei einer Party richtig unbeliebt machen kann? Wenn man am 24. Mai erwähnt, dass es noch sieben Monate bis Weihnachten sind. Und es dann am 24. Juni mit „Noch sechs Monate“ wiederholt. Um am 24. August auch noch mal. Der Juli wird ausgelassen, weil die Sache ansonsten zu berechenbar ist. Weil, wer freut sich im Frühling und Sommer schon auf den kommenden Winter? Gut, vielleicht alle, die schon an einem bewölkten Tag Sonnenbrand bekommen, aber das ist eine andere Geschichte.
Diese Erinnerung an Weihnachten hat aber noch eine andere Komponente: Wir erinnern uns auf einmal daran, wie die Zeit vergeht, dass das Leben endlich ist und der Tod mit jeder Minute unweigerlich näher rückt. Und das, während die Party in vollem Gang ist, gute Musik läuft und die Person am anderen Ende des Zimmers aufreizend zwinkert. „Stimmungsverderber“ drückt da nicht mal im Ansatz die eigenen Empfindungen aus.
Im Gegenzug: Was wäre eine Party ohne ein bisschen Existenzkrise? Nicht umsonst ist es spätestens ab Anfang 30 Pflicht, dass wenigstens eine Person beim Ausgehen nach dem dritten Bier grölt: „So jung kommen wir nicht mehr zusammen.“ Stimmt. Denn die Zeit ist eine Linie und der nächste 24. Dezember nur noch ein paar Monate entfernt.
Nett ist die Erinnerung an die eigene Sterblichkeit trotzdem nicht.
Zum Glück gibt es ein paar Countdowns, die richtig Spaß machen. Etwa das „10 ... 9 ... 8 ...“ an Silvester. Kaum ist die 0 erreicht, beginnt ein neues Jahr und im Idealfall damit auch eine Zeit voller Möglichkeiten, voller Versprechen an sich selbst und die Umwelt. Die Uhr ist zurückgestellt, das Spiel beginnt erneut und die Vergangenheit ist nur noch vage Erinnerung. Alles ist möglich, die Zeit spielt keine Rolle mehr – bis am 24. Januar irgendwer „Noch elf Monate bis Weihnachten“ durch die Gegend ruft und dadurch wieder alles kaputtmacht.
Teil 71 von Manuel Bogner (30. Mai 2025)
Ich koche
Meine Finger haben das Feingefühl einer Kettensäge: also keines. Umso kniffliger, wenn ich in einem Restaurant sitze und nur Stäbchen auf dem Tisch liegen. Die Qual der Wahl: Will ich der Einzige sein, der sich mit Messer und Gabel blamiert – oder wird das Essen für mich zu einem motorischen Konzentrationstest?
So saß ich letztens in einem Hotpot-Restaurant, bei dem man hochwertiges Fleisch kurz in einen Brühetopf halten muss – mit Stäbchen. Und jedes Mal verschwand meine Mahlzeit in den Tiefen des Suppenmeeres.
Also musste ich Angeln gehen: Das Fleisch glitt durch die Brühe, meine Stäbchen suchten es panisch wie die Polizei einen Bankräuber. Man kann es sich auch wie ein U-Boot auf der Jagd nach einem glitschigen Aal vorstellen: Aber der Kapitän ist besoffen und hat seinen Bootsschein im Lotto gewonnen. Vielleicht hat das Restaurant ein Netz, das ich auswerfen kann?
Das Fleisch schmeckte auch verkocht gut. Doch: War der Nebel in der Luft nur verkochtes Brühwasser – oder kam vor Wut schon Rauch aus meinem Kopf?
Teil 70 von Kerstin Bauer (23. Mai 2025)
„Take me back“ - not!
Wie weit Social Media und die Wirklichkeit auseinanderliegen können, habe ich kürzlich schmerzlich am Comer See bemerkt. Online wurde mir das Dörfchen Varenna als romantischster Ort überhaupt präsentiert. Zig Nutzer kommentierten unter Posts, wie traumhaft es dort doch sei. Also: auf nach Varenna.
Nun brauchten wir von unserer Unterkunft aus schon mal über drei Stunden Fahrzeit statt der geplanten zwei – an diesem Tag hatten scheinbar viele Menschen die Idee, an den Comer See zu fahren. Endlich angekommen, war das einzige Parkhaus vor Ort voll. Planlos tuckerten wir zum Nachbarort weiter – wo gerade ein Herr aus einer Parklücke fuhr. Wie ein Tiger auf seine Beute lauerten wir in der Nähe der Parkbucht. Und wurden beim Reindüsen direkt von einem anderen Autofahrer beschimpft, der dort ebenfalls gern geparkt hätte.
Nach einem Fußmarsch zurück nach Varenna bei knapp 30 Grad Celsius erreichten wir endlich unser Ziel. Und waren schockiert von den vielen Menschen dort. Mittlerweile brauchte ich dringend was im Magen und die Blase drückte. Doch: weit und breit keine Möglichkeit, etwas zu essen zu bekommen. Denn: Vor jedem Lokal wartete eine Menschenschlange darauf, dass ein Tisch frei wird. Vor jedem Kiosk: eine Menschenschlange, die wenigstens auf ein Sandwich hoffte. Auch nirgends zu finden: ein öffentliches Klo. Ein Italiener haute mir die Tür quasi vor der Nase zu, als ich versuchte, über eine Seitentür zu den „restrooms“ eines Restaurants zu gelangen.
Nach etwa 30 Minuten verzweifelter Suche gab ich auf. Also: sofortiger Rückzug und verschwitzt zurücklatschen zum Auto. So wunderschön ist Varenna.
Teil 69 von Jasmin Kainz (16. Mai 2025)
Berlin, Berlin
Vor Kurzem waren meine Freunde und ich in Berlin, um einen Kumpel zu besuchen. Wir hatten viel Spaß, haben gequatscht und gefeiert. Für unseren ersten Abend hatten wir Tickets für eine Mallorca-Party. Das war ein Heidenspaß, die Musik war klasse und wir ergatterten sogar Selfies mit zwei bekannten Malle-Stars.
Als die Party vorbei war, suchten wir in der Bahn-App nach der besten Verbindung, die uns nach Hause bringen konnte. Ich als Pendlerin hatte ja schon vieles mit der Bahn erlebt, aber selten ein solches Chaos gesehen. Wir saßen keine fünf Minuten in der S-Bahn, als schon der erste Typ aufkreuzte, alle Fenster aufriss und quer durch die Bahn etwas in einer uns unbekannten Sprache schrie. Uns stellten sich die Haare auf und für einen kurzen Moment wussten wir nicht, ob wir starr vor Schreck innehalten oder doch lachen sollten.
Mit wildem Blick lief der Mann, wir vermuten, er stand komplett unter Drogen, durch die Bahn und ich persönlich betete, dass er sich nicht hinter uns setzen würde. „AAAH!“, schrie er dann wieder. Klang ja nicht gerade liebevoll. Wir sahen uns an und dachten in dem Moment alle dasselbe: So muss wohl ein LSD-Trip von außen aussehen ...
Okay, wir sind alle furchtlose Helden, die jeder Gefahr ins Auge blicken, doch das war der Moment, in dem wir uns alle gemeinsam still dazu entschieden, das Handtuch zu werfen und zu fliehen. Gleich bei der nächsten Station liefen wir aus der Bahn. Ganz zum Missfallen des Mannes, der uns hinterherbrüllte und die Tür blockierte. Wir hatten ihn mit unserer Flucht anscheinend sauer gemacht. Nach einiger Zeit hatte er dann aber doch zu Ende geschimpft, die S-Bahn fuhr weiter und wir brachen in schallendes Gelächter aus.
Teil 68 von Florian Wende (8. Mai 2025)
Executive Nonsense
Man kann Donald Trump viel vorwerfen. Jedoch nicht, dass er sich nicht um die wichtigen Anliegen im Land kümmert. Dekret Nummer 14208 verkündet zum Beispiel die „Beendigung der Beschaffung und Zwangsverwendung von Papierstrohhalmen“. Mr. President nuckelt lieber an Polypropylen. Noch so ein Alltagsproblem hat er per Executive Order 14264 aus dem Weg geschafft, die „Aufrechterhaltung eines akzeptablen Wasserdrucks in Duschköpfen“. Make America’s shower great again!
Aus sicherer Quelle haben wir erfahren, welche Dekrete bald folgen:
- Verbot von Ananas auf Pizza. Die wurde nämlich in Kanada (pfui!) erfunden und trägt – noch schlimmer – Hawaii im Namen, da kommt dieser Obama her.
- Einführung des „Trump-Dances“ als Pflichtteil jeder Graduation-Feier. Der Bewegungsablauf: selbstverliebtes Schulterzucken, patriotisches Hüftwackeln, krönendes Selbstbeklatschen.
- Erlass eines nationalen Frisurendekrets. Nach nordkoreanischem Vorbild sind künftig nur noch blondierte, haarspraygetränkte Föhntürme erlaubt – die Amtstolle der Nation.
Teil 67 von Sebastian Geiger (1. Mai 2025)
Parkplatz-Paranoia
Vielleicht liegt es am fortschreitenden Alter, aber ich kann mich an eine Zeit erinnern, zu der man, um in einen bezahlten Autoparkplatz hineinzukommen, vorher erst ein Ticket lösen musste. Dazu steuerte man sein Auto vor eine unüberwindbare Schranke, drückte einen Knopf, erhielt das Ticket und beeilte sich, an der hochgeklappten Schranke vorbei zu fahren, aus Angst, dass sie dem Auto aufs Dach donnern könnte.
Heute ist das anders. Die Schranken sind abmontiert, die Ticketausgaben auch, die Parkplätze sind videoüberwacht und scannen jedes Auto, das ein- und ausfährt. Zahlen tut man immer noch an einem Automaten, aber einem anderen. Und das macht mich unendlich paranoid!
Nicht nur, dass ich immer Angst habe, letztlich keinen Parkplatz zu finden und dafür zahlen zu müssen, dass ich das Vergnügen hatte, eine Runde umsonst mit dem Auto drehen zu müssen. Ich weiß – muss man nicht, weil es immer eine gewisse Anzahl an Freiminuten pro Parkplatz gibt, aber das spielt keine Rolle.
Habe ich dann einen Parkplatz gefunden, geht die nächste Panikattacke los. Was, wenn ich jetzt bis zum Automaten eine Viertelstunde brauche und dann kein Tagesticket mehr lösen kann? Was, wenn der Parkcomputer vergisst, dass mein Auto auf dem Parkplatz steht und ich es nicht mehr auslösen kann? Was, wenn ich vergesse zu zahlen, und dann eine Strafe bekomme? Was, wenn dem Parkcomputer schlichtweg egal ist, dass ich gezahlt habe und ich zusätzlich eine Strafe zahlen muss?
Eine Zeit lang habe ich deshalb stoisch darauf beharrt, dass mir der Parkautomat nach dem Zahlen eine Quittung gibt – nur für den Fall der Fälle, wenn doch jemand meint, dass ich meine Gebühren nicht begleichen wollte. Mittlerweile wird dieser Drang seltener. Es ist ein bisschen wie mit der Schranke aus den guten alten Zeiten und der Angst, dass sie aufs Auto donnert. Ständig im Hinterkopf? Ja. Eine unglaublich gute Geschichte, wenn es passieren sollte? Absolut! Wahrscheinlich? Bei aller Paranoia – eher nicht.
Teil 66 von Manuel Bogner (25. April 2025)
FOMO no more
FOMO: Das Akronym beschreibt die Angst, etwas zu verpassen – die „Fear of missing out“. Wochenlang blutete auch mir das Herz, weil ich nicht zu einem Konzert meines Lieblingsrappers in Berlin gehen konnte – unsere Hauptstadt ist dann doch eine Ecke von Niederbayern weg und ich düse dieses Jahr sowieso schon zweimal hin. Mit dem Nachtzug selbstverständlich: Im Schlaf kann ich nicht an Verspätungen verzweifeln, die mir die Deutsche Bahn sicher in den Weg werfen wird.
Zurück zum Konzert: Um noch Salz in die Wunde zu streuen, veröffentlichte mein Lieblingsrapper natürlich auch noch kurz vor dem Konzert ein neues Lied, das live sicher absolut grandios gewesen wäre. Leider kam er nie dazu, es zu spielen.
Denn irgendjemand in der Menge entschied sich wohl, dass es witzig sei, mit Pfefferspray um sich zu sprühen. 17 Leute wurden verletzt.
Nun geht es auf Konzerten des Musikers nie friedlich zu: Auf Wunsch spukt er seinen Fans auch mal in den Mund und Moshpits sind eher ein Befehl als ein freundlicher Vorschlag. Doch bisher waren es immer sichere Veranstaltungen.
Als ich die Überschriften zu dieser traurigen Meldung las, spürte ich, wie die FOMO meinen Körper verließ – wie ein Geist, der mich die Tage zuvor besessen hat. Vielleicht sollte man manchmal mehr an all das Gute denken, das man erleben durfte – und nicht immer nur an das, was man verpasst.
Teil 65 von Kerstin Bauer (17. April 2025)
Die drei großen „B“s
Kürzlich stand ein besonderes Ereignis an. Mein zehnjähriges Studientreffen. Also wie ein Klassentreffen nur mit den Studienkollegen. Aufregend. Damals hat man schließlich so einiges zusammen erlebt.
Vor Ort bin ich erst mal überfordert. Plötzlich all die Gesichter auf einem Haufen zu sehen, ist wie eine Zeitreise. Und dann wird es stressig. Man kann den Abend auch mit Speeddating vergleichen. Man will schließlich (fast) jeden fragen, was so aus ihm geworden ist.
Dabei dreht sich im Grunde alles um die drei großen „B“s: Beruf, Beziehung, Blagen. Wobei „Blagen“ natürlich mit einem Augenzwinkern zu sehen ist und eigentlich mit „P“ geschrieben wird. Hat man diese drei Punkte abgefragt, ergibt sich ein grobes Bild vom Leben des anderen.
Was bei so einem Treffen außerdem praktisch wäre: ein Tonband, auf dem man abspielen kann, was selbst so aus einem geworden ist. Weil man es an diesem Abend mindestens 15-mal erzählt. Irgendwann weiß man selbst nicht mehr, wem man was schon erzählt hat und wer gleich wieder wo arbeitet.
Nachdem mein Gehirn noch den Folgetag gebraucht hat, um die ganzen neuen Infos zu verarbeiten, stellt sich allerdings ein warmes Gefühl ein: Bis zum nächsten Treffen dürfen wir auf keinen Fall wieder so lange warten!
Teil 64 von Florian Wende (11. April 2025)
Dem Staubsauger verfallen
Ich bin ein Opfer der Werbung. Schon Kleinigkeiten wie eine attraktive Verpackung, bei der ich nach und nach das eigentliche Produkt enthülle, erfüllen mich. Normalerweise haben es mir Technik-Produkten angetan und ich freue mich beim Auspacken von Kamerazubehör, Festplatten oder anderem Kram wie mein siebenjähriges Ich über das neue Lego-Technik-Set. Bis jetzt.
Vor ein paar Wochen habe ich wieder mal ein Technik-Produkt enthüllt, allerdings aus einer Sparte, in der ich normalerweise selten zuschlage: Ich habe unseren neuen Staubsauger ausgepackt. Und ich muss hier ein peinliches Geständnis machen: Es hat Spaß gemacht.
Es ging schon los bei der äußeren Verpackung. In minimalistischen Linien und dezenten Texten wird deutlich, in welchem Paket welcher Teil der Hochleistungsmaschine steckt. Bedächtig zog ich dann die Bodenbürste aus seiner Hülle wie sonst ein neues Teleobjektiv aus seinem Köcher. Anschließend entfernte ich langsam den Haltegriff aus seinem maßgeschnittenen Karton wie sonst das neue Adapterkabel aus seiner Tasche. Und dann folgte das Highlight: Schwarz glänzend funkelte er mich an – der Bildschirm. Wie gesagt, Hochleistungsmaschine. Auf dem Display: eine dünne, transparente Folie, die nur darauf wartete, bis ich sie abzog.
Ich pulte also vorsichtig an einer Ecke, bis ich den Plastikschutz zu fassen bekam und genoss das Sssss-Geräusch beim Abziehen wie sonst bei einem neuen Smartphone. Als ich voller Freude das zusammengebaute Gerät zum Aufladen ans Netz steckte, musste ich mir eingestehen: Ich bin unserem Staubsauger verfallen.
Ein paar Wochen später kann ich aber Entwarnung geben: Die Gefühle sind nach erstmaligem Benutzen schnell abgeflacht.
Teil 63 von Jasmin Kainz (4. April 2025)
Der Arzttermin
Mein Opa hat sehr bald eine Augenoperation und muss deswegen noch zu ein paar Voruntersuchungen. Er hat mich gebeten, ihn an einem Donnerstag um 7 Uhr abzuholen, da um 7.30 Uhr die erste Voruntersuchung beim Augenarzt stattfindet. Moment. Um wie viel Uhr, bitte?
Ich habe ihn gebeten, die Uhrzeit noch einmal zu wiederholen, da ich der festen Überzeugung war, mich verhört zu haben. Doch wieder sagte er 7 Uhr morgens. Nein, oder? Sollte das etwa heißen, dass ich bereits um 6 Uhr in der Früh mein kuscheliges und warmes Bettchen verlassen muss?
Ich habe seit Mitte Februar Semesterferien und erblicke seitdem so gut wie nie vor halb 10 das Tageslicht. Das konnte also nur ein Scherz sein. Ist es um diese Zeit überhaupt schon hell? Und bin ich überhaupt schon in der Lage zu frühstücken? Bin ich um 6 Uhr zu überhaupt irgendetwas in der Lage?
Seit ich Studentin bin, schaffe ich es kaum, um 7 aufzustehen, ohne den ganzen Tag wie ein Zombie durch die Gegend zu laufen. Doch da ich eine liebe und hilfsbereite Enkelin bin, stellte ich mir am Tag davor einen Wecker für 6 Uhr morgens.
Wie eine Schlafwandlerin wankte ich dann im Halbdunkel mit meinem treuen Begleiter, dem Kaffee, zum Auto, drehte Musik auf und zwang mich aus meinem tranceähnlichen Zustand. Bei meinem Opa angekommen, sahen mich meine Großeltern aber nur hochgradig verwirrt an: Der Arzttermin war erst am Tag darauf, ich habe mich im Datum geirrt.
Frustriert und hundemüde fuhr ich wieder nach Hause und sah dabei der Sonne beim Aufgehen zu. Tatsächlich wurde ich dann auch noch krank, musste ein Treffen absagen und verbrannte mich an meinem Tee. Ich stehe nie wieder um 6 Uhr auf. Das scheint gefährliche Konsequenzen zu haben.
Teil 62 von Sebastian Geiger (28. März 2025)
Alles Illusion
Die Welt ist nicht immer so, wie sie scheint. Da sitzt man gemütlich in einem Westernsaloon am Ende des Universums, unterhält sich mit einem zwielichtigen Anwalt und nascht Häppchen, da explodiert einem Soldaten der Kopf und diverse Dinge von ihm klatschen feucht auf die sündhaft teure Weste.
Und bevor sich jetzt manche fragen, ob es dem Schreiber dieser Zeilen gut geht – ja, er wurde nur vor kurzer Zeit Zeuge einer cinematischen Erfahrung. Der Ort: Herten. Die Kulisse: ein Raumschiff, das diverse Science-Fiction-Fans in liebevoller Kleinstarbeit hergerichtet haben. Der Anlass: ein Live-Rollenspiel – dazu ein andermal mehr, auf die Schnelle stellt man es sich am besten als Improtheater in den Weiten des Weltalls vor.
Gerade waren wir einem Gefangenenlager entkommen und entspannten uns auf der schon erwähnten Raumstation, da: „Bumm“, „Platsch“, „Bäh“. Weil noch dazu kurz vor dem „Bumm“ die Lichter ausgegangen waren, spürte man nur die Feuchte am Rücken. Mein erster Gedanke: Hätte ich das gewusst, hätte ich mir eine etwas billigere Weste angezogen. Mist.
Wie sich später herausstellte, war das „Bäh“ zum Glück nur Wasser, das die Organisatoren an strategisch günstigen Stellen auf die Teilnehmenden gepritschelt hatten. Um die Illusion zu wahren. Clever, clever, da hat sich jemand also extra viel Mühe gemacht, um uns im Spiel zu verunsichern.
Mir hat es gezeigt, dass man nicht alles glauben sollte, nur, weil es sich glaubhaft anfühlt. Ein Blick, wenn das Licht an ist, hilft meist mehr als Spekulation.
Teil 61 von Manuel Bogner (21. März 2025)
Fehlende Farben
Bahnhöfe sind Parallelwelten: Neben den Späßchen, die die Deutsche Bahn gerne Fahrgästen spielt, finden sich hier spannende Menschen.
So stehe ich zum Beispiel letztens an meinem Gleis und warte auf einen – natürlich verspäteten – Zug. Plötzlich spricht mich ein älterer, zwei Meter großer Mann an. Er hält mir sein Handy hin, ohne ein Wort zu sagen. Ich zupfe mir meine Kopfhörer aus den Ohren und sehe den Mann an, schweige zurück. Wir sind gemeinsam still, als würden wir nebeneinander in einer Kirche beten.
Dann sagt er endlich: „In meinem Handy fehlen die Farben Grün und Gelb.“ Ich schaue ihn an, dann sein Smartphone. Der Bildschirm ist gesprungen und schwarz. „Wie meinen Sie?“, antworte ich. Der Mann wiederholt sein Problem: Sein Handy könne die Farben Grün und Gelb nicht mehr anzeigen.
Ich kenne dieses technische Unverständnis aus meiner eigenen Familie. Daher weiß ich, dass es durchaus Menschen gibt, die ihre technischen Probleme nicht in Worte fassen können. Im Urlaub muss ich immer noch das WLAN-Passwort des Hotels für meinen Vater eingeben.
Ich habe Mitleid mit meinem Bahnhof-Bekannten und sowieso dank der Deutschen Bahn genug Zeit, um ihm zu helfen. Es stellt sich heraus, dass in dem Handy nicht nur Grün und Gelb, sondern alle Farben fehlen. Denn es lässt sich nicht mehr einschalten. Ich erkläre dem Zwei-Meter-Opa, dass sein Smartphone komplett kaputt ist. „Was soll ich tun?“, fragt der Mann hundertmal panisch. Ich verweise ihn zum nächsten Repair-Shop und stehe wieder alleine am Gleis. Es ist das erste Mal, dass ich mich an einem Bahnhof nicht nur wegen der DB wundere.
Teil 60 von Kerstin Bauer (7. März 2025)
Männer ...
Jemand sagte mal, dass Frauen von der Venus und Männer vom Mars stammen. Wahrscheinlich stimmt diese These, wenn man das teils sehr unterschiedliche Bedürfnis betrachtet, dem anderen etwas zu erzählen. Ein Beispiel:
Mein Partner: „Tobi hat sich jetzt ein neues Auto gekauft, gell, weil er sich doch von Valerie getrennt hat.“
Ich erstarre: „Tobi hat sich von Valerie getrennt?! Wann?!“
Es ist ja nicht so, dass wir öfters was mit den beiden gemacht haben ...
Er: „Vor ungefähr einer Woche.“
Ich: „Warum sagst du mir das nicht?! Warum hat er sich getrennt?“
Er: „Es war wohl eine andere im Spiel.“
Mich trifft erneut der Schlag: „Was?! Und wie geht es Valerie jetzt?!“
Er: „Keine Ahnung. Ich denke, nicht so gut.“
Hätte ich als Erstes von besagter Trennung erfahren, hätte ich ihn natürlich noch in derselben Sekunde darüber informiert.
Er fährt fort – mit Details über besagtes, neu gekaufte Auto: „Auf alle Fälle, er hat sich ja jetzt einen neuen Audi gekauft …“
Und ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll ...
Teil 59 von Florian Wende (28. Februar 2025)
Mein Tank-Tick
Ich mag’s gerne ordentlich. Gut, meine Eltern und meine Frau könnten vermutlich andere Geschichten erzählen. Aber ich selbst halte mich für einen halbwegs sortierten Menschen. Auch an der Zapfsäule.
Deckel heraus, Hahn hinein, Hebel rauf, Benzin rein. Warten. So weit, so normal. Wo bei anderen aber mit einem Klack, der meldet, dass der Tank ziemlich voll ist, der Zapfvorgang endet, beginnt bei mir eine Challenge: Nun lasse ich mit leichtem Drücken auf den Hebel die Zahlen an der Tanksäule weiter nach oben rattern.
Viel Benzin hat natürlich nicht mehr Platz, aber auf jeden Fall noch so viel, um den nächsten vollen Euro zu erreichen. Genau das ist nämlich meine Marotte: immer auf eine gerade Summe zu tanken.
52,83 Euro sind für mich zum Beispiel ein nie zu akzeptierender Endbetrag fürs Tanken. 53,00 Euro schon. Dafür braucht’s wortwörtlich Fingerspitzengefühl und ein Betrag mit ,01 am Ende bedeutet für mich eine bittere Niederlage. Am erfüllendsten sind dafür gerade Zehnerpreise. Und da hatte ich kürzlich das Highlight meiner Tankkarriere.
Klack, der Hebel saust nach unten, ich blicke auf die Säule, setze meine Finger schon an den Griff, doch sehe: 60,00 Euro. Ohne nachzuhelfen. Jackpot. Der Tankbeleg steckt heute noch in meinem Geldbeutel.
Mir ist auf der Weiterfahrt aber schon die nächste Tick-Stufe eingefallen: auf eine Summe zu tanken, die dafür sorgt, dass mein Kontostand auf einer geraden Summe endet. Challenge accepted!
Teil 58 von Jasmin Kainz (21. Februar 2025)
Der heimliche Verehrer
Ich bin seit über einem Jahr single und habe damit auch überhaupt kein Problem. Ich genieße die Zeit allein und mit meinen Freundinnen und Freunden. Von meinem Freundeskreis wüsste ich auch nicht, wer für mich als fester Freund in Frage kommen würde. Um ehrlich zu sein, hätte ich auch nicht gedacht, dass es jemanden gibt, der sich in romantischem Sinne für mich interessiert – bis zum Valentinstag.
Ich habe den Valentinstag größtenteils mit meiner Mutter verbracht. Wir mussten ein Geburtstagsgeschenk für meine Oma besorgen. Erst am Abend traf ich mich mit meinem besten Freund, um in Landshut etwas essen zu gehen. Ausgemacht war, dass er mich um zwanzig vor sechs abholt und ich ging kurz davor in unsere Hofeinfahrt.
Doch: Was war das auf meinem Auto? Warum legte ein Postbote ein Paket auf meine Windschutzscheibe? Was soll das denn? Ich nahm es und sah eine einzelne rote Rose. Ich war ziemlich verwirrt, weil ich damit überhaupt nicht gerechnet hatte.
Denn: Wer schenkt mir eine rote Rose? Ich bin doch single. Schnell meinen besten Freundinnen texten. Das war bestimmt eine von ihnen, die wollten sich bestimmt einen Scherz erlauben. Doch: Sie alle verneinten. Ich war baff.
Wer fuhr extra zum Moniberg und legte mir eine Rose aufs Auto? Tatsächlich endete die Sache so, dass ich bis heute nicht weiß, von wem sie ist und ich habe mindestens zehn Leute in meinem Umfeld gefragt – Mädchen und Jungs. „Jassi, du hast einen heimlichen Verehrer“, meinte mein bester Freund dazu, von dem die Rose auch nicht war.
Nun steht sie auf meinem Schreibtisch. Ich sehe sie häufig an und frage mich, ob derjenige es irgendwann verraten wird, dass die Rose von ihm stammt.
Teil 57 von Sebastian Geiger (14. Februar 2025)
Pistacchio
Spricht man Pistazien auf Italienisch jetzt eigentlich „Pistatschio“ oder „Pistakkio“ aus? Mit dieser enorm wichtigen Frage musste sich vor Kurzem eine Bekannte in ihrem Italienurlaub herumschlagen. Weil: Den tollen Espresso mit Milchschaum spricht man ja auch „Capputschino“ aus, obwohl man ihn genauso schreibt wie „Pistacchio“. Tut man natürlich nicht – Cappuccino fehlt ein „h“. Und das zeigt wieder einmal, warum Rechtschreibung manchmal doch ganz wichtig sein kann.
Die „Pistakkio“ hat im vergangenen Jahr einen echten Bekanntheitsschub hingelegt – und alles nur, weil die Schokoladen-Manufaktur Fix Dessert Chocolatier („Tscho...“, nicht „Ko...“) an ihr herumexperimentiert hat. Aus Pistazien, Schokolade und Kadaifi – Engelshaar – kreierte man den Snack „Can’t Get Knafeh of It“, auch bekannt als Dubai-Schokolade („Scho...“ statt „Tscho...“). Dabei war der Hype wohl nicht der Pistazie geschuldet, sondern dem legendären „Crunch“ (wieder mit „...tsch“), den das Engelshaar beim Hineinbeißen auslöste. Und natürlich TikTok und Instagram (gesprochen wie geschrieben).
Für die Pistazie bedeutete das trotzdem einen enormen Popularitäts- und Preisanstieg, was dann dazu führte, dass es auf einmal Pistazien-Krapfen gibt, die aber auch ungefähr 20 Cent mehr kosten als die anderen Krapfen. Einen Crunch gibt es bei ihnen leider nicht.
Was mich wieder zu meiner Bekannten bringt. Die wollte bei ihrem Italientrip keine Dubai-Schokolade, sondern simples Pistazien-Eis. Zum Glück noch vor dem Hype, also ohne Mehrkosten. Dafür aber mit jeder Menge seltsamer Blicke seitens der Eisverkäufer, weil sie eben „Pistatschio“ sagte, statt „Pistakkio“. Zum Glück hat sie diese Probleme heute nicht mehr, sie bestellt mittlerweile einfach „Dubai-Eis ohne Engelshaar“.
Teil 56 von Manuel Bogner (7. Februar 2025)
Spaß mit Spammern #4
„Willkommen in der Welt der Illuminaten“: So beginnt die neue Spam-Mail, die bei uns in der Redaktion gelandet ist. Und mal wieder frage ich mich: Sollte ein Geheimverbund wie die Illuminaten nicht ... geheim sein? Aber stattdessen schreiben sie wohl einfach aus dem Nichts Zeitungsredaktionen. Schon klar.
Aber was sagen denn die guten Illuminaten? Erst mal schmieren sie mir Honig um den Mund. Ich habe Talent, sei eine „Größe an der Spitze der Gesellschaft“. Ich würde mich geschmeichelt fühlen, doch leider sind diese Komplimente in zahlreichen Grammatikfehlern verpackt. So gewinnen sie keine Journalisten für sich.
Dann kommen die großen Versprechen: Die Illuminaten könnten mir jeden Job besorgen, den ich haben will. Ob „reicher Erbe einer Adelsfamilie“ auch eine Option ist? Schließlich würden die Illuminaten den „reichen Menschen in mir erziehen“. Klingt vielversprechend, doch leider kommt in manchen anderen Zitaten raus, dass ich doch für mein Geld arbeiten muss. Ich könne „Eigentümer meines eigenen Unternehmens“ werden. Puh, klingt stressig.
Zuletzt kommt noch der Größenwahnsinn, der wohl das Brot und Butter der Illuminaten ist. Komplett in GROSSBUCHSTABEN fragen sie mich, ob ich ihnen beitreten will. Dabei ist alles, was ich will, dass sie mich nicht so anschreien – ich bin sensibel.
Die Nachricht beenden sie mit keinem „Mit freundlichen Grüßen“, sondern mit dem Befehl, dass ich mit „JA!“ antworten soll, wenn ich Illuminat werden will. Meine Antwort? „NEIN!“
Teil 55 von Kerstin Bauer (31. Januar 2025)
An alle Drängler
Liebe Autobahn-Drängler, bleibt doch bitte einfach zuhause, bis das Teleportieren erfunden worden ist. Denn auf der Autobahn geht ihr allen einfach nur auf die Nerven. Ich merke sofort, wie mir die Galle hochsteigt, wenn ich gerade auf der linken Spur überhole, ihr dann ankommt und von Weitem gleich mal die Lichthupe gebt.
Glaubt ihr, ich habe Tomaten auf den Augen und sehe euch nicht? Und dass Gott und die Welt gleich Platz machen muss, wenn Eure Hoheit kommt? Falls ihr nicht eine hochschwangere Frau, die gleich entbindet, auf dem Rücksitz habt, ist euer Verhalten einfach nur daneben. Wie wäre es, eine halbe Stunde früher loszufahren und damit zu rechnen, dass nicht jeder mit 200 über die Autobahn brettert? Aber Zeitmanagement habt ihr wohl nicht drauf, genauso wie die Straßenverkehrsordnung.
Noch schlimmer sind die Art von Dränglern, die einem auf der linken Spur so nah auffahren, dass man das Gefühl hat, sie sitzen gleich im eigenen Kofferraum. Was ist los mit euch? Bekommt euer Gehirn eigentlich Arbeitslosengeld, weil ihr nicht erkennt, dass das gefährlich ist? Ich wette, dass ihr auch auf dem Weg zur Hölle noch rechts überholt.
Teil 54 von Florian Wende (24. Januar 2025)
Mein First-World-Problem
Ich mag ansprechendes und einheitliches Layout. Ob in dieser Zeitung oder auf meinem Instagram-Account. Nur, genau da habe ich nun ein Problem. Ein zugegeben recht unwichtiges bei all den Herausforderungen unserer Zeit. Aber es stört mich. Und noch schlimmer: Ich kann nichts daran ändern.
Denn Instagram, diese einst so innovative und tolle Foto-Plattform, hat sein Layout auf den Profil-Startseiten geändert. Einfach so. Statt quadratischer Kacheln zeigt die App nun jedes Foto im Hochformat an.
„Wo ist das Problem?“, wird sich mancher fragen. Nun, viele Nutzer versuchen, ihre Startseite einheitlich zu gestalten. So auch ich. Das heißt: Bildausschnitt passend wählen, Text sinnvoll anordnen. Und was macht Instagram? Kommt mit der Dampfwalze und quetscht alle quadratischen Fotos ins neue Format. Das führt dazu, dass Bilder unpassend beschnitten und Texte nicht mehr zu lesen sind. Und frustriert alle, die Wert auf ein einheitliches Layout gelegt haben.
Mittlerweile hat sich Instagram erklärt: Die Änderung kommt, weil das Wachstum der App vor allem mit Videos zusammenhängt. Die Umstellung ist also fast folgerichtig. Leider.
Denn mit der Neuerung verliert die App ein letztes Überbleibsel ihrer ursprünglichen Oberfläche. Die Retro-Kamera als Logo, der Fokus auf Fotos – schon lange weg. Nun auch noch das quadratische Raster. Alles geht in Richtung Video-Einheitsbrei im Stil von TikTok. Schade.
Teil 53 von Jasmin Kainz (17. Januar 2025)
Odysee nach Hause
Mein Kumpel und ich waren müde vom Lernen an der Münchner Uni und entschieden uns, noch etwas essen zu gehen. Auf einmal war es 20 Uhr. Oh, krieg ich noch einen Zug nach Landshut? Denn die Deutsche Bahn ist genauso zuverlässig wie meine Terminkalenderplanung: unsicher und extrem spontan.
Dummerweise musste ich am Bahnhof sehen, dass genau das der Fall war: ein „zufälliger Personalausfall“. Kein Zug mehr nach Freising, geschweige denn nach Landshut. Mein Lichtblick: Die S-Bahn nach Freising! Voller Hoffnung lief ich mit meinem Kumpel zum Gleis und konnte es kaum erwarten, mich endlich hinzusetzen. Nur noch zwei Minuten! Ich strahlte. Moment … 60 Minuten?! Ich strahlte nicht mehr. Ich gestand mir ein, dass uns auch die S-Bahn im Stich gelassen hatte. Wir machten uns auf die Suche nach Schienenersatzverkehr.
Nachdem ich schon dachte, ich würde die Nacht an einer Münchner Bushaltestelle verbringen, steuerte tatsächlich ein Bus in unsere Richtung. Der Busfahrer öffnete die Tür und lächelte uns an. Ich lächelte zurück. Ich denke, er weiß bis heute nicht, dass er meine Füße vor dem Kältetod bewahrt hat. Ich ließ mich in den Sitz fallen und verfluchte die Bahn.
„Wach auf, wir sind am Flughafen!“ Ich öffnete meine Augen und erinnerte mich wieder daran, dass ich mich inmitten einer Odyssee von München nach Landshut befand. Am liebsten hätte ich die Augen sofort wieder geschlossen. Doch die Türen des Busses öffneten sich. Wieder diese widerliche Kälte! Mittlerweile war es 22.30 Uhr. Und wir waren am Münchner Flughafen. Allein. Einen Bus nach Freising suchend.
In Freising angekommen, musste ich noch irgendwie nach Landshut kommen. Es war mir inzwischen egal, wie ich dorthin kam. Ich schlafwandelte eh nur noch hinter meinem Freund her. Der entschied sich zu guter Letzt dazu, mich nach Landshut zu fahren – wo ich dann gegen Mitternacht ankam. Komplett fix und fertig.
Teil 52 von Sonja Ettengruber (10. Januar 2025)
Moderne Zeiten
Dreißig Jahre lang begleitete sie mich tagein tagaus am linken Handgelenk. Bis zu jenem Morgen, als beim Anlegen das Edelstahlband plötzlich entzweite. Zeit für einen neuen Zeitmesser. Und weil man mit der Zeit gehen will, schmückt jetzt eine Smart-Watch den Arm.
Zeitablesen in Stunden, Minuten, Sekunden verkommt zur Nebensache, dieses technische Spielzeug kann und will mehr. Apps von Achtsamkeit bis Zyklusprotokoll leuchten auf, bislang habe ich nur den Wecker, die Musikerkennung und die Telefonfunktion getestet – und schon zehn unterschiedliche Zifferblätter staunenden Freunden vorgeführt.
Die Software halte ich stets auf dem aktuellen Stand, nun mit der bemerkenswerten Neuerung in der Tide-App: Die Kartenunterstützung für Gezeiten-Bedingungen und Küstenstandorte wurde auf Regionen in China ausgedehnt. Gut zu wissen.
Immer wieder verblüfft mich, was mein Zauberbegleiter so alles bewerkstelligt. Die Aktivitäten-App beispielsweise hat sich selbst gestartet. Täglich soll ich mich so viel bewegen, dass sich Ringe schließen. Sprüche wie „Du schaffst es noch“ und Vibrationsalarm unterstützen das Ziel. Nervig, aber ich habe mich damit arrangiert. Es schmeichelt, wenn ich lese: „Neuer Rekord, mach weiter.“
Lästig bleibt, dass man nicht lange sitzen kann, ohne, dass die Uhr auffordert: „Zeit, aufzustehen!“ Wie neulich auf der Toilette. Mehrfach hartnäckig blinkte „Zeit, aufzustehen“. Das war’s mit einer entspannten Sitzung. Meine Toilettengänge verkürzten sich seitdem massiv.
Für das nächste Software-Update schlage ich eine sinnvolle Ergänzung vor. Männliche Stehpinkler sollte die Uhr lautstark ermahnen: „Zeit, sich hinzusetzen!“
Teil 51 von Sebastian Geiger (3. Januar 2025)
Neujahrskater
Der Kater, den man ab und an nach einer durchfeierten Nacht hat, heißt eigentlich nicht so. Denn streng genommen ist die Alkoholintoxikation (schönes Wort!) nicht vom maunzenden Haustier abgeleitet, sondern vom Katarrh (auch ein schönes Wort!).
Diese Bezeichnung nutzten die Leute früher gerne, um eine Erkältung zu umschreiben. Die Studierenden des 19. Jahrhunderts verwendeten es wohl scherzhaft als Synonym für den Rausch. Weil man an der Uni schon früher verdammt gute Partys geschmissen hat, von denen die Umwelt nichts wissen durfte.
Der Katzenjammer (ein drittes schönes Wort!) kommt übrigens auch nicht von der Katze, sondern aus Goethes Zeit, hieß damals Kotzen-Jammer – und umschreibt genau das.
Diese ganze Vorgeschichte ist insofern wichtig, weil der Kater, der mir vergangenes Jahr nach einer langen Silvesterfeier begegnete, eben keine Alkoholintoxikation war, sondern flauschig-grau und neugierig-schmeichelnd. Und perfekt, um mein übermüdetes Ich durch eine intensive Streichelsession vom Nachhauseweg abzulenken.
Leicht benommen (ich schwöre, es war nur die Müdigkeit!) saß ich also im beginnenden Morgengrauen neben Meister Miez und gab ihm die erste Kraulerei des Jahres. Schon ein irgendwie erhebendes Gefühl. Auch, wenn nicht klar ist, ob sie jetzt besonders glücksbringend war, an Neujahr glaubt man ja an solche Sachen.
Meister Miez habe ich danach übrigens nie wieder gesehen, nach Hause gekommen bin ich, als die Sonne schon längst am Himmel stand. Aber verschlägt es mich nächstes Jahr wieder auf diese Party, weiß ich jetzt schon: Mein Neujahrs-Kater wird im Idealfall wieder ganz angenehm.
Teil 50 von Manuel Bogner (20. Dezember 2024)
Spaß mit Spammern #3
Hol den Aluhut raus: Die Verschwörungstheoretiker haben den Spamordner unserer Redaktion gefunden. So schreibt uns eine Person mit dem mysteriösen Codenamen „ok ok“, dass es zwei Arten von echten Ufos gibt. Als Sci-Fi-Fan bin ich sofort begeistert. Doch leider entdecke ich hier keine spannenden Geschichten: nur kontextlose Bilder von Meteoriten und Screenshots aus japanischen YouTube-Videos.
Eine interessante Behauptung finde ich doch noch: „Bald wird aus dem Nordpol ein Planet geboren werden, auf dem antike Menschen leben werden.“ Und danach die besorgniserregende Frage: „Wird die menschliche Geschichte 2031 oder 2032 enden?“ Also, hier hast du es zuerst gehört: Die Welt hat nur noch ungefähr sieben Jahre, bevor es sie in Stücke reißt.
Der Rest der Nachricht ist sinnloses Geblubber mit kompliziert klingenden Begriffen und ein bisschen Hetze gegen eine angebliche Umweltsteuer von mehreren Milliarden Yen.
So, es wird Zeit, den Aluhut wieder abzusetzen. Durch die Spiegelung der Sonne blendest du sonst vielleicht noch ein Ufo, das durch den Himmel gurkt.
Teil 49 von Kerstin Bauer (13. Dezember 2024)
Ganz schön windig
Manche Dinge sehen wir als selbstverständlich an – bis sie es irgendwann nicht mehr sind. Zum Beispiel schließbare Autofenster. Vor Kurzem konnte ich das Fenster auf der Fahrerseite nicht mehr hochfahren. Selbst gewaltvolles Hochziehen bewegte die Scheibe kaum.
Bist du schon mal mit einem komplett offenen Autofenster schnell gefahren? Im Sommer vermutlich schon. Aber an einem sehr windigen und kalten Tag? Auf der Autobahn? Vor allem an Stellen ohne Bepflanzung neben der Straße klatschte mir der Wind dermaßen an den Kopf, dass ich mir sicher war, aus der Sache nur mit mindestens einer Mittelohrenentzündung rauszukommen. Doch man soll die Dinge ja immer positiv sehen. Es hätte schlimmer kommen können: wenn es zum Beispiel an diesem Tag noch geregnet hätte.
Zum Glück hatte ich aber außer Ohrenweh direkt nach der Fahrt keine weiteren gesundheitlichen Schäden. Und bei der Heimfahrt, die ich am selben Tag leider auch noch antreten musste, war ich mit einer dicken Mütze vorbereitet auf die zweite Frischluftwatschn.
Teil 48 von Florian Wende (6. Dezember 2024)
Black Horror
Ich möchte mit einer Zahl beginnen: 89. Nein, sie ist nicht die neue 42 und damit Antwort auf alle Fragen, sondern der Horror von knapp zwei Wochen. 89 handgezählte Mails haben nämlich meinen Posteingang seit Beginn der Black Week zugemüllt. Der war bekanntlich am 25. November und bis zum heutigen Freitag sind elf Tage vergangen. Denn mit dem Cyber Monday ist ja noch lange nicht alles vorbei. Doch dazu später. Bedeutet jedenfalls: pro Tag gut sieben Nachrichten mit ach so tollen und günstigen Angeboten.
Mein Highlight daraus: ein indonesisches Buchungsportal. Das hatte ich 2017 bei einer Reise in das Land tatsächlich mal genutzt, kann mich aber nicht erinnern, mich jemals für einen Newsletter registriert zu haben. Sieben Jahre blieben Mails von dem Anbieter auch aus. In der Black Week lockt es mich nun mit vergünstigten Tickets für ein Linkin-Park-Konzert im Februar 2025. Linkin Park? Ja, bitte. Dafür zur Regenzeit nach Jakarta fliegen? Nein, danke.
Meine Hoffnung war ein Ende des Mail-Gewitters nach dem Cyber Monday. Doch als ich am Dienstagmorgen den Flugmodus meines Handys deaktivierte, ploppte auf: „Wir verlängern die Black Week“, „Bis Anfang Dezember weitershoppen“, „Letzte Chance für die Top-Angebote“. Nein, nein, nein. Es reicht!
Ich muss gestehen: Ich bin bei vielen Portalen registriert, daher die Menge an Mails. Aber was dieses Jahr zur Black Week abging, ist jenseits von attraktiven Angeboten. Mein Plan daher für Anfang November 2025: mich aus sämtlichen Newslettern austragen.
Teil 47 von Sebastian Geiger (29. November 2024)
Gut verpackt
Die fleißigen Leser dieser Kolumne werden sich noch daran erinnern: Vor einiger Zeit jammerte der Autor dieser Zeilen, dass er kein Rad mehr hatte. Daraufhin erhielt er eines als Geschenk, noch einmal vielen Dank! Und seitdem flutscht das mit dem Radl quasi wie von allein. Wege sind kürzer, Einkäufe leichter, Nachtbusse, die gefühlt nur einmal in einer Ewigkeit auftauchen, kein Problem mehr. Das Rad ist zu einem ständigen Begleiter geworden, was sehr gut ist – aber auch zu unerwarteten Problemen führt.
Denn ein echter Radfahrer fährt nicht nur im Sommer, sondern natürlich auch im Herbst und Winter. Wenn es kalt ist und auf einmal klar wird, dass ein Rad andere Ansprüche an die Winterkleidung stellt als das Zu-Fuß-Gehen. Denn hier ist das Outfit traditionell: ein Mantel, etwas Warmes darunter, maximal ein Schal – und gut ist! Außer, es ist wirklich kalt, dann kommt vielleicht noch ein Paar Handschuhe ins Spiel. Gerade die sind beim winterlichen Radfahren aber absoluter Pflichtstandard, wie spätestens nach einer abendlichen Heimfahrt klar ist. Nicht, dass sich die Finger nicht mehr von den Lenkern gelöst haben – es ging halt nur ein bisschen schwerer. Genauso verhält es sich mit dem Mantel. Der muss natürlich zu sein, denn Fahrtwind ist kälter als Gehwind, auch, wenn so mancher 100-Meter-Läufer hier vielleicht widersprechen will. Von der Kopfbedeckung ganz zu schweigen ...
Das sind Lektionen, die man als klassischer Sommer-Gemütlichradler erstmal lernen muss. Stimmt die Verpackung, ist auch das Winterradeln eigentlich kein Problem mehr. Gut, vielleicht das Eis und der Schnee, die dann noch kommen werden. Wie packt man eigentlich eine Schippe auf das Rad?
Teil 46 von Manuel Bogner (22. November 2024)
Spaß mit Spammern #2
Die E-Mail-Betrüger haben es weiter auf die Freistunde-Redaktion abgesehen. Doch irgendwie hat es dieser Scammer geschafft, an die E-Mail-Adresse unseres ehemaligen Poetry Slams zu kommen. Deswegen schreibt uns ein gewisser Dr. Phillip Falkenheim Folgendes: „Hallo poetryslam, sind sie betroffen?“
Betroffen von was? Einem weltweiten Hackerangriff? Nein, denn der gute Dr. Phillip Falkenheim will die Erektionsprobleme unseres Poetry Slams heilen. Potenzprobleme seien „easy und effektiv zu beheben“. Ein Link – den ich definitiv nicht anklicken werde – soll zum Produkt weiterleiten.
Was diesen Scammer besonders macht: Er gibt nicht auf. Seine erste Nachricht ist über ein Jahr her und er schleicht sich dennoch regelmäßig in unser Postfach, immer mit einem leicht abgeänderten Text. Respekt, wer so lange durchhält!
Doch existiert er denn nun wirklich, unser lieber Dr. Falkenheim? Ein schnelles Googeln spuckt nur ein brauchbares Ergebnis aus: eine Seite aus dem Archiv der Meraner Zeitung – vom 5. Oktober 1888. Bis also in Südtirol die Existenz von Geistern mit Erektionsproblemen bewiesen ist, glaube ich auch nicht an Dr. Falkenheims Wundermittel. Tut mir leid, Doktor.
Teil 45 von Kerstin Bauer (15. November 2024)
Ein holpriger Start
Ich muss ganz spontan zum ersten Mal in meinem Leben Automatik fahren – mit einem Elektroauto des Verlags, das mich optisch schon beinahe an ein Space Shuttle erinnert.
Unsicher steige ich ein. Komisch ist schon mal, dass ich keinen Schlüssel in eine Zündung stecken muss, hier gibt es Keyless Go. Kann ich jetzt einfach losfahren, nur weil ich mit dem Chip im Auto sitze, oder wie? Vermutlich.
Meinen rechten Fuß stelle ich auf das rechte Pedal. Meinen linken instinktiv auf das Pedal links, wo normalerweise ja die Kupplung ist. Ich möchte losfahren. Doch das Auto bewegt sich keinen Zentimeter vorwärts. Stattdessen: ein lautes Geräusch. Ist die Handbremse etwa noch drin? Doch wie schaltet man die Handbremse hier überhaupt aus? In diesem hochmodernen Ding gibt es keine zum Ziehen. Aber einen Knopf. Gefunden. Gedrückt. Ich bin stolz auf mich. Und versuche, wieder loszufahren.
Schon wieder dieses laute Geräusch, das Auto bewegt sich nicht. Ich bin ratlos. Der Hausmeister eilt zur Hilfe. Bei einem kurzen Blick auf meine Fußposition sieht er sofort, was hier im Argen liegt. „Du drückst mit dem linken Fuß auf der Bremse“, ruft er amüsiert. „Hier gibt es keine Kupplung. Schon klar, dass du nicht losfahren kannst.“ Er rät mir, mein linkes Bein auf die Ablage zu stellen und es die komplette Fahrt „ja nicht von dort wegzubewegen!“
Ahhh! Mit meinem rechten Fuß muss ich hier also nur zwischen Gas und Bremse wechseln, während mein linker Fuß quasi Urlaub hat. Nervös fahre ich los. Und bin kurz darauf erstaunt, wie einfach das Fahren so geht.
Teil 44 von Florian Wende (8. November 2024)
Der Herr der Zahlen
Wo andere ratlos sind, sich in Floskeln verlieren oder witzig sein wollen, ist er die solide Festung der Wahlberichterstattung: Jörg Schönenborn. Der Zahlenmann der ARD ist mein treuer Begleiter bei Wahlen.
Nun hat er mich wieder durch eine lange Nacht geführt. Wie immer vor seinem XXL-Touchscreen, auf dem er die Zahlen zur US-Wahl präsentiert. Souverän weist er Bundesstaat um Bundesstaat aus, kann jedes Detail erklären und ist schneller als die Eilmeldungen auf meinem Handy. Immer korrekt lässt er sich zu keiner vorschnellen Prognose hinreißen, auch wenn manches improvisiert läuft.
Denn klar, bei einer so langen Live-Sendung geht etwas schief. Doch ihm und der ARD gehört Respekt gezollt: Mit minimaler Vorbereitung ist der Herr der Zahlen am Mittwochabend schon wieder zu sehen und ordnet das deutsche Regierungschaos ein. Auch wenn ihm da die Zeichen einer durchmoderierten Nacht anzusehen sind.
Jörg Schönenborn hat eine natürliche Neigung dazu, seine Augen mit einer – nennen wir es – dezenten Spur von Erfahrung zu schmücken. Je länger die Nacht, desto tiefer die Ringe unter seinen Augen. Kein Wunder: War der Moderator am Vorabend der US-Wahl bereits bei der Tagesschau, begrüßt er mich um fünf Uhr morgens wieder am Bildschirm, moderiert noch bis zehn Uhr weiter und ist abends schon wieder live. Diese Zeichen der Nacht verleihen ihm aber fast eine gewisse Gelassenheit, als ob er mir damit sagen möchte: „Vertraue mir. Ich habe schon viel gesehen.“
Genau das tue ich Wahl für Wahl. Und zur Abstimmung jenseits des Atlantiks und zum Regierungschaos hierzulande sei an dieser Stelle nur gesagt: Jörg Schönenborn ist mein einziger Trost.
Teil 43 von Sebastian Geiger (31. Oktober 2024)
Buh!
Es ist schon erstaunlich, wie viel Horrorpotenzial so eine Webcam haben kann. Und nein, damit ist jetzt nicht gemeint, wie sie es immer schafft, bei wichtigen Gesprächen den Fokus genau auf die Pickel zu legen, die man am morgen frisch im Spiegel entdeckt hat.
Es geht eher um die Dunkelheit, die sich wie ein Schleier um die eigene Gestalt legt. Weil es einfach ein bisschen früher dunkel wird und das Videogespräch mit Freunden einfach so spannend ist, dass man vergisst, das Licht anzumachen. Dann schaut auf einmal nur noch das eigene, vom weißen Schein der Kamera erleuchtete Gesicht aus einem Haufen Schwärze die anderen an.
Alle warten förmlich darauf, dass etwas aus dieser Dunkelheit auftaucht, in die Kamera grinst und das Gesicht im Nichts verschwindet. Oder dass die Tür, die genau einen Spalt breit offen ist, plötzlich von alleine aufgeht.
Tat sie dann auch jüngst bei der abendlichen Ratschrunde mit Freunden aus Hamburg. Wäre das Gesprächsthema nicht ohnehin schon unheimlich gewesen (wie gesagt, es ist Herbst), wäre es dem Rest des Chats wohl gar nicht aufgefallen. Doch so gab es Geschrei, Warnungen und Zähneklappern.
Das löste sich allerdings in wohliges Gefallen auf, als der vermeintliche Geist mit einem „Wuff“ auf den Schoß des Menschen mit der offenen Tür sprang und es sich dort gemütlich machte. Fröhliches Halloween!
Teil 42 von Manuel Bogner (25. Oktober 2024)
Spaß mit Spammern #1
Als Journalist schreibt und bekommt man viele E-Mails – ob man will oder nicht. Dadurch erhält unsere Redaktion auch einigen seltsamen Spam, den man nur schwer ernst nehmen kann. Also tun wir das auch nicht.
Mit einem freundlichen „Guten Tag!“ begrüßt mich zum Beispiel ein Scammer, doch der Ton wechselt schnell: „Hier ist die letzte Warnung.“ Als würde mir der Autor dieser Nachricht durch den Bildschirm einen Revolver an den Kopf halten.
Der nette Spam-Mail-Schreiber warnt, dass er mithilfe eines Trojaners die Kamera unserer PCs infiziert hat und jemanden in der Redaktion dabei erwischt hat, wie er unsägliche Dinge getan hat. „Dies würde Ihren Ruf komplett ruinieren.“ Mich überrascht eher, dass sich in der E-Mail kein Rechtschreib- oder Grammatikfehler findet. Er verwendet sogar die Höflichkeitsanrede.
Und natürlich – wie soll es auch sonst sein – will der freundliche Hacker innerhalb von zwei Tagen 4 700 Euro. Ich frage mich, wie er bei dieser seltsam spezifischen Zahl gelandet ist. Hätte er nicht zumindest auf 5 000 Euro aufrunden können? Vielleicht hofft er, dass wir das tun. Als Trinkgeld sozusagen, weil er sich so viel Mühe beim Verfassen der Drohnachricht gegeben hat.
Mein neuer Brieffreund verabschiedet sich mit den Worten „Ich wünsch dir viel Glück und mach keine Dummheiten.“ Fast wie eine Mutter, die gerade ihren Sohn in die Schule verabschiedet. Ich find’s sehr süß.
Teil 41 von Sonja Ettengruber (18. Oktober 2024)
Die Rückenfreihalterin
„Und ein großes Dankeschön an die Frau, die hinter Ihnen steht und Ihnen den Rücken freihält“, sagt der Laudator und wendet sich zum Unternehmer, der gefolgt von seiner Ehepartnerin auf die Bühne schreitet. Er erhält einen Preis in Form einer großen Urkunde, weil er seine Firma erfolgreich leitet und Arbeitsplätze bietet. Eine Assistentin reicht seiner Frau einen üppigen Blumenstrauß.
So oder so ähnlich habe ich in den vergangenen Wochen unterschiedliche Ehrungen erlebt: der Mann der Macher, die Frau die Rückenfreihalterin. Nicht auszudenken, wer oder was ihn von hinten angreifen und niederdrücken würde ohne sie! Dank ihr muss er sich nie umdrehen, blickt nur nach vorn, kann seinen Erfolgsweg ungestört gehen.
Aufstellen zum Gruppenfoto mit Dame und Blüten. Durch den Blumenstrauß wird sie für einen Moment sichtbar, tritt aus seinem Schatten hervor. Der Strauß verstärkt ihre Rolle als schmückendes Beiwerk. Alle lächeln in die Kamera.
Ich mag solche Bilder nicht mehr sehen. Blumensträuße mag ich jedoch schon, am liebsten in der Glasvase auf dem Esstisch. Aber nicht inszeniert als Geste für eine sogenannte Rückenfreihalterin.
Teil 40 von Kerstin Bauer (11. Oktober 2024)
Hunger!
Mein Geburtstag. Ein wunderschönes Holzhaus im Bayerischen Wald. Vier Kilogramm Spareribs für vier Personen. Ein Grill im Garten. Klingt mega.
Geplant ist, dass wir gegen 19 Uhr essen. Mist, keine Grillkohle da. Kein Problem, dann stellen wir eben aus Holzscheiten selbst eine Glut her. Aber das dauert ... Schön langsam kommt der Hunger.
Nach gut einer Stunde können endlich die Spareribs auf den Grill. Gespannt beobachten wir, wie der Garprozess fortschreitet.
Zeit zum Spareribs wenden. Doch verdammt – die Alufolie klebt fest. Und fängt Feuer. Eine kleine Stichflamme schießt empor, wir ducken uns.
Die Spareribs sind einseitig verkohlt. Der Tomate-Mozzarella-Salat, die Knoblauchbaguettes und wir haben also umsonst gewartet. Was nun? Es ist kurz vor 22 Uhr. Hunger!
Unser Hoffnungsschimmer: Lieferando. Wir öffnen die App. Da wir aber ziemlich in der Pampa sind, liefert einfach niemand an unsere Adresse.
Doch wir sehen: Im Nachbardorf scheint es eine kleine Pizzeria zu geben – die bis 22 Uhr geöffnet hat. Jetzt aber schnell!
Einen Anruf und vier Pizzabestellungen später können wir endlich durchatmen. Das Überleben in der Wildnis ist für diesen Abend erst einmal gesichert.
Teil 39 von Sebastian Geiger (3. Oktober 2024)
Geh doch weg!
Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger: Wäre die Straßenverkehrsordnung ein Antikepos und der Verkehr ein Schlachtfeld, diese drei Gruppen würden sich auf immer bekämpfen. Und das Spannende dabei: Die eigene Zugehörigkeit wechselt, je nachdem, welches Kriegsmittel man bedient.
Zur Auswahl stehen das Auto – schnell und gepanzert –, das Fahrrad – wendig und überraschend – und die Füße – langsam, aber stark in Mitgliederzahlen. So kabbeln sich die drei Fraktionen tagein, tagaus darüber, wer das Vorrecht im Straßenverkehr hat. Und je nachdem, ob man selbst gerade im Auto sitzt oder auf dem Rad oder seine Füße benutzt, verändern sich auch die eigenen Loyalitäten.
Beispiel: Sehe ich als Autofahrer, wie an einer Ampel ein Fußgänger bei Beinaherot noch schnell über die Straße watschelt, nervt mich das. Bin ich aber selbst der Fußgänger, weckt das darauffolgende Dauergehupe Aggressionen, vor allem, weil die Autos doch noch gar nicht fahren dürfen!
Fahrradfahrer auf Fußgängerwegen sind ein No-Go – solange ich nicht selbst der Fahrradfahrer bin und ausweichen muss, weil eine Horde Schüler denkt, dass man auf dem Radweg doch perfekt Spazierengehen kann!
Ganz klar, in einer Fußgängerzone haben Autos nichts verloren – außer, man ist gerade am Umziehen und eh schon genervt davon, dass die Gassen in der Regensburger Altstadt so eng sind, dass man mit einem Umzugslaster nirgendwo durchkommt. Schon gar nicht, wenn Radfahrer an einem vorbeirauschen.
Um das zu ändern, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Den harten Weg der Einsicht und des Redens (wir kämpfen doch eigentlich nicht gegeneinander, sondern gemeinsam gegen den 17-Uhr-Stau) oder Lufttaxis. Quasi als Ausweitung der Konfliktzone.
Teil 38 von Manuel Bogner (27. September 2024)
Speisen wie ein Student
Instant-Ramen sind ein kleines kulinarisches Wunder: Sie sind meist lecker und zumindest halbwegs sättigend. Aber vor allem: günstig. Was braucht man mehr im Leben als einigermaßen durchgekochte Nudeln und eine chemische Brühe aus mysteriösen Geschmacksverstärkern?
Die kleinen Nudelsuppen haben über die Jahre die Ernährung von Millionen Studenten und Azubis ruiniert. Ein guter Freund und ich haben uns vor Kurzem zu einer Challenge entschlossen: Wir haben eine Überraschungsbox mit 50 unterschiedlichen Instant-Ramen bestellt, nun bewerten wir diese. Schön übersichtlich in einer Google-Docs-Tabelle. Muss ja alles wissenschaftlich ablaufen.
Inzwischen sind wir ungefähr bei der Hälfte angelangt und ich kann berichten: Bisher waren nur wenige Suppen dabei, die uns wirklich vom Hocker gehauen haben. Ein Überblick über die „Highlights“:
- Rindsuppe, die wie ein veralteter Burger-Patty von McDonald’s schmeckt
- Getrocknete Fleischbällchen, die eher an Hundefutter erinnern
- Mehrere Brühen, die nach Limette schmecken. Eine ging in eine Richtung, als hätte man Erdnusssnacks in Zitronensäure eingelegt
- Eine Packung mit der Geschmacksrichtung „Chicken Pizza“, die am Ende nur nach Kümmel geschmeckt hat
Bisheriges Fazit also: enttäuschend. Mittlerweile haben wir uns auch einigermaßen an den Nudeln sattgegessen. Es würde mich nicht überraschen, wenn ich bald von ihnen träume. Aber wir haben ja noch einige Geschmacksrichtungen (beziehungsweise: Geschmacksverstärker) zum Ausprobieren. Eine muss ja mal gut sein ...
Teil 37 von Florian Wende (20. September 2024)
Ein Roboter namens Wastl
Ein Vorteil, wenn man jede Woche meist beim gleichen Supermarkt einkauft: Man kennt die Wege. Auf Autopilot geschaltet schiebe ich vor ein paar Tagen also meinen Wagen und mich durch eben diesen Lebensmittelladen. Ich stehe gerade vor den Bananen und will zu dem gewünschten Bund greifen, da blinzeln mich plötzlich zwei freundliche Augen auf Kniehöhe an.
Ich hebe die Hand, will grüßen, greife noch schnell das gebogene Obst und blicke nach unten. Es dauert ein paar Sekunden, bis sich mein Autopilot deaktiviert und es mich reißt. Denn zu meinen Füßen steht nicht etwa ein Kind. Da ist noch jemand auf Autopilot unterwegs: ein Staubsaugerroboter.
Auf ihm: ein Display in Tablet-Größe, von dem mich ein digitales Augenpaar anleuchtet. Hinter ihm: eine Bahn Supermarktboden, die frisch gewischt glänzt. An drei Seiten des Roboters: Aufkleber, die mir seinen Namen verraten. Wastl.
Ich mache einen Schritt nach rechts, Wastl fährt nach links. Ich wieder nach links, er nach rechts. So kommen wir nicht weiter. Der Roboter kennt die menschlichen Eigenheiten schon erstaunlich gut. Schließlich trete ich den Rückzug an, Wastl surrt auf Autopilot in Richtung Gurken.
Ich blicke meiner unerwarteten Begegnung hinterher und schalte ebenfalls zurück in den Automatikmodus. Was Wastl wohl noch für eine Karriere vor sich hat, philosophiere ich. Ob er sich vom Putzroboter mal hocharbeitet, irgendwann selbst Einkaufswägen schiebt und an der Kasse sein Kleingeld zählt?
„Bitt’schön, was derf’s denn sein?“, schallt es da plötzlich vor mir. Wieder blicken mich zwei Augen erwartungsvoll an, nun aber ganz menschliche. Ich bin an der Wursttheke gelandet. Die Verkäuferin schaut ein wenig irritiert auf das Obst in meinen Händen, bevor sie mir den Leberkas herschneidet. Alles Banane.
Teil 36 von Kerstin Bauer (13. September 2024)
Die Jagd
Ich gehe in mein Schlafzimmer. Kaum über der Türschwelle, düst ein kleines, schwarzes Ding auf mich zu. Es möchte nichts Geringeres als mein Blut. Haben Mücken mit ihrer Attacke früher nicht wenigstens noch gewartet, bis man gemütlich im Bett lag? Diese hier hat wohl keine Zeit zu verlieren.
Ich wedele mit den Armen, um mich zu verteidigen. Und weiß: Um heute Nacht schlafen zu können, muss ich erst dieses blöde Insekt erledigen. Wir haben in den nächsten Minuten mehrere Nahkämpfe. Dreimal denke ich, sie erwischt zu haben. Doch die Mücke ist schnell, verdammt schnell und entkommt immer knapp. Bald bin ich müde und möchte einfach nur schlafen. Schon über eine halbe Stunde ist vergangen. Kurz denke ich darüber nach, mich geschlagen zu geben, einfach schlafen zu gehen, mich stechen zu lassen und dann vielleicht meine Ruhe zu haben. Doch noch gebe ich nicht auf.
Ich platziere mich als Köder auf dem Bett und warte, bis das nervige Fluggeräusch wieder lauter wird. Ich sehe, wie sie neben mir an der Wand landet. Und weiß: Jetzt oder nie! Meine Sinne schärfen sich, Puls und Blutdruck steigen. Blitzschnell klatsche ich mit meiner Hand gegen die Hand. Die Mücke fällt tot auf den Boden. Selten hat sich ein Sieg so gut angefühlt!
Glücklich lege ich mich schlafen. Und höre: „Ssss …“
Teil 35 von Sebastian Geiger (6. September 2024)
Zugabe, Zugabe
Na, den Festivalsommer gut überstanden? Wer in den vergangenen Wochen das Geld und die Ausdauer hatte, konnte quasi jeden Tag einen anderen Megastar über Bühnen springen und singen sehen. Für 400 Euro sogar aus nächster Nähe inklusive Unter-der-Zweitbühne-Bar, die sicherlich Drinks vom Preisniveau eines Kleinwagens angeboten hat.
Und klar, nicht alle Künstler konnten Taylor Swift sein. Was sehr schade ist. Denn das heißt auch: Nicht alle Künstler konnten Taylor Swift sein. Aber die Freistunde-Redaktion ist sich sicher, unbekanntere Musiker wie Justin Timberlake, Coldplay oder Adele werden den Popularitätsschub des swiftigen Megastars gut für ihre weitere Karriere ausnutzen können.
Spannend war bei den verschiedenen Konzerten vor allem, wie die Musiker und Bands auf den unleidigsten Teil des Abends reagierten: die Zugabe. Bei diesem altehrwürdigen Ritual tut der Musiker so, als ob das Konzert auch garantiert vorbei ist, verschwindet von der Bühne und lässt das Publikum in extatischem Applaus zurück. Das schreit dann so laut wie möglich „Zugabe“, oder, alle, die extrabemüht lustig sein wollen, „Flughafen“. Nach 5 bis 15 Minuten kommt dann die Band zurück auf die Bühne, offensichtlich überrascht davon, dass die Leute, die über 100 Euro für eine Karte bezahlt haben, mehr Musik hören möchten.
Es gibt einige sehr lustige Varianten in diesem Ritual. Zum Beispiel die Festivalband, die vom Veranstalter aus Zeitgründen nur „ein Lied“ machen darf und das in eine 20-minütige Improvisationsorgie verwandelt. Oder der Musiker, der mit keiner Zugabe gerechnet hat und vor lauter Überraschung seine bekannteste Ballade einfach nochmal singt.
Oder man gibt gar keine Zugabe. Was für ein rebellischer Schachzug, denken sich da sicher einige Fans, bis ihnen klar wird: Der Künstler hätte schon gerne eine gegeben, nur war die „Extra-für-die-Zugabe-von-der-Decke-abseil-Spektakel“-Konstruktion nicht aufgebaut. So ein Pech.
Teil 34 von Manuel Bogner (30. August 2024)
Ein traumhafter Start
Jeder Morgen startet bei mir mit einem Herzinfarkt und dem lauten „MIEEEEEEEP“ des Weckers. Meine wütende Hand schwingt sofort nach dem Aus-Knopf – wie ein unmotivierter Tentakel eines Riesenkraken. Meine Bettdecke, ein Ozean der Träume. Ich versuche, anhand des Geräusches die Position des Ruhestörers zu erahnen. Drei Versuche, dann treffe ich. Neuer Rekord.
Darauf folgt der Weg zum Handy und zu meiner Brille – in dieser Reihenfolge. Wie immer bleibe ich noch mal kurz im Bett, um mich zu informieren, was ich im Schlaf verpasst habe. Doch was erblicken meine müden Augen da, geblendet von der Helligkeit meines Bildschirms? Es ist Viertel nach fünf! Fast drei Stunden, bevor ich aufstehen muss. Und mein Wecker ist auch noch wie eine Zeitbombe scharf gestellt.
Scheinbar habe ich nur geträumt, wie mich mein Wecker aus dem Schlaf gerissen hat. Trotzdem bin ich aufgestanden. „Matrix“ lässt grüßen. Erst bin ich glücklich, dass ich weiterschlafen kann – bis nach gefühlten fünf Minuten das echte „MIEEEEEEEEEEEEEEEP“ ertönt. Traumhaft.
Teil 33 von Florian Wende (23. August 2024)
Volksfest-Wahnsinn
Nüchtern betrachtet ist es schon unglaublich, was auf einem Volksfest so alles vollkommen normal ist. Ich schreibe das aus gegebenem Anlass, denn am Montag ging das Straubinger Gäubodenvolksfest zu Ende. Daher mit ein paar Tagen Abstand eine kurze Rückschau, was in diesen elf Tagen so alles ganz gewöhnlich war.
Um elf Uhr gleich mal einen Liter Bier trinken? Ja, freilich!
Dafür 14 Euro bezahlen? Sowieso, macht ja nichts, dass man dafür mittlerweile sogar einen Kasten gutes Bier bekommt.
Schon leicht angetrunken mit einem Luftgewehr auf Plastikrosen schießen? Na selbstverständlich!
Sich in eng sitzende Lederhosen und Dirndl zwängen und dann in ein volles Bierzelt quetschen, in dem es gefühlt 40 Grad bei mindestens 90 Prozent Luftfeuchtigkeit hat? Hilft ja alles nichts!
Arm in Arm auf der Bierbank einen toten Fisch erledigen und dann gleich den Stier von Barcelona? Mei, tierfreundlich ist so ein Volksfest halt nicht unbedingt.
Trotz aller Strapazen und Eskapaden nach elf Tagen wehmütig feststellen: Schade, dass es schon wieder vorbei ist? Oh ja!
Ein Volksfest ist verrückt. Es ist – je nach Bierkonsum und Intensität – anstrengend. Und teuer sowieso. Aber es ist auch einfach schön! Denn es bringt die Leute zusammen. Es belebt alte Freundschaften wieder, lässt neue entstehen und schreibt viele kuriose Geschichten. Ein Volksfest ist eben genau das: ein Fest des Volkes. Meine Vorfreude aufs nächste Jahr steigt schon wieder.
Teil 32 von Kerstin Bauer (15. August 2024)
Der Lasagne-Fauxpas
Da eine Freundin gerade durch eine schwere Zeit geht, wollte ich sie mit einer selbst gemachten Lasagne aufmuntern. Voll motiviert ging ich ans Werk – man möchte ja schließlich, wenn man für andere kocht, ein besonders leckeres Ergebnis erzielen. Und so würzte und würzte ich, bis ich schließlich zufrieden war, und stellte ihr mein Meisterwerk vor die Haustür.
Da ich gleich zwei Auflaufformen voll gekocht hatte – die andere für uns – gab es besagte Lasagne am Abend auch für mich. Mit prüfendem Gaumen nahm ich einen ersten Bissen, und erstarrte. Sie war versalzen! Ich konnte es nicht glauben und nahm gleich noch einen Bissen. Und auch hier schmeckte ich deutlich die bittere Note im Nachgang, die man nicht ignorieren konnte. Ich konnte es nicht fassen! Das war mir zuvor erst einmal in meinem Leben passiert! Und nun das zweite Mal ernsthaft, wenn ich für eine liebe Freundin und deren Partner koche? Meine Laune rutschte in den Keller.
Also berichtete ich einer guten Freundin via WhatsApp von meinem Lasagne-Fauxpas – in der Hoffnung, ich wäre danach weniger genervt. „Es gibt Schlimmeres“, antwortete mir diese, „ich habe mir gestern mein Schlüsselbein gebrochen und bin jetzt sechs Wochen krankgeschrieben.“
Ich erschrak. Und kam mir plötzlich ziemlich doof vor mit meinem nun gar nicht mehr so schlimmen Lasagne-Problem. Es kommt im Leben eben immer auf den richtigen Blickwinkel an.
Teil 31 von Manuel Bogner (9. August 2024)
Der Katzenkrieg
Wer „Zitate zum Thema Schlaf“ googelt, findet irgendwann Folgendes: „Der Schlaf verhält sich nicht wie ein Hund, der kommt, wenn man ihn ruft. Er verhält sich eher wie eine Katze, die kommt, wann immer sie will.“ Vor meinem Fenster kommen die Katzen auch, wann sie wollen – und tragen zu meinem Schlafmangel bei.
Denn jede Nacht kommt es zu einer Schlacht zwischen zwei Helden, die um Stolz und Ehre kämpfen: Zwei Kater, die es sich scheinbar zur Mission gemacht haben, sich jede Nacht auf der Wiese unter meinem Fenster zu bekriegen. Langes Gefauche und wütendes Miauen untermalen das flauschige Gefecht.
Wenn ich durch diese Kriegskulisse vor meinem Fenster wach in meinem Bett liege, frage ich mich, woher der Hass der beiden Tiere rührt: Geht es um eine gemeinsame Geliebte namens Katzerina? Geht es um Territorien und meine Straße ist ein hart umkämpftes Katzen-Grenzgebiet? Oder stehen da vor meinem Fenster zwei ehrenhafte Soldaten, die aus der Liebe zum Kampf in den Ring meiner Wiese steigen?
Ich werde es wohl nie erfahren. Denn jedes Mal, wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich nur wenig: höchstens ein vor Wut glänzendes Katzenauge, in dem sich der Mondschein spiegelt.
Teil 30 von Julia Muck (2. August 2024)
Wer schmilzt schneller?
Ich dachte echt, dass mich nach einem zweieinhalbwöchigen Urlaub in Vietnam bei einer durchschnittlichen Temperatur von 35 Grad Celsius nichts mehr umhauen kann. Doch der Sommer in Bayern schafft es dieses Jahr ohne Frage – und das bei gerade einmal 25 Grad Celsius.
Ich kann nachts nicht schlafen, der Weg zur oder von der Arbeit zurück ist eine heiße Qual, zu Hause in der kochenden Dachgeschosswohnung zu bleiben, auch keine Option. Bis die Flüssigkeit durch meinen Wasserfilter gelaufen ist, ist das Getränk schon wieder warm – und ich immer noch durstig. Zu allem Überfluss ist meine Eiswürfelform verschwunden.
Klar, in Vietnam war die Luft wärmer, der Asphalt heißer und die Luftfeuchtigkeit höher. Aber zumindest habe ich dort in jedem Gebäude eine Klimaanlage gefunden, die meinen Körper wieder auf Betriebstemperatur gekühlt hat. Oder ich konnte mir einen frisch gepressten Wassermelonensaft für umgerechnet einen Euro kaufen – mit Eiswürfeln!
Fange ich in Bayern an zu schwitzen, gibt es kein Zurück mehr. Überall, wo ich hingehe, ist es warm und ich sowie mein T-Shirt nass. Statt den Eiswürfeln in meinem Getränk schmelze ich vor mich hin. Ob ich es bis zum Ende des Sommers noch aushalte? Vielleicht mit einer Klimaanlage.
Teil 29 von Sebastian Geiger (26. Juli 2024)
Schluckauf beim Inder
Neulich hat mich ein Freund zum besten Inder Münchens mitgenommen. Allerdings nicht zu einem fancy Restaurant, wie man jetzt erwarten könnte, die Art von Lokal, in der es zum Vorspeisen-Naan gleich drei separate Dips gibt und die Bedienung pro forma den halben Teller mit Reis füllt. Stattdessen waren wir an einem kleinen Imbiss nahe der Innenstadt. Das Essen war lecker – und scharf genug, dass ich nach dem ersten Bissen Schluckauf bekommen habe.
Denn das hat mein Freund vergessen zu erwähnen. Gut, er hat dann nachher zurecht gesagt, dass für ihn gutes indisches Essen auch eine gewisse Grundschärfe haben muss. Und ich bin da ja an sich auch kein Weichei. Ein beliebtes Hobby von mir ist, so lange den Wasabi-Anteil auf einem Sushi-Häppchen zu erhöhen, bis es kaum noch auszuhalten ist.
Der Inder hat mich trotzdem überrascht. Und das einzige Getränk in meiner Nähe war Sprudelwasser, das Schärfe im Mund sehr gut verteilt, aber nichts dagegen tut.
Als ich wieder einigermaßen atmen konnte, wurde mir aber schnell klar, warum der Imbiss für meinen Freund der beste Inder Münchens war. Hinter der Schärfe versteckte sich ein süß-fruchtiges Aroma, vollgepackt mit Gewürzen, blumigen Noten und hochgradiger Leckerheit. Enthusiastisch nahm ich meinen zweiten Bissen – und bekam wieder Schluckauf.
Ist aber auch egal, denn es ist eine hohe Kunst, Essen gleichzeitig scharf und gut zu machen und nicht das eine für das andere auszutauschen. Oder wie mein erster Chef immer so gerne sagte, wenn sein Bruder beim Thai das grüne Curry extra-, extra-, extra-scharf bestellt hat: „Ich würde gerne noch etwas anderes als Schärfe in meinem Essen schmecken.“ Trotzdem: Lieber T., wenn du das hier liest, beim nächsten Mal sagst du mir bitte vorher, wie scharf das Essen ist. Danke!
Teil 28 von Julia Muck (19. Juli 2024)
Urlaubsfotos erraten
Haben wir wirklich alle mal klein angefangen? Das frage ich mich seit Tagen, wenn ich die WhatsApp-Storys meiner Mutter verfolge. Sie ist zurzeit im Urlaub – Rundreise im Dreiländereck: Schweiz, Deutschland, Österreich, das volle Programm.
Mal ganz davon abgesehen, dass ich neidisch bin und mir auch gerne einen Kaffee für acht Schweizer Franken gegönnt hätte, kann ich nur erahnen, was meine Mutter sich dort eigentlich alles ansieht. Verwackelt sind die Bilder, die sie mir und all ihren Kontakten auf WhatsApp schickt, zum Glück nicht, dafür aber bis zum Anschlag vergrößert.
Die Vögel – ich denke zumindest, dass es Vögel waren – sind plötzlich große und eckige Pixel, um sie herum lässt sich der Himmel nur durch die blaue Farbe erahnen. Ich wünschte wirklich, ich könnte eines ihrer Meisterwerke zeigen, aber es hätte keinen Mehrwert. Denn man erkennt einfach nichts.
Dabei hat die ganze Familie vergangenes Jahr zusammengelegt, um ihr so ein modernes Klapp-Handy zu kaufen mit hochauflösender Kamera samt fünffachem Zoom. Wahrscheinlich war das der erste Fehler. Ihr nicht genauestens zu erklären, wie sie auch wieder aus ihren Fotos rauszoomen kann, womöglich der zweite.
Aber ich will nicht zu sehr lästern. Ich wusste vor zwei Jahren auch nicht, wie ich den Autofokus einer Digitalkamera ausschalte. Wie meine Bilder wohl damals ausgesehen haben müssen … Naja, zumindest konnte man auf ihnen etwas erkennen.
Teil 27 von Florian Wende (12. Juli 2024)
Kalter Kaffee
Ich verrate an dieser Stelle mal ein Geheimnis: Kaffee, dieses herrlich schwarze Gebräu, ist das Lebenselixier aller Redakteure. Habe ich auch nicht geglaubt. Aber schwups, seit Ende der Ausbildung trinke ich meine zwei bis drei Tassen davon täglich.
Ein Problem habe ich aber mit Kaffee. Bei Temperaturen irgendwo zwischen Tropenurlaub und Sauna brauche ich alles, aber kein heiß gekochtes Koffein. Wie schön, dass es auch kalten Kaffee gibt.
Nein, damit meine ich nicht eine alte, schon bekannte Geschichte. Diese, die ich hier tippe, ist brühheiß. Aber mein Kaffee, den ich dabei trinke, zum Glück eiskalt.
Ich hab für diesen sogar extra ein Gerät bestellt. Einen Standmixer. Der zerkleinert Eiswürfel. Und wer zu diesen kalten Espresso und Milch gibt, erhält nach 30 Sekunden in der Wundermaschine einen herrlich geeisten Cappuccino. Und wird womöglich sogar schön. Denn dafür sorgt ja kalter Kaffee bekanntlich auch.
Ein Funfact zum Schluss: Schon gewusst, woher die Redewendung um die Schönheit stammt? Wohl aus dem Barock. Da sahen Adelige aus, als hätten sie in Mehl gebadet: Sie kleisterten sich mit Freude eine dicke Schicht weißen Puders ins Gesicht. Problem: Die Kosmetika waren noch nicht so ausgereift, so konnte heißer Kaffeedampf das Gepinsel schnell zerstören.
Deshalb tranken die Von und Zus in der Öffentlichkeit bald nur noch kalten Kaffee. Wie ich. Wobei ich das natürlich nicht aus diesem Grund tue, denn Anpinseln, das habe ich doch gar nicht nötig. Hoffe ich.
Teil 26 von Kerstin Bauer (5. Juli 2024)
Ungewolltes Grün
Letztens bin ich mit meinem Freund nach einer Wanderung in einem Wirtshaus eingekehrt. Es gab Steak und Bratkartoffeln für ihn, Schnitzel und Pommes für mich. Zu beiden Gerichten kam ein kleiner Teller Salat an den Tisch.
Allerdings nicht zur Freude meines Partners – mit Grünzeug kann er nur bedingt viel anfangen. „Ich mag eigentlich gar keinen Salat“, grummelt er mir leise zu und ignoriert den Teller erstmal.
Als er sich dann sein Steak und die Bratkartoffeln einverleibt hat und der Endgegner Salat als Nächstes dran wäre, blickt er hoffnungsvoll zu meinem Schnitzel rüber, an dem ich gerade noch esse. „Schaffst du das alleine?“, fragt er. „Weil der Salat wird mir jetzt dann gleich richtig schwer im Magen liegen.“ Und somit könne ich dann nicht mehr mit ihm als rettender Aufesser meines Schnitzels rechnen.
Ich muss lachen. Der kleine Teller Salat und nicht das große Steak und die Bratkartoffeln liegen ihm also gleich richtig schwer im Magen.
Ja, ich schaffe mein Schnitzel allein. Unmotiviert fängt er an, seinen Salat zu essen. Irgendwie muss er ja weiter. Und ich lindere sein Leid, indem ich ihm beim Aufessen helfe. Wenn es hart auf hart kommt, muss man halt zusammenhalten.
Teil 25 von Manuel Bogner (28. Juni 2024)
Der Karaoke-Killer
Ich geb’s ja zu: Ich bin ein Autogröler. Ein motorisiertes Gesangstalent. Der Erfinder von „Mein Hyundai sucht den Superstar“. Denn kommt das passende Lied im Radio und sitze ich alleine (oder mit den richtigen Leuten) im Auto, hole ich mein schiefes Goldkehlchen raus.
Kein einziger Ton getroffen, aber dafür mit viel Emotion gesungen – das muss doch auch für irgendwas zählen. Mein ehemaliger Musiklehrer würde beim Zuhören wahrscheinlich Tonfolgen finden, an die zuvor kein Komponist gedacht hat. Ich glaube, das nennt man dann „Avantgarde“.
Es gibt nur ein Problem: die Zensur. Wenn ich zum Beispiel bei „Vampire“ von Olivia Rodrigo mitsingen will, ersetzt die Radioversion das Wort „Famef****r“ durch „Dreamcrusher“. Das hat einfach nicht denselben Kick und ruiniert den besten Moment des Songs. Dass ich dann aus Sturheit gegen Olivia ansingen muss, gefällt mir auch nicht.
Der gemeinste Kandidat ist jedoch „abcdefu“ von Gayle. Wer der englischen Sprache mächtig ist, weiß, wofür die letzten beiden Buchstaben des Titels stehen. Und jeder, der die unzensierte Version kennt, weiß zudem, wie wichtig und zentral diese beiden Worte für den Text des Songs sind. Dann kann man das Lied auch einfach ganz weglassen.
Also damit: Ein herzliches „F*** y**“ an die Zensur!
Teil 24 von Florian Wende (21. Juni 2024)
Kein Sommermärchen
Die EM 2024 wird kein Sommermärchen. Soll sie auch nicht. Und das ist gut so. Kurze Rückblende: WM 2006, die Welt zu Gast in Deutschland. Das Wetter schön, die Biergärten voll, die deutsche Elf überraschend gut. Am Ende Platz drei. Warum also das Ganze nicht wiederholen?
Um das mal klarzustellen: Ich bin kein Pessimist. Ich würde mich freuen, wenn’s für Musiala, Müller und Mittelstädt mindestens bis ins Halbfinale geht. Aber diese Vergleiche mit dem Turnier 2006 nerven. Denn allein die Zeitspanne zeigt: Lange ist’s her. Wer damals während der WM zur Welt kam, feiert in diesen Tagen seinen 18. Geburtstag.
Und dennoch hört man zurzeit überall: „Mei, wenn’s doch so wie 2006 wird.“ Wobei meist gleich folgt: „Aber so toll kann es ja niemals wieder werden!“ Klar, es sind andere Zeiten: Das Land wirkt zurzeit mutlos, miesepetrig und zerrissen.
Deshalb umso deutlicher: Weg mit den hinkenden Vergleichen! Optimistisch nach vorne blicken, statt nostalgisch in verblassenden Erinnerungen schwelgen. Die EM hat es verdient, ihre eigene Geschichte schreiben zu dürfen. Und nicht als Abklatsch von 2006 in die Geschichte einzugehen. Sie soll uns im besten Fall eine Auszeit von den vielen Problemen im Land und der Welt schenken.
Also: Freuen wir uns auf das, was kommt. Mit dem Sieg gegen Ungarn ist das Achtelfinale gebucht. Ab da kann alles passieren.
Teil 23 von Sebastian Geiger (14. Juni 2024)
Hungrige Linsen
Neulich war ich beim Optiker, um mir Kontaktlinsen anpassen zu lassen. Warum? Das ist eine lange Geschichte. Kurzfassung: Eitelkeit. Ich trage also die Linsen, der Optiker testet und alles sieht gut aus. Ich kann mit Kontaktlinsen anscheinend sogar besser sehen als mit Brille – juhuu! Aber wie heißt es so schön: Alles vor dem aber zählt nicht und natürlich kommt ein aber. „Aber ihre Kontaktlinsen sitzen so fest, dass keine Tränenflüssigkeit darunter gelangen kann und sie sich in die Hornhaut fressen könnten.“
Bitte was?!? Vor meinem geistigen Auge blitzen unheimliche Bilder von gierigen, mit scharfen Zähnen bewaffneten Linsen auf, die erbarmungslos in die zarte Hornhaut meiner Augen beißen, auf den herausgerissenen Fetzen herumkauen und mein Auge in ein Festmahl verwandeln!
„Ja, nein“, beruhigt der Optiker. „Für kurze Zeit ist das nicht schlimm, die Kanten der Linse sind nur so scharf, dass sie ins Auge schneiden könnten.“
Bitte was?!? Nicht nur, dass die Linse meine Hornhaut essen will, jetzt erfahre ich auch noch, dass ihre Kanten so rasiermesserscharf sind, dass sie mir ins Auge schneiden können? Bluttriefend sehe ich meine Pupille schon aus ihrer Verankerung herausfallen und mich erblinden!
Ich weiß nicht, wie viel der Optiker von meinem mentalen Panikanfall mitbekommen hat und dem rationalen Teil von mir ist auch klar, dass ich mit meinem Kopfkino maßlos übertreibe. Und, es gibt Hoffnung: Der Optiker bestellt Kontaktlinsen, unter die dann auch die Tränenflüssigkeit gelangen sollte. „Die aktuellen tun wir jetzt am besten heraus“, sagt er. „Kann nur sein, dass sie jetzt festkleben.“
Bitte was?!?
Teil 22 von Isabella Rutherford (7. Juni 2024)
Spinnen in der Schuhschachtel
„Jetzt spinn’ halt nicht so rum!“ Das hab’ ich heute erst wieder gehört. Was ist das überhaupt für ein Wort: spinnen. Seh’ ich aus wie eine Tarantel? Jetzt langt’s, habe ich mir gesagt.
Ständig muss man irgendwie sein in dieser komischen Gesellschaft und sich in eine Schuhschachtel voller Normen und Regeln quetschen: Man springt nicht wild durch die Gegend und gackert. Wenn man lachen muss, muss es immer angemessen laut sein und bei einem Konzert ist das Höchste der Begeisterung ein Wippen mit dem Fuß.
Nein, nein, nein! Ich bin – vermaledeit nochmal – ein Individuum und will so sein, wie ich das bin: spinnert.
Das heißt, ich hüpfe durch die Gegend und gackere lauthals, wenn ich das will. Und ich lache ... da ist das Delfingeräusch von Flipper ein Vogelexkrement dagegen! Und bei einem abgefahrenen Konzert tanz’ ich mir den Hintern ab und singe laut mit, egal, was andere von mir halten. Und ja, ich benutze das Wort „vermaledeit“. Weil ich es cool finde. Punkt.
Ich kann gar nicht mehr an einer Hand abzählen, wie oft über mich gesagt wurde: „Die spinnt doch!“ Stolz, mit meinem imaginären Superman-„S“ auf der Brust, stelle ich mich hin und sage: Ja! Ich spinne!
In einer Schuhschachtel-Gesellschaft, in der man ständig so sein muss wie andere, ist es doch erfrischend, mal anzuecken. Man muss ja nicht immer den Mega-Rebellen markieren, aber eben einfach mal echt sein. Würde schon genügen, um in die dämliche Schuhschachtel Löcher zu hauen. Zum freien Atmen. Vielleicht gucken da dann auch mal andere durch und bekommen mit, wie’s draußen aussieht. Und vielleicht gackert man beim nächsten Mal nicht mehr alleine.
Bis dahin braucht es die Mutigen, die Out-of-the-box-Denker, die Gackerer dieser Gesellschaft. Uns. Die Spinnerten. In diesem Sinne: Spinn’ doch, wie du willst!
Teil 21 von Kerstin Bauer (30. Mai 2024)
Manchmal ist weniger mehr
Als ich klein war, gab es zum Geburtstag Marmorkuchen mit Smarties drauf. Und ich war glücklich. Heute haben Kindergeburtstage andere Dimensionen: Schon Wochen vorher laufen die Vorbereitungen, denn ein teurer Mottokuchen, zum Beispiel in Form eines Piratenschiffs, riesige Luftballongirlanden und mehr müssen organisiert werden. Oft ist das Geburtstagskind noch so jung, dass es den Riesenaufwand eh nicht versteht. Wäre es nicht stressfreier, die Freude wieder mehr in den kleinen Dingen zu finden? Früher war nicht alles besser, aber teils entspannter.
Teil 20 von Manuel Bogner (24. Mai 2024)
Krabbelnde Kräfte
Jeder Superheld braucht eine gute Anfangsgeschichte. Captain America ist ein Supersoldat aus dem Zweiten Weltkrieg, Hulk hat zu viel Gamma-Strahlung abbekommen und Spider-Man wurde bei einem Schulausflug von einer radioaktiven Spinne gebissen. Sowas passiert nicht im echten Leben, dachte ich zumindest. Doch eventuell habe ich letztens meine Chance verpasst.
Ich wollte gerade mein Fahrrad nach Feierabend entsperren, als zwei kleine Buben lauthals grölend aus einem Klamottenladen kamen. Einer der Jungs blieb plötzlich vor mir stehen und schaute mich mit leuchtenden Augen an. „Peter Parker!“, schrie er 200-mal, während ich ihn einfach nur irritiert anstarrte. Dann zog er weiter. Seltsam.
Als ich ein paar Minuten später mein Fahrrad im Keller abstellen wollte, ging mir der Junge nicht aus dem Kopf. Ja, ich arbeite wie Spider-Man/Peter Parker auch bei einer Zeitung. Und wenn man beide Augen ganz fest zukneift, bis man fast nichts mehr sieht, sehe ich vielleicht einem Spinnenmann-Schauspieler ähnlich. Aber trotzdem: Unsinn.
Kurz fühlte ich mich geschmeichelt, dass man mich mit einem attraktiven Superstar wie Tom Holland oder Andrew Garfield verwechseln könnte, doch dann: halber Herzinfarkt. An der Kellerwand saß die fetteste Spinne, die ich je gesehen habe. Dicker Körper, haarige Beine – eine Kreatur, die von allen Göttern verlassen wurde. Vorsichtig schlich ich an ihr vorbei und stürmte, so schnell es ging, aus dem Keller.
Doch fast bereute ich die Entscheidung. Was, wenn das die radioaktive Spinne war, die mir mit einem Biss Superkräfte geben sollte? Ich war kurz davor noch einmal runter in den Keller zu schauen. Doch das grässliche Viech hielt mich davon ab. Wo ist der Geigerzähler, wenn man ihn braucht?
Teil 19 von Sebastian Geiger (17. Mai 2024)
Die Farbe der Saison
Mein Interesse am Thema Mode würde ich als „laienhaft“ verschlagworten: Manchmal ist es ganz schick, sich damit zu befassen, aber was jetzt der Unterschied zwischen einem Kent-Kragen und einem Haifischkragen beim Hemd ist, könnte ich beim besten Willen nicht sagen.
Sprich, spätestens wenn es um die Farben der Saison geht, lächle ich, nicke und frage mich insgeheim, woher die Kollegen von der Moderedaktion die Insiderinfos haben.
Wer kommt auf die Idee, Hemden in Limettengrün zu färben? Sind die Farbstoffe in der neongelben Badehose genauso giftig, wie es den Anschein hat? Und warum ist der Unterschied zwischen Pink, Rosé und Lachsfarben deutlich genug, dass man sich neue Klamotten kaufen muss, aber doch so undeutlich, dass er auf Fotos nie auffällt?
Aktuell habe ich aber auch etwas zu dem Thema zu sagen. Meine Farbe der Saison ist nämlich Minzgrün! Das hat mit einem lieben Leser der Freistunde zu tun, der auf die schönste Weise auf meine vergangene Kolumne reagiert hat, wie es nur möglich ist. Darin habe ich mich ja über meine Radprobleme beklagt – und er hat mir aus der Patsche geholfen. Sein altes – und mein neues – Rad hat 21 Gänge, ist supergut in Schuss, flitzt wie eine Eins und … es ist minzgrün!
Da fühlt sich das Fahren durch die Straßen so frisch an wie eine Meeresbrise, die direkt ins Gesicht weht, und die neidischen Blicke der Autofahrer und Fußgänger sind mir sicher. Keine Ahnung, was Glamour, Vogue und Co dazu sagen, aber für mich ist das eindeutig die Farbe der Saison.
Teil 18 von Florian Wende (3. Mai 2024)
Die neuen alten
Die weißen Kanten: eher grau-schwarz. Die Sohle: durchgelatscht. Die schwarzen Seiten: fleckig und speckig. Zugegeben, meine Vans waren in keinem guten Zustand. Aber: Es sind Vans. Und die müssen genau diesen abgerockten Look haben, um echte Vans zu sein. Sehe ich zumindest so.
Als nun aber vorne am Übergang von der Sohle zum Stoff ein kleines Loch mit jedem An- und Ausziehen immer größer wurde, war klar: Das war’s. Vans over. Neue alte müssen her. Neue Old Skool.
Das Modell ist das bekannteste der Marke – und noch dazu das erste. Old Skools sind fast unzerstörbar und sehen umso besser aus, je mehr Kilometer sie auf der Sohle haben.
Mein Schuhtacho steht nun aber wieder bei null. Grellweiß blenden mich die weißen Kanten meiner neuen Vans. Das Schnüren hat doppelt so lange gedauert, weil die Schuhe meinen Fuß noch nicht kennen. Und die Fersen drücken nach kurzer Zeit, weil der Stoff der neuen so unflexibel ist. Ob meine alten nicht doch zu retten sind?
Teil 17 von Isabella Pirkl (26. April 2024)
Bescheidene Aussichten
Morgens. Mein Wecker klingelt mit einem Gedröhne, dass es mich aus dem Bett hebt. Ich will das Gebimmel ausschalten. Geht nicht. Mein Handy hat einen Hänger – nicht nur selbst, sondern es hängt auch am Ladekabel. Mittlerweile hat mein Handy von „Klingeling“ auf „Tututuuuuut“ umgestellt und schreit mich an, ich solle endlich diese dämliche Taste drücken.
Dann fällt mir erst auf, dass hier was komisch riecht. Mein Handy fühlt sich heiß an. Und irgendwie ... fett. Durch meine morgendliche Hirnvernebelung blicke ich auf das Gerät. Es sieht gar nicht mehr aus wie ein Smartphone. Eher wie eine kleine, aber stetig wachsende Kugel.
Sch...e. Der Akku hat sich aufgebläht und will irgendwie nicht damit aufhören. Das „Tututuuuuut“ wechselt in ein hohes Fiepen mit mindestens genauso grässlichen Nebentönen.
Dem nächtlichen Frieden weicht Panik. Mehr mechanisch als logisch-denkend renne ich in die Küche, breche das kleine Schiebefenster am Handy auf, ziehe es samt SIM-Karte raus. Ins Wohnzimmer, Balkontür auf. Das Smartphone zerbirst mit einem Knall mitten im Hof. Was für ein Tag. Die SIM-Karte wandert in ein altes Handy.
Mittagspause. Mein Chef kommt von der seinen wieder und blickt auf sein Wetterradar am Handy: „Gleich geht‘s los.“ Ich blicke durch das Fenster in den Himmel. Es ist Nachmittag – und fast dunkel draußen. Na toll. Meine Jacke vom Stuhl reißend, verabschiede ich mich mit den Worten „Vielleicht schaffe ich es noch, bevor es richtig loslegt“ in die Pause.
Ich habe es nicht geschafft. Der Kaffeestand ist nur etwa 30 Meter entfernt, dennoch hat der Regen es geschafft, mich bis auf die Unterwäsche zu durchnässen. Triefend und mit einem Blick, der mindestens so dunkel wie der Himmel ist, stehe ich später wieder im Büro.
Nach der Arbeit zuhause: nasse Klamotten aus, Decke an, Bett. Mein altes neues Handy lädt. Aus Sicherheitsgründen in einer Metallkiste. Draußen, auf dem Fensterbrett. Mit meinem Glück regnet es.
Teil 16 von Manuel Bogner (19. April 2024)
Massenmenschhaltung
Zwölf Stunden Fahrt, sechs Sitzplätze, eine enge Kabine: Das haben meine Freunde und ich uns letztens im Nachtzug auf dem Weg nach Amsterdam angetan. Das Fenster klemmte, die Toiletten waren geflutet (hoffentlich nur mit Wasser) und wir hatten auch noch zwei Stunden Verspätung (die bucht man ja bei der Bahn automatisch mit).
Das größte Problem war jedoch der Kumpel, der mir gegenüber saß und im Schlaf vom Geist eines alten Karatemeisters besessen wurde. Als wäre meine Kniescheibe plötzlich eine Zielscheibe, trat er gegen mich. Ich frage mich bis heute, ob er im Schlaf „Street Fighter“ spielte und immer nur die gleiche Attacke nutzte. Aua.
Teil 15 von Sebastian Geiger (12. April 2024)
Radlos ratlos
„Ne, da können wir nix mehr machen“, sagt der gelangweilt wirkende Fahrradhändler und betrachtet mitleidig mein Rad, das mir gute Dienste geleistet hat. Zumindest, als ich es das letzte Mal gefahren bin, so vor zwei, nein, drei – ach, irgendwann so um die Pandemie herum.
Und da ich jetzt gerade Zeit und Lust auf Radfahren hatte, dachte ich mir: „Bring deinen Drahtesel doch mal zum Aufhübschen, dann kannst du ihn auch wieder fahren. So teuer wird das schon nicht.“ Wurde es auch nicht, weil der Rahmen verzogen war. Rad reif für den Schrottplatz, ich zum Radhändler: „Können Sie es entsorgen?“ Noch mitleidigerer Blick.
Sprich, ich bin gerade radlos, was sich auf jeden Fall ändern muss. Nur – wann genau sind Räder so teuer geworden? Liebe Zweiradwirtschaft, ich möchte mit dem Radl fahren. Das geht auch ohne Rückspiegel, Servolenkung und Bluetooth-Anschluss. Einen intakten Rahmen sollte es haben, das wäre nett ...
Teil 14 von Kerstin Bauer (5. April 2024)
Om ...
Kennst du auch dieses unangenehme, aggressiv machende Gefühl, das von der Magengegend hochsteigt, wenn zum Beispiel Fußgänger viel zu langsam vor einem gehen und man nicht überholen kann? Oder wenn im Dorf jemand mit 35 Stundenkilometern vor einem fährt? Oder wenn die Schlange an der Supermarktkasse lang ist und die Kassiererin echt gemütlich arbeitet?
Das Gefühl von Ungeduld kennt wohl jeder. Die Psychologie sagt darüber: Wir fühlen uns in solchen Momenten von jemand anderem abhängig, der gerade scheinbar unser Weiterkommen behindert. Denn für Ungeduldige ist jede tatenlose Minute nur schwer zu ertragen. Was hilft? Tief durchatmen, die Situation akzeptieren und versuchen, den selbst gemachten Stress loslassen. Denn Stress ist ungesund.
Ich werde das später in der Supermarkt-Schlange gleich mal üben … Om!
Teil 13 von Florian Wende (28. März 2024)
Die unendliche Postkarte
Die Wege der Post sind unergründlich. Wer schon einmal ewig auf einen Brief oder ein Paket gewartet hat, kann das bestätigen. Wobei „ewig“ ein dehnbarer Begriff ist. Mein „ewig“ sind 186 Tage.
Von vorne: Auf Reisen schreibe ich gerne eine Postkarte an die Eltern daheim. Das hat Tradition und es ist oft spannend, zu sehen, wer eher daheim ist: die Karte oder ich. Doch selten war der Unterschied so groß wie dieses Mal, nämlich ein halbes Jahr. Mein Urlaubsziel: Namibia.
Klar, es ist ein weiter Weg vom Süden Afrikas in die Heimat, Luftlinie rund 8.000 Kilometer. Aber so weit ist die Strecke nun auch nicht, dass die Post vom Aufgabedatum, dem 22. September 2023, bis zu diesem Dienstag, dem 26. März 2024, braucht, bis die Karte im niederbayerischen Postkasten landet. Nämlich ganze 186 Tage.
Zum Vergleich: Laut Google Maps schafft man die Strecke von Namibia nach Deutschland zu Fuß in der Hälfte der Zeit – allerdings ohne Pause.
Teil 12 von Isabella Pirkl (22. März 2024)
Das spielt sehr wohl eine Rolle
Es gibt zwei Arten von Menschen: die einen, die man nie wertschätzt für das, was sie tun. Und die anderen, die einem morgens am Klo schon den Tag versauen.
Nichtsahnend und guter Dinge gehe ich in den Vorraum, öffne die Kabinentür, schließe sie hinter mir ab, Hose runter, ich setze mich auf die Schüssel – und da sehe ich es: Die Rolle hängt verkehrt rum.
Sie zeigt zur Wand, unverfroren, hält einem quasi den blanken Hintern ins Gesicht. Ich meine: Was soll denn das? Ein Streich von Bart Simpson hat mehr Niveau als das.
Das ist ja auch eine Frage der Hygiene: Wenn der Papieranriss Richtung Wand zeigt und man sich einige Blättchen stibitzen und an seine intimen Privatgemächer des Körpers führen möchte, um diese dementsprechend sauber zu halten …, dann schleift jeder dazu nutzbare Streifen erst einmal an dem faserigen, unförmig verputzten Gemäuer mit den seltsamen dunklen Flecken entlang, von denen seit Bau des gesamten Gebäudes niemand weiß, woher sie stammen.
Meine Mutter hat immer gesagt: Mit einem Lappen, mit dem man das Klo geputzt hat, wischt man ja auch nicht das Geschirr. Recht hat sie.
Mein Dank geht an sie und an alle, die wissen, eine Klopapierrolle richtig aufzuhängen. Ihr werdet weitaus nicht genug wertgeschätzt. Denn ihr seid diejenigen, die anderen den Tag retten.
Teil 11 von Manuel Bogner (15. März 2024)
Watashi o tasukete kudasai
(Bitte helfen Sie mir)
Jede Nacht, wenn ich eine Eule vor meinem Fenster höre, zucke ich zusammen und fange an zu schwitzen. Ich habe Strigiformophobie entwickelt – die Angst vor Eulen und ähnlichem Federviech. Und schuld ist eine kleine, harmlose App auf meinem Handy.
Alles begann Anfang des Jahres mit meiner Liste an guten Vorsätzen. Darunter ein Punkt, der mich seit Jahren verfolgt: Japanisch lernen. Keine Ahnung, wieso mein zehnjähriges Ich sich mal darauf eingeschossen hat. Verflucht sei es. Aber was muss, das muss.
Also holte ich mir brav die Sprachlernapp „Uhulingo“ (Name von der Redaktion geändert, um Schleichwerbung zu vermeiden). Und fing an, halbwegs fleißig das japanische Alphabet durchzugehen.
Seitdem verfolgen mich jedoch Panikattacken: Auf meinem Handybildschirm thront in einem Fenster das grüne Maskottchen der App. Drohend starrt die Eule mich aus dem Widget an, bittet und bettelt um Aufmerksamkeit. Alles, damit ich nicht vergesse, zu üben.
Am Morgen ein nettes und einladendes Lächeln. Mittags ein flehender oder skeptischer Blick von der Seite. Und sollte ich abends noch nicht geübt haben, erschrecken mich rote, wütende Augen. Mich würde es nicht wundern, sollte mir die Motivationseule bald eine Pistole an den Kopf halten, damit ich die nächste Übungs-Session nicht vergesse.
Sonderlich weit bin ich noch nicht mit meinem Japanisch-Kurs. Aber ein Wort habe ich gelernt: Shi no Kyōfu. Todesangst.
Teil 10 von Kerstin Bauer (8. März 2024)
Kulinarische Vergessenheiten
Gibt es bei dir auch ein Gericht oder Getränk, das du früher geliebt hast, aber dir irgendwie schon ewig nicht mehr gemacht hast? Einfach, weil du es über die Jahre total vergessen hast?
Letztens hat mir meine Cousine selbst gemachte Bananenmilch angeboten. Seitdem bin ich wieder Fan und Bananen liegen stets einsatzbereit bei mir daheim. Wie lecker schmeckt bitte die schaumig gemixte Milch zusammen mit reifen, süßen Bananen?!
Und da fällt mir gleich noch was ein: Sandwich-Toasts! Hatte früher nicht fast jeder einen Sandwichmaker zuhause? Gefühlt haben wir uns einmal pro Woche die knusprigen Toasts mit Schinken und geschmolzenem Käse gemacht. Und dann noch schön in Ketchup getaucht. Mmmh!
Fällt dir vielleicht auch etwas ein, das man wieder öfters machen könnte? Dann schreib uns gern eine Mail an kontakt@freistunde.de
Teil 9 von Isabella Pirkl (1. März 2024)
Haarige Ungelegenheit
Da stand ich und hatte ein Gespräch mit meinem Chef. Konzentrieren konnte ich mich nicht, es hat so verdammt gejuckt. Da saß es, fröhlich kitzelnd zwischen dem Gummi meines Bustiers und der Haut genau zwischen meinen Brüsten: ein Haar.
Über Gott und die Welt spricht man: ob Ersterer überhaupt existiert, wer bei „Germany’s Next Topmodel“ rausfliegt, wem Pizza mit Senf schmeckt, wie eigentlich dieser blöde Kaffeeautomat funktioniert ... aber nicht über die eigenen Haare. Zumindest nicht, wenn sie nicht da sind, wo sie hingehören.
Das kann doch nicht nur mein Problem sein! Letztens saß ich auf der Toilette und hab’ mir schon Gedanken gemacht, ob sich eine Ameise in meine Unterhose verlaufen hat. Tatsächlich war es ein knapp 25 Zentimeter langes Kopfhaar, das sich entschlossen hat, mir möglichst peinlich auf den Geist zu gehen. Ja, das ist schon irgendwie eklig. Aber es passiert halt.
Reden will darüber immer keiner. Nein, man steht lieber eine halbe Stunde total verkrampft in der Gegend herum und versucht, mit ständigem Nicken dem Chef sein Verständnis auszudrücken. Auch wenn man sich in Gedanken bereits unter das Oberteil oder in die Hose greift, um sich eeendlich kratzen zu können und das Haar rauszufischen.
An alle Langhaarigen dieser Welt: Steht zu eurer Mähne! Wie schön wäre es gewesen, hätte ich das Gespräch mit meinem Chef unterbrechen können: „Sorry, ich muss echt dringend mal auf die Toilette und mein verlorenes Kopfhaar wieder einfangen!“
Dann wüsste ich vielleicht noch, was er gesagt hat, worüber ich hier eigentlich schreiben soll ...
Teil 8 von Florian Wende (23. Februar 2024)
Wo sind die Krapfen hin?
Fastenzeit. Die einen vermeiden Süßes, die anderen Alkohol. Manche wechseln ihren Vorsatz sogar täglich. Und ich, ich denke an Krapfen. Die faste ich nämlich. Allerdings nicht freiwillig.
Ich bin alles, aber kein Faschingsfan. Was ich an der Zeit jedoch schätze, sind die Unmengen an ausgefallenen Krapfen, die die Bäckereien da im Angebot haben. Denn Marmelade ist an Fasching nur die Standardausführung. Manche Krapfen sind mit Vanillepudding gefüllt, andere mit Eierlikör, einige tragen Schokocreme in sich, etliche Amarena-Soße. Muss ich noch mehr schreiben? Ja, denn wir haben noch nicht übers Topping gesprochen! Überzogen mit Zuckerguss, bestreut mit Kokosflocken, eingetaucht in Schokolade ... okay, auch mir knurrt nun der Magen.
Fastenzeit hin, Krapfen her: Es ist doch wirklich tragisch, dass mit dem Aschermittwoch plötzlich alle Krapfen verschwunden sind. Soll doch jeder fasten, was er möchte. Aber lasst mir bitte die Krapfen in den Bäckereien!
Teil 7 von Elisabeth Brebeck (16. Februar 2024)
Koffer-Qualen
„Ab in den Urlaub, komm, pack’ die Sachen ein“ , heißt es im Refrain des Liedes von Höhner. Für Urlaub bin ich immer zu haben. Beim Packen sieht es da aber leider ganz anders aus. Dabei ist meine Mama der perfekte Urlaubscountdown: „In zwei Tagen sind wir um diese Zeit schon am Flughafen“ oder „In 24 Stunden sind wir schon im Hotel“ begleiten mich die Tage vor der Reise.
Trotz der unermüdlichen Motivation meiner kleinen Schwester und dem Stress, den mir meine Mama macht, kann ich mich beim besten Willen nicht dazu aufraffen, meinen Koffer zu packen. Dabei war ich als Kind die Erste, die viel zu früh eine Packliste erstellt hat. Meine Mama musste mich sogar stoppen, weil ich natürlich einige Dinge noch in der Woche vor der Abfahrt brauchte. Jetzt ist der Gedanke für mich fast unvorstellbar, schon eine Woche vor dem Urlaub nur an das Kofferpacken zu denken, obwohl ich es wirklich versuche.
Ich habe mir sogar angewöhnt, schon zwei Tage vor einer Reise den Koffer leer auf meinem Zimmerboden als kleinen Reminder aufzuklappen. Das führt dann zwar dazu, dass ich mehr als einmal am Tag wortwörtlich darüber stolpere, zum Packen motiviert mich das aber noch lange nicht.
Das Ende des Lieds heißt deshalb noch immer: „Komm pack’ die Sachen ein“. Irgendwann muss ich ja den Koffer packen. Allerdings habe ich mir angewöhnt, dass das „irgendwann“ am Morgen kurz vor Abfahrt ist. Da geht der Erholungsurlaub manchmal recht hektisch los. Könnte man sich den Stress in der Früh sparen? Sicher. Sieht es deshalb nächstes Mal anders aus? Wahrscheinlich nicht ...
Teil 6 von Manuel Bogner (9. Februar 2024)
Die Liebe kostet einen Euro
Letztens stand ich in unserem Pausenraum vor dem Getränkeautomaten und wurde nachdenklich. Ein seltsamer Artikel, den ich an diesem Morgen gelesen hatte, ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Das Thema? Menschen, die Gegenstände geheiratet haben.
Ja, die gibt es. Ein berühmtes Beispiel ist die Frau, die seit 1979 mit der Berliner Mauer verheiratet ist. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung bezeichnet sie ihren Ehemann als die „erotischste und sexieste Mauer, die es je gab“ – was auch immer das heißen soll. Eine Liebesgeschichte wie bei „Titanic“, mit dem Mauerfall als tragischen Höhepunkt.
Weiteres Beispiel: Die Amerikanerin, die den Eiffelturm geheiratet hat. Da hat wohl jemand „Stadt der Liebe“ zu ernst genommen. Auf Dating-Plattformen wird ja auch oft zuerst nach der Körpergröße gefragt. Wenn aber der Eiffelturm der Schönheitsstandard ist – wer kann da mithalten?
Plötzlich hatte auch der Getränkeautomat eine andere Wirkung auf mich. Vertraut, wie ein jahrelanger Partner, der mit einer kühlen Cola an stressigen Arbeitstagen entspannt. Es sind eben die inneren Werte, die zählen. Vielleicht sollte ich ihn am Valentinstag nach einem Date fragen? Ich wäre an dem Mittwoch sowieso im Büro …
Teil 5 von Florian Wende (2. Februar 2024)
Der frühe Vogel fährt Ski
Ich bin ein Morgenmuffel. Früh aufstehen? Nicht mit mir. Die Arbeit als Journalist kommt mir da entgegen. Hier ist die entscheidende Zeit meist der Nachmittag und Abend. In diesen Stunden blühe ich auf. Allerdings liebe ich Skifahren. Und da werde sogar ich zum Frühaufsteher.
Denn mal ehrlich: Gibt es ein schöneres Geräusch als das, wenn sich die Kanten der Ski in den frisch präparierten Schnee eingraben. Dieses chrrrrrr, chrrrr, chrrrrr. Könnte man geschrieben jetzt auch als Schnarchen interpretieren. Ziehe ich aber dem echten Schnarchen definitiv vor. So schön das Ausschlafen an Skitagen auch wäre: Lieber ziehe ich die ersten Schwünge des Tages.
Denn zu diesem Geräusch kommen die traumhaften Bedingungen, die es gleich nach Liftstart gibt. Griffige Piste, noch wenige andere Skifahrer und durch die klare, kalte Luft meist eine super Aussicht.
Könnte ich mit den Ski meinen Arbeitsweg bestreiten: Ich glaube, ich würde dauerhaft zum Frühaufsteher werden.
Teil 4 von Selina Wolf (26. Januar 2024)
Angst vor dem Fußbus
Einen schlechten Beifahrer zu haben, ist schlimm. Selbst einer zu sein, ist die Hölle. Ständig muss ich mehr auf den Verkehr achten als der Fahrer und meine Stimme wird kratzig vom „AAACHTUNG“ schreien. Ich glaube, ich sollte mir Lutschbonbons ins Auto legen.
Zudem komme ich an dem gewünschten Zielort nicht nur komplett zerrupft und schwitzend an, sondern muss mich mit einem genervten Fahrer herumschlagen. Der droht alle fünf Minuten damit, mich an Ort und Stelle rauszuschmeißen. Auch die Rückfahrten sind nicht garantiert. Argumente wie „Das sind aber über zehn Kilometer“ werden einfach nur mit dem Kommentar „Der Fußbus fährt immer“ entkräftet. Allerdings ist mein Orientierungssinn schwächer ausgeprägt als die Nase von Lord Voldemort.
Denn Himmelsrichtungen sind überbewertet. Google Maps und ich dafür beste Freunde, selbst auf dem Weg zum Zahnarzt. Zum Glück sehen das auch die wütenden Fahrer ein und ich darf mit der Drohung „Noch ein Kommentar zu meinem Fahrstil und du gehst zu Fuß“ wieder mitfahren.
Die Rückfahrten sind deshalb von Stille geprägt. Allerdings ist mir das viel lieber, als mich ständig mit Blick auf Google Maps durch den Straßendschungel schlagen zu müssen. Vielleicht sollte ich, um solche Situationen künftig zu vermeiden, mir einfach mal den Mund mit Klebeband zupappen, wenn ich wieder auf der Beifahrerseite einsteige.
Teil 3 von Kerstin Bauer (19. Januar 2024)
Verfressener Wauki
Unsere Hündin hat eine große Leidenschaft: betteln. Wird gekocht, behält sie die Lage aus kurzer Distanz genau im Blick. Wird gegessen, steht sie unter dem Tisch bereit, um Heruntergefallenes sofort wie ein Staubsauger aufzusaugen. Kürzlich freute sie sich so zum Beispiel über ein kleines Festmahl, zwei kleine Würstl-Zipfel, die meiner Gabel entglitten.
Meine Eltern finden das Betteln manchmal ziemlich nervig. Aber ganz ehrlich: Ich wäre als Hund wahrscheinlich auch nicht anders. Denn Essen macht einfach glücklich. Und wenn es einfach so vom Himmel/Teller fällt, umso mehr.
Teil 2 von Manuel Bogner (12. Januar 2024)
Das Internet ist Altland
Journalisten sind Totengräber: Denn in so mancher Recherche stoßen wir auf Webseiten, die teils älter sind als wir selbst, und wohl seit Ewigkeiten von niemandem besucht wurden. Seitdem habe ich mit ein paar anderen Kollegen einen Wettbewerb gestartet, wer die hässlichste und älteste Website finden kann.
Hier ein paar Favoriten:
- Die Website einer Achterbahn, die so bunt und überladen ist, dass eine Epilepsie-Warnung angebracht wäre.
- Knallgelbe Konzertblogs, die unabhängig voneinander erstellt wurden, aber genau denselben erblindenden Gelbton verwenden.
- Den Blog eines durchgedrehten Querdenkers mit Tausenden Seiten hirnlosen Geschwurbels. Die Website besteht zu 90 Prozent aus unformatiertem Text und Hyperlinks, die ins Nichts führen.
- Eine Website aus den Geburtszeiten des Internets, auf der die Geschichte des Erfinders des Strandkorbs erzählt wird.
- Und last, but not least: die Website eines Verlags. Weißer Text auf schwarzem Hintergrund. Zwischen den Zeilen sind einzelne Pixel, die wohl Sterne darstellen sollen. In den Ecken sind große GIFs von sich drehenden Weltkugeln, die den Besucher beim Runterscrollen verfolgen und – wie sollte es auch sonst sein – immer wieder wichtigen Text blockieren.
Einst hieß es: Das Internet ist Neuland. Ich finde, dass das Ding dann doch schon ziemlich alt ist. Wie viele Schätze an grauenhaftem Web-Design wohl noch in den Tiefen des WWWs liegen?
Teil 1 von Florian Wende (4. Januar 2024)
Bis einer schmunzelt
Mit Humor ist es ja so eine Sache. Jeder lacht zwar gerne – chronische Miesepeter mal ausgenommen –, aber jeder über etwas anderes. Wo der eine den eigenen Witz kaum zu Ende erzählen kann, weil er selbst schon losprustet, zuckt beim anderen der Mundwinkel gerade mal einen Mikrometer nach oben. Ungefähr so, wie wenn der schrullige Onkel an den Feiertagen wieder seine Geschichten von früher erzählt hat. Aber das ist ein anderes Thema.
Humor. Das wird ein Thema dieser neuen Rubrik sein, die wir Freischnauze getauft haben. Getreu dem Motto: frei der Schnauze nach. Wobei weiter Zweibeiner diese Zeilen hier tippen, weder Vier- noch Nullbeiner ... Notiz an mich selbst: Bitte mal googeln, ob eine KI wirklich keine Beine hat.
Bei Humor wird es aber nicht bleiben. Es wird bei Freischnauze um Dinge aus dem Leben gehen, die viele kennen, manche vielleicht bald erleben werden und anderen neue Erkenntnisse vermittelt. Das können Anekdoten aus dem Alltag, Fundstücke aus der Freistunde, Geschichten mit Gefühl oder Texte voller Thesen sein.
Alles sorgfältig, ansprechend und persönlich geschrieben. Dazu jede Woche anders und neu. Denn es lacht nicht nur jeder anders, jeder nimmt auch Texte anders wahr. Wir wollen übertreiben, wir wollen kritisieren, wir wollen unterhalten und wir wollen berühren. Nicht, bis einer heult. Sondern im besten Fall bis einer schmunzelt. Mehr als ein Mikrometer. Schauen wir mal, wie lange das dauert.
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