Musik-Tipp
The Weeknd stirbt auf neuem Album „Hurry Up Tomorrow“ ein letztes Mal

Chris Pizzello/dpa
The Weeknd beendet seine neuste Trilogie an Alben und wechselt wahrscheinlich zu einem anderen Künstlernamen.
Darum geht’s: The Weeknd hat die vergangenen fünf Jahre damit verbracht, langsam zu sterben. Schon länger betont der Künstler, der bürgerlich Abel Tesfaye heißt, Musik unter seinem echten Namen veröffentlichen zu wollen. Dafür startete er 2020 eine Trilogie: Das erste Album „After Hours“ endete mit The Weeknd, wie er am Drogenexzess von Las Vegas zugrunde geht – Songs wie „Blinding Lights“ und „Save Your Tears“ wurden zu gewaltigen Hits. Es folgte „Dawn FM“: Hier befindet sich der Charakter aufgrund von Herzschmerz im Fegefeuer.
Das neue Album „Hurry Up Tomorrow“ tötet The Weeknd nun ein drittes Mal: Das Album ist inspiriert von einer Blamage, die Abel Tesfaye wie ein Rachegeist zu jagen scheint. Denn als er bei einem Konzert seine Stimme verlor und Tausenden Fans im Stadium absagen musste, starb das Pseudonym final. „Hurry Up Tomorrow“ verarbeitet diesen Moment und bringt dadurch das Ende von The Weeknd und die Geburt des Künstlers Abel Tesfaye herbei.
Die Musik: Das klingt nach einem komplizierten Konzept für ein Pop-Album: Die Lieder finden erzählerisch im Himmel, auf der Bühne oder in leeren Hotelzimmern statt. Deshalb braucht es auch 22 Lieder und fast 90 Minuten Laufzeit, bis sich Abel Tesfaye endlich erfolgreich von seinem Alter-Ego getrennt hat. Doch zum Glück klingt „Hurry Up Tomorrow“ nicht so verkopft wie das Konzept, dass sich zwischen den Zeilen versteckt.
Stattdessen lassen sich die Lieder in zwei Stile aufgliedern: Einerseits gibt es wieder die klassischen The-Weeknd-Hits mit glänzenden Synthesizern und Ohrwurm-Melodien. „Open Hearts“, „Take Me Back To LA“ und „Wake Me Up“ klingen wie für das Radio gemacht. Letzteres überzeugt vor allem durch die makellose Produktion des französischen Duos Justice, die ihre aggressiven Beats The Weeknds seidenweicher Stimme entgegenstellen.
Doch wirklich spannend wird „Hurry Up Tomorrow“, wenn es experimentiert: So siedelt sich die Single „São Paulo“ im Genre Brazilian Phonk an, das für schnelles Schlagzeug und einen epischen Klang bekannt ist, der vor allem zu verschwitzen Tanznächten in Latin-Clubs passt. Bei „Timeless“ rappt The Weeknd zusammen mit Playboi Carti über einen minimalistischen Beat über all seine Erfolge. Und „Give Me Mercy“ ist ein sommerliches Neo-Soul-Lied, dass die düsteren Momente über Drogensucht, Lampenfieber und Todesangst ausgleicht.
Zuletzt ist noch „Red Terror“ hervorzuheben: In dem Song geht es um Abel Tesfayes Kindheit und seine Wiedergeburt als Künstler unter seinem echten Namen – doch der ungewöhnliche Beat funktioniert am besten, wenn er das von Horrorfilmen inspirierte Musikvideo untermalt, das zu dem Song veröffentlicht wurde.
Das Besondere: Zu dem Album wird dieses Jahr ein Kinofilm erscheinen. Jenna Ortega und Barry Keoghan spielen mit Abel Tesfaye die Hauptrollen.
Fazit: „Hurry Up Tomorrow“ begeistert auf allen Ebenen. Dank Produzenten wie Mike Dean und Max Martin gibt es grandiose Pop-Songs, aber auch viele experimentelle Momente, in denen sich The Weeknd aus seiner Synth-Pop-Blase traut. Und auch die Features überzeugen: Von den Rappern Travis Scott und Future bis hin zu den Sängerinnen Lana Del Rey und Florence + The Machine sind auch wieder viele Gäste von vergangenen Alben zurück, um sich von der Kunstfigur The Weeknd zu verabschieden.
„Hurry Up Tomorrow“ von The Weeknd, Republic Records, auf allen Streaming-Plattformen, als CD und Vinyl erhältlich.