Straubinger Theresiencenter

Schüler im Gangster-Look: Erst Polizei-Einsatz, dann Tiktok-Fame


Die Polizei hat das Theresiencenter in Straubing abgeriegelt.

Mehr als 80 Polizisten aus ganz Niederbayern waren am Montag am Straubinger Theresiencenter im Einsatz.

Augenzeugen sehen am Montagmorgen am Straubinger Theresiencenter einen jungen Mann mit schwarzem Anzug, ein Gewehr auf dem Rücken. Er passiert einen schockierten Bauarbeiter am Eingang, wenig später schreit eine Frau in der Tiefgarage.

Die Polizei umstellt das Einkaufscenter, Gäste des Fitnessstudios im ersten Stock werden unter Gewehrschutz aus dem Gebäude geführt. Center-Security drängt einzelne Gäste in den Fahrstuhl, wo sie sich einschließen.

"Man denkt natürlich an München"

Polizei-Sprecher Günther Tomaschko sagt: "Man denkt natürlich an München" und meint das Attentat 2016 im Olympia-Einkaufszentrum.

Zwei Stunden später ist klar: Es war ein Schüler einer weiterführenden Schule, der für den Schul-Mottotag "Mafia" ein sehr überzeugendes Outfit gewählt hatte. Mittlerweile geht ein Video von ihm auf Tiktok viral.

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Die Polizei hat das Theresiencenter in Straubing abgeriegelt.

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Die Polizei hat das Theresiencenter in Straubing abgeriegelt.

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Die Polizei hat am Montag das Theresiencenter in Straubing abgeriegelt.

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Eine Klasse der weiterführenden Schule verfolgt den Einsatz per Beamer.

Eine Durchsage in der Schule fordert den Schüler mit schwarzem Anzug und Gewehr auf, sofort ins Sekretariat zu kommen, wie ein Schüler unserer Mediengruppe erzählt. In einer Klasse wird ein Video-Interview von idowa mit dem Polizeiinspektionsleiter per Beamer gezeigt.

Augenzeuge über Vorfall im Theresiencenter

Ein Augenzeuge berichtet über den Vorfall am Montag im Theresiencenter in Straubing.

Christoph Urban

Vor dem Theresien-Center sammeln sich Schaulustige, im Gebäude suchen schwer bewaffnete Polizisten nach dem Verdächtigen.

Lukas Hoffmann von der Baufirma Prölss lädt gerade mit dem Kran Stahlträger auf dem Bürgersteig ab, als er den jungen Mann hineingehen sieht. Er habe den jungen Mann nicht von vorne gesehen, nur die Waffe auf dem Rücken. "Ich habe Angst gehabt", erzählt Hoffmann, "die ersten paar Sekunden wusste ich nicht, wie ich reagieren soll."

Er und der Center-Hausmeister rufen die Polizei. Wenig später weist eine Durchsage im Center alle Gäste darauf hin, dass sie das Center verlassen sollen.

Ein Video einer anderen Augenzeugin zeigt, wie Menschen aus dem Fitnessstudio im Center von einem Mann in zivil mit Rucksack und Gewehr hinausgeführt werden.

Gegen 10.10 Uhr macht die Nachricht die Runde, dass das Outfit des Mannes mit dem Mottotag "Mafia" einer Klasse einer weiterführenden Schule zusammenhängen könnte.

Polizeisprecher zu Großeinsatz in Straubing

Polizeisprecher Günther Tomaschko im Interview zum Großeinsatz am Theresiencenter in Straubing.

Christoph Urban

Um 10.40 Uhr erklärt die Polizei den Einsatz für beendet, Beamte verlassen das Gebäude, packen zusammen.

Laut Polizei-Sprecher Tomaschko war der Schüler vorerst in Polizeigewahrsam. Er sei einige hundert Meter weiter, Am Platzl, aufgegriffen worden. Offenbar hat er von den Durchsagen im Center nichts mitbekommen.

Die Spielzeugwaffe sei ein Gewehr aus Holz gewesen.

Gegen 12 Uhr, sagte Schulleiterin Sonja Padberg, konnte der Schüler wieder an die Schule. Die Polizei sucht das Gespräch mit Schulleitung und Schülermitverantwortung (SMV). Der Mottotag sei der Polizei nicht bekannt gewesen, sagte Tomaschko.

Tiktoks mit "Sound of da Police"

Das Straubinger Internet nimmt den Vorfall mit Humor. Die Instagram-Seite fos_memes_straubing verbreitet Memes zum Thema und spricht dem 20-Jährigen schon jetzt schulintern den Status "Legende" zu.

Auf Tiktok zirkuliert ein Video eines Freunds des 20-Jährigen, der sich selbst im Gangster-Outfit zeigt. "Man dachte nur Mottowoche Mafia auf entspannt", schreibt er zu seinem Spiegel-Selfie mit Anzug und gegelten Haaren. Hinterlegt ist der Beitrag mit dem Hip-Hop-Klassiker "Sound of da Police". Entspannt war der Mottotag dann aber freilich nicht.

Das Video ist inzwischen gelöscht. Der Beitrag hatte am Montagnachmittag mehr als 150.000 Aufrufe, 16.000 Herzchen und 300 Kommentare erhalten.

Darin zu sehen ist der "Mann mit Waffe": Ein junger Mann mit schwarzen Lackschuhen, etwas zu langer Anzughose, schwarzem Hemd und Zigarette hinterm Ohr. Ein Polizist hält mutmaßlich das Gewehr mit Holzgriff, der Jugendliche steigt in ein graues Auto. Die Polizisten scheinen recht gelassen, der junge Mann auch.

Polizei warnt, Schule plant Disziplinarausschuss

Das Polizeipräsidium warnt indes in einer Mitteilung vor unbedachten Auswirkungen dieser Art von Mottopartys.

Die Polizei Straubing prüfe in Abstimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft den Sachverhalt in strafrechtlicher Hinsicht. Dem Vernehmen nach ist dem Schüler das Missverständnis allerdings nicht anzulasten.

"Von der Mottowoche der Schüler wussten wir nichts", betont Sonja Padberg, Schulleiterin der FOS/BOS. Sie habe das Gespräch mit der Schüler-Mitverantwortung (SMV) und dem Schüler gesucht. Die Mottowoche, die jeden Tag ein anderes Grundthema haben sollte, wurde gestoppt. Der Schüler habe beim Gespräch Einsicht gezeigt, sagte Padberg. Es werde einen Disziplinarausschuss geben, teilte die Schulleiterin mit. Vom Tiktok-Video wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nichts.

Das Theresien-Center wird derzeit komplett umgebaut. Läden wurden aufgelöst, der komplette Eingangsbereich ist entkernt. Besucher werden zwischen Baustellenzäunen und -planen geführt. Lesen Sie dazu auch: Großteil der Fläche befindet sich derzeit im Umbau.

Ein einsamer Koffer, Beifuß-Wirrwarr, Bombendrohung aus Langweile

Einsätze wegen Missverständnissen oder Fehlalarmen sind nicht häufig, aber kommen immer wieder vor.

Im Februar 2020 beschäftigten sich Feuerwehr, Polizei und Chemiker mit einer verdächtigen Substanz in einem Briefumschlag. Stunden später ist klar: Es war Beifuß.

Im März 2019 sperrte die Polizei die Sparkassen-Filiale an der Landshuter Straße in Straubing wegen eines Drohbriefs ab. Später stellte sich heraus: Die Bombendrohung stammte von einem gelangweilten Zwölfjährigen.

Im Juli 2018 rückte ein Sprengstoffkommando aus München am Straubinger Kaffeestand an. Dort stand ein einsamer Koffer. Darin: nichts Außergewöhnliches.