Musik
„Ghost“ und „Sleep Token“ führen eine alte Heavy-Metal-Tradition fort

Gonzales Photo/Imago
Mit ihrem düsteren Sound und viel Theatralik hat es „Ghost“ an die Spitze der Charts geschafft.
Finstere Gestalten stehen auf der Bühne. Wer genau, das weiß nicht mal das Internet. Als Geister und untote Priester spuken sie durch die Musiklandschaft und heimsen damit Charterfolge ein. Das schwedische Projekt „Ghost“ und „Sleep Token“ aus England setzen auf einen ähnlich geheimnisvollen Stil und düstere, atmosphärische Klänge mit einem Hang zur Theatralik. Bis auf die jeweiligen Frontmänner ist unklar, wer in beiden Bands mitspielt. Und obwohl sie vordergründig Heavy Metal machen, bedienen sie sich frei bei anderen Musikgenres. Dabei bleibt es nicht bei grandiosen Auftritten. Wer mag, kann sich in die Hintergrundgeschichten der jeweiligen Band einlesen und entdeckt dort ein ganzes Universum an Mythen und Geheimnissen, die auch in den Liveauftritten und auf den Alben immer wieder referenziert werden.
Damit sind „Ghost“ und „Sleep Token“ die absolute Ausnahme in der aktuellen Musikszene. Dort legen Künstler und Labels viel Wert auf vermeintliche Authentizität und vermitteln den Fans das Gefühl, ihre Stars in- und auswendig zu kennen. Aber die beiden Gruppen stehen in einer Tradition, die bis in die Anfänge des Heavy Metals zurückreicht.
Schon in den 1970ern hatte Heavy Metal einen Hang zum Theater
Bereits in den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren gab es viele Stars, deren Plattenlabels darauf achteten, sie möglichst nahbar erscheinen zu lassen. „Black Sabbath“ spielte dagegen mit Horrorelementen, Alice Cooper kam als verrückter Clown in Voll-Make-up und Lasershow auf die Bühne und bei den Musikern von „Kiss“ war zunächst gar nicht bekannt, wer eigentlich hinter den Masken steckte. Die Bühnenshows waren spektakulär, voll mit dramatischen Effekten und Alice Cooper sowie die Musiker von „Kiss“ entwickelten ausführliche Hintergrundgeschichten für ihre Bühnenpersonen.
Obwohl er keinen Heavy Metal machte, war auch David Bowie dafür bekannt, seine Bühnenpersönlichkeiten zu wechseln und mit ihnen seine Musik. Diese Konzepte brachten großen Erfolg und gerade im Bereich des Heavy Metals und der unheimlichen Musik hat sich die Idee der maskierten Künstler inzwischen etabliert.
Ein Vorteil dieser theatralischen Aufführung, den auch Frontmänner von „Sleep Token“ und „Ghost“ immer wieder betonen: Das Publikum muss sich zwangsweise auf die Musik konzentrieren, denn es gibt an sich keinen Star, der als Projektionsfläche dienen kann. Auch erlaubt das ganze Drumherum mit Videos und Hintergrundmythos, eine Geschichte zu erzählen, die viel komplexer ist, als man es in ein paar Songs könnte.
Und die Bandkonzepte passen in die Zeit, gerade, weil „Ghost“ und „Sleep Token“ so geheimnisvoll daherkommen. Gitarrenmusik mag gerade nicht die Charts stürmen, Fans gibt es trotzdem und inzwischen sind die Zuhörer auch daran gewöhnt, komplexe Geschichten mit viel Hintergrundmythos zu verfolgen. So dürften die geisterhaften Musiker von „Ghost“ und „Sleep Token“ und ihre unheimliche Ästhetik der Musikwelt noch eine Weile erhalten bleiben.