Landshut/Geisenhausen

Ein Leben vom Taliban-Horror zerstört: Plötzlich tickte Nawab (36) in Geisenhausen aus


Symbolbild: Mathias Adam

Symbolbild: Mathias Adam

Von Redaktion idowa

Problematische Lebensläufe sind im Gerichtsalltag keine Seltenheit. Das traurige Schicksal des Nawab K. aber liegt jenseits jeglicher Vorstellungskraft.

Den behandelnden Ärzten zufolge sitzt der 36-jährige Afghanistanflüchtling, der schwer traumatisiert und psychisch krank ist, den ganzen Tag auf seinem Zimmer und starrt vor sich hin. Er kann weder lesen noch schreiben. Die Sprache, die er im Bezirkskrankenhaus Mainkofen hört, ist ihm fremd. Vor den anderen Patienten hat er Angst.

Derzeit ist Nawab K. aufgrund seiner Erkrankung auch verhandlungsunfähig. Und so fand das Sicherungsverfahren gegen ihn vor der ersten Strafkammer des Landgerichts ohne ihn statt.

Dass K. am 12. Juli 2014 in der Asylbewerberunterkunft in Geisenhausen auf einen Mitbewohner im Zustand der Schuldunfähigkeit eingestochen hat, darüber waren sich die Beteiligten nach zweitägiger Beweisaufnahme einig. Die Frage war, wie man mit dem ehemaligen Schafhirten verfahren sollte. Würde man seine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung anordnen, so wäre dies, als würde man "ein Zimmer absperren und den Schlüssel wegwerfen", sagte Ks Verteidiger Dr. Thomas Krimmel.

Die Basis für eine sinnvolle Behandlung sei bei einer Unterbringung nicht gegeben. Die Kammer folgte jedoch dem Antrag von Staatsanwalt Klaus Kurtz, der eine Unterbringung befürwortet hatte. Die Kammer nehme die Problematik des Vollzugs bei Nawab K. durchaus wahr, sagte Vorsitzender Richter Markus Kring in der Urteilsbegründung, habe aber in erster Linie den Auftrag, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen. "Und dieser hier ist überdurchschnittlich gefährlich, weil nicht eingrenzbar."

Dem psychiatrischen Sachverständigen zufolge kann es jederzeit jeden treffen, der den Weg von Nawab K. kreuzt, sobald dieser in Panik ausbricht. "Dann fühlt er sich bedroht und versucht, sich dementsprechend zu verteidigen." Der 36-Jährige - der von den Taliban bedroht wurde und zusehen musste, wie zwei seiner Schwestern bei einem Bombardement der Amerikaner ums Leben kamen - leide an einer Mischform aus einer seit Jahren andauernden Persönlichkeitsstörung auf dem Boden einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer organischen Persönlichkeitsstörung. Dass K. am 12. Juli im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt habe, stand für ihn jedoch außer Frage: Das Eingangskriterium der schweren seelischen Abartigkeit sei allein durch die posttraumatische Belastungsstörung belegbar. K. benötige eine medikamentöse Einstellung, eine psychotraumatologische Behandlung sowie eine endgültige neurologische Abklärung.

Rein rechtlich kam die Kammer zu einem versuchten Totschlag mit gefährlicher Körperverletzung. Wie Richter Kring sagte, war der Eingangs angeklagte, versuchte Mord aufgrund der Tatsache nicht aufrecht zu halten, dass K. wegen seiner Krankheit die Arglosigkeit seines Opfers gar nicht hatte realisieren können. Was die Unterbringung betreffe, so habe die Kammer auf den Vollzug leider keinen Einfluss.