Serie „Real Cybercrime“

Folgen von Hass und Gewalt: Wenn Cybermobbing in der Schule weitergeht

„Ich will dich einfach töten!“, sagt eine Stimme, während das Opfer erschrocken zur Seite schaut. So beginnt ein erschütterndes Video in einer Klassengruppe auf WhatsApp. Folge 7 unserer Crime-Serie.

Mobbing kann schwere Folgen haben.

Mobbing kann schwere Folgen haben.

Von Redaktion Freistunde

Seit fünf Monaten wird die 13-jährige Lena systematisch von zwei Mitschülerinnen gemobbt. Was als Stichelei beginnt, entwickelt sich zum täglichen Psychoterror. Erste Beleidigungen fallen in Chats zwischen der jeweiligen Täterin und dem Opfer, dann schwappen die Anfeindungen auf den Klassenchat über. Die Mitschülerinnen beleidigen Lena als „gestörte Kuh“, „Kack-Face“ oder „fettes Baby“ – und machen sie mit Beleidigungen, teils mit heimlich aufgenommenen Schnappschüssen, zum Gespött in der Klassengruppe:

Ein Chatverlauf aus der Klassengruppe.

Ein Chatverlauf aus der Klassengruppe.

Solche Nachrichten sind Alltag für das Opfer – oft gespickt mit bearbeiteten Bildern, die sie in peinlichen Situationen zeigen. Doch es bleibt nicht nur bei Kommentaren in der Gruppe. Über anonyme Fake-Accounts erhält die 13-Jährige direkte Nachrichten:

Das Mädchen bekommt schwere Drohungen.

Das Mädchen bekommt schwere Drohungen.

Dazu stellen die Täterinnen ständig falsche Behauptungen auf: Sie verfolgen den Standort des Opfers via Snapchat. An einem Tag ist Lena beispielsweise durch die Eltern offiziell entschuldigt und von der Schule genehmigt nicht in der Klasse. Die Klassenkameraden sehen in der Standortansicht der App, dass sich die 13-Jährige im Stadtgebiet von Straubing aufhalten muss. Diese Info teilen sie sofort im Klassenchat und beschuldigen Lena, dass sie die Schule schwänzt. Dass das Opfer im Stadtgebiet einen Arzttermin hat, glaubt ihr danach keiner mehr, sodass sie nun dauerhaft als Schulschwänzerin betitelt wird.

Als dem Opfer das Cyber-Mobbing schließlich an einem Tag zu viel wird, sendet sie, als Kurzschlussreaktion auf eine weitere Beleidigung im Klassenchat, ein Foto ihres Mittelfingers. Dieses löscht sie aus Angst zwar schnell wieder, dennoch haben es bis dahin genügend Personen gesehen, einen Screenshot gemacht und den einer der Täterinnen gezeigt.

Nun gipfelt das Mobbing in realer Gewalt auf dem Pausenhof der Schule. Dort stellt die Täterin das Opfer, beleidigt und bedroht sie mit „Bitch, ich will dich einfach töten“ und schubst sie ruckartig zu Boden. Das alles filmt sie mit ihrem Handy.

Die Eltern des Opfers wenden sich schließlich an die Polizei, nachdem ihre Tochter sich immer wieder übergibt, ins Bett nässt und nicht schlafen kann – das alles sind klassische psychosomatische Reaktionen auf eine schwere emotionale Belastung.

Auch die Schule wird eingeschaltet und es kommt zu einer Krisensitzung mit Eltern, Lehrkräften und der Polizei. Die mutmaßlichen Täterinnen werden identifiziert und müssen mit jugendstrafrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Lena hat mittlerweile professionelle Unterstützung und kämpft sich langsam zurück in ein normales Leben. Doch die Narben bleiben: „Ich hoffe, dass die Leute endlich begreifen, dass Worte im Internet genauso verletzen können wie in der Realität.“

Was ist genau passiert?

Die Polizei warnt: Cybermobbing ist kein Spaß. Wer andere online beleidigt, bedroht oder bloßstellt, macht sich strafbar. Auch das Teilen solcher Inhalte kann rechtliche Folgen haben.

In dem geschilderten Fall hat die Polizei mehrere Handyvideos gesichert. Eines davon war das Video der Täterin, das den tätlichen Angriff im Pausenhof zeigt, bei dem sie das Opfer sogar mit dem Tod bedrohte. Die Handys der Täterinnen sowie die Chats, inklusive des Klassenchats, wurden polizeilich sichergestellt.

Die Haupttäterinnen gaben im Beisein der Eltern zu, dass sie via WhatsApp Beleidigungen gesendet haben und bestätigten die körperliche Attacke.

Die Klassenkameraden, die den Täterinnen meist Rückendeckung gaben, aber auch die, die einfach zugeschaut hatten, wurden von der Polizei in einem längeren Gespräch über die rechtlichen und emotionalen Folgen aufgeklärt – nach dem Motto: „Wer zuschaut, ist genauso Täter wie der, der zuhaut.“

Die Handlungen in diesem Fall erfüllen mehrere Straftatbestände, unter anderem: Beleidigung, Bedrohung, Nachstellung sowie Körperverletzung durch die Chats, die Aussage „Ich will dich einfach töten.“ und den Stoß am Pausenhof. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das ungefragte Filmen und Verbreiten der Videos. Verleumdung und üble Nachrede durch das Verbreiten von falschen Informationen und Tatsachen über das Opfer.

Polizeihauptmeister Robert Zwickenpflug.

Polizeihauptmeister Robert Zwickenpflug.

Für Betroffene und Opfer:

  • Keine falsche Scham: Mobbing muss frühzeitig gemeldet werden – bei Lehrern, Schulsozialpädagogen, Eltern oder der Polizei.
  • Beweise sichern: Screenshots, Chatverläufe, Sprachnachrichten – alles dokumentieren.
  • Gelöschtes muss nicht weg sein: Täter geben oft an, sie hätten Inhalte gelöscht. Die Polizei kann gelöschte Daten trotzdem sichern.
  • Schulpsychologische Hilfe in Anspruch nehmen.
  • Beratungsstellen wie „Nummer gegen Kummer“ oder „HateAid“ nutzen.

Für Mitläufer, Mitwisser oder stille Zuschauer:

  • Schweigen schützt die Täter: Wer nichts sagt und zusieht, macht sich zwar nicht strafbar, aber moralisch mitverantwortlich.
  • Bei Lehrern oder anonym bei der Polizei melden – auch, wenn man selbst nicht betroffen ist. So hilft man Betroffenen, wenn bei diesen die Scham zu groß ist.
  • In der Klassengruppe aktiv dagegenhalten: Solidarität zeigen, zum Beispiel durch Deeskalation oder private Nachrichten an Opfer.

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