Buch- und Film-Tipp
Der Hype um Caroline Wahl: Davon handeln „Die Assistentin“ und „22 Bahnen“
Caroline Wahl ist 30 Jahre alt und wuchs bei Heidelberg auf. „22 Bahnen“ war 2023 eine Sensation und wurde über eine Million Mal verkauft, diesen August erschien die Verfilmung. Nun liegt ihr neuer Roman „Die Assistentin“ vor. Zeit also, sich das neue Buch und den Film genauer anzusehen.
Über Zwischentöne
In „Die Assistentin“ beißt sich eine junge Frau in der harten Verlagsbranche durch.
Die Arbeitswelt befindet sich im ständigen Wandel. Während die Großeltern-Generation nichts anderes als Arbeit kannte, haben sich heute die Rechte der Beschäftigten – und der Frauen – gebessert. Jedoch hat alles seinen Preis. Die Erwartungen sind gestiegen und teils wird eine ständige Erreichbarkeit vorausgesetzt. Die Leichtigkeit bleibt auf der Strecke und in manchen Branchen scheint sich der Chef über allen anderen zu sehen, was er seine Mitarbeiter spüren lässt.
Darum geht’s: Charlotte zieht nach München, um dort ihre neue Stelle als Sekretärin anzutreten. Eigentlich will sie Musikerin sein, doch diesen Wunsch hat sie begraben. Auch, weil die Eltern ihr das nicht zutrauen. Also muss es die Karriere in der Verlagsbranche tun. Doch die stellt sich als harte Probe heraus. Der Verleger, dessen Sekretärin Charlotte ist, ist sehr speziell. Es gibt einen Anleitungskatalog mit Punkten des Vorgesetzen, die jeder in seiner Umgebung zu beachten hat. Zum Beispiel, dass er seine Nudelsuppe ohne Nudeln serviert bekommen möchte oder diverse andere Extrawünsche. Der Chef ist launisch, seine Stimmung schwankt.
Doch Charlotte beißt sich durch, geht immer nach den anderen nach Hause und opfert ihre Freizeit für Anerkennung. Das fordert jedoch seinen Tribut, sodass sie sich immer mehr selbst verliert. Ihre einzige Konstante ist die Musik, an der sie so oft arbeitet, wie es ihr nur möglich ist. Das hält die junge Frau über Wasser.
Fazit: Caroline Wahl hat eine ganz eigene Sprache. Alleine deswegen sollte man sich ihre Bücher ansehen. Mit „22 Bahnen“ und „Windstärke 17“ hat sie gute Geschichten abgeliefert. „Die Assistentin“ ist ihr dritter Roman, der in eine andere Richtung geht.
Hier kommt es auf die Zwischentöne an: das Einleben in einer neuen Umgebung, das Kennenlernen neuer Leute, die Beziehung zu den Eltern, das Arbeitsumfeld. Häufig kommt hier der Gedanke auf: Wenn es so eine Person als Chef gibt, wie kann ein Mensch nur so sein? Warum schauen alle zu? Die Meinung zu Charlotte schwankt zwischen Mitleid und Unverständnis.
Muss man das Buch gelesen haben? Vielleicht. Das Werk hat eine gute Message, ist wieder gut zu lesen, doch es hat keinen derartigen Zug wie die Vorgänger.
Hoffnung(-slosigkeit)
Der Film „22 Bahnen“ erzählt von einer jungen Frau, die sich um ihre kleine Schwester kümmern muss.
Darum geht’s: Tilda, gespielt von Luna Wedler, studiert Mathematik und arbeitet nebenbei in einem Supermarkt. Eigentlich würde dort draußen eine große Karriere auf sie warten, allerdings liegt ihre größte Aufgabe in den eigenen vier Wänden. Dort muss sie sich um ihre kleine Schwester Ida (Zoë Baier) kümmern, denn die alleinerziehende Mutter schafft es nicht. Der Alkohol zerfrisst sie, was die Schwestern täglich mitanschauen müssen.
Einzig bei den 22 Bahnen im Schwimmbad kann Tilda abschalten und die Sorgen des Alltags kurz vergessen. Bis dort plötzlich ein neues, altes Gesicht auftaucht, das Tilda gehörig durcheinanderbringt: Viktor, gespielt von Jannis Niewöhner.
Fazit: Der Film ist eindringlich und nah am Buch gehalten. Die drückende Atmosphäre mit leichten Hoffnungsschimmern dazwischen haben die Macher super einfangen können. Gut gewählte Voice-Over-Passagen lassen das Publikum noch mehr an Tildas Gedankenwelt teilhaben.
Besonders sticht Zoë Baier heraus, die Schauspielerin der Ida. Man nimmt der erst Elfjährigen die Rolle der zurückhaltenden, starken, kleinen Schwester absolut ab. Für Tilda ist Luna Wedler die perfekte Wahl, die deren Hoffnung(-slosigkeit) und Kraft wunderbar darstellt. Jannis Niewöhners Charakter Viktor bleibt ein wenig passiv und starr, hier hätte ein Stück mehr Tiefgang gut getan.
Der Film ist absolut sehenswert, sowohl für die Buchfans, als auch für Neulinge der Geschichte. Am Ende der knapp zwei Stunden muss man die ein oder andere Träne zurückhalten.
„22 Bahnen“, Drama, Länge: 102 Minuten, freigegeben ab zwölf Jahren, noch in ausgewählten Kinos zu sehen, vermutlich bald verfügbar zum Streamen.










