Last-Minute-K.o. gegen Dortmund

Der Fußball zeigt sich den "Junglöwen" von seiner härtesten Seite


Ein "Anker" musste Sepp Steinberger, hier mit Torhüter Maximilian Engl, nach dem Abpfiff für seine Spieler sein.

Ein "Anker" musste Sepp Steinberger, hier mit Torhüter Maximilian Engl, nach dem Abpfiff für seine Spieler sein.

Durch ein Tor kurz vor Schluss ist der TSV 1860 München im Rennen um die deutsche A-Jugend-Meisterschaft gegen Borussia Dortmund ausgeschieden. Stolz können Trainer Sepp Steinberger und sein Team trotzdem auf das Erreichte sein.

Fast alle waren schon aufgesprungen von der Auswechselbank des TSV 1860 München, einige hatten die Hände schon zum Jubeln in die Luft gerissen. Es war die 88. Minute des Halbfinal-Rückspiels um die deutsche A-Jugend-Meisterschaft zwischen den "Junglöwen" und Borussia Dortmund. 1860 hatte die riesige Chance auf den 1:1-Ausgleich, der nach dem 2:1-Sieg im Hinspiel vor über 15.000 Zuschauern im Dortmunder Signal Iduna Park den Finaleinzug bedeutet hätte. Julian Justvan bekam den Ball, das Tor war bereits leer, doch ein Dortmunder Verteidiger bekam den Fuß dazwischen und so ging der Ball über Justvans Schienbein letztlich ganz knapp am Dortmunder Tor vorbei.

Und dann zeigte der Fußball an diesem regnerischen Tag im Sportpark Heimstetten, wie knallhart er sein kann. Waren die Münchner gerade noch selbst dem Treffer und dem Finaleinzug so nah, nutzte der BVB im Gegenzug eine Möglichkeit eiskalt aus, erhöhte auf 2:0 und darf sich somit mit der TSG 1899 Hoffenheim um den A-Junioren-Meistertitel streiten. "Löwen"-Keeper Maximilian Engl konnte einen langen Ball nur kurz abwehren, Felix Passlack ging volles Risiko und zimmerte ihn volley ins Tor und mittenrein ins "Löwen"-Herz.

"In dieser Phase geht dir wenig durch den Kopf, da ist erst einmal eine große Enttäuschung da. Wenn das Gegentor so spät fällt, ist es natürlich umso bitterer, weil du keine Möglichkeit mehr hast, darauf zu reagieren", beschrieb 1860-Trainer Sepp Steinberger nach der Partie seine Gefühle. Der Gottfriedinger hatte die "Junglöwen", die vergangene Saison dem Abstieg nur hauchdünn entkamen, sensationell auf Tabellen-Platz zwei in der A-Junioren-Bundesliga Süd/Südwest geführt und zog damit in die Endrunde um die deutsche Meisterschaft ein.

Dort traf man auf Dortmund, die "individuell beste Mannschaft Deutschlands", wie Steinberger einschätzte. Die Mannschaft von Hannes Wolf vereint zwei Jahrgänge, die in der U17 jeweils schon deutscher Meister geworden sind. Und so hatte auch Sechzigs Trainer kein Problem damit anzuerkennen, "dass der BVB insgesamt gesehen auf die zwei Spiele einen Tick stärker war als wir." Trotz der Niederlage war Steinberger stolz auf seine Mannschaft: "Sie hat einen hervorragenden Kampf geliefert, leider hatten wir das nötige Quäntchen Glück nicht."

Mehrmals betonte der Niederbayer am Montag nach dem Spiel, dass er sehr stolz auf die Leistung sei. Die Münchner mussten vier ihrer wichtigsten Spieler ersetzen. Die verletzten Martin Gambos und Moritz Heinrich, mit 19 Treffern Toptorjäger der "Löwen", sowie den gesperrten Florian Neuhaus und Justin Kinjo, der im Winter zu Fortuna Düsseldorf gewechselt war und dort einen Profivertrag unterschrieben hat. "Trotzdem haben wir das in meinen Augen gut gemacht. Und wenn Justvan eine Minute vor den Knock-out das Tor gemacht hätte, dann stünden wir im Finale und nicht der BVB", fasste Steinberger zusammen.

Pulisic und Passlack schießen Dortmund ins Endspiel

Im Gegensatz zu 1860 war Borussia Dortmund personell komplett. Auch dabei: Felix Passlack und Christian Pulisic (beide 17), die auch schon für die BVB-Profis auf dem Platz standen. Keine Überraschung, dass beim 1:0 Passlack Pulisic bediente und Passlack selbst das 2:0 erzielte. "Das ist schon eine herausragende Mannschaft", sagte deshalb auch Steinberger.

Er selbst zeigte während der Partie seine Emotionen, so wie man ihn kennt. Gestenreich unterstützte er seine Spieler, applaudierte, wenn etwas gelang und tobte, wenn etwas nicht nach seinem Gusto verlief. Je länger das Spiel dauerte, desto emotionaler wurde Steinberger. Auch seine Kappe riss er sich einmal vom Kopf. Und als nach dem 0:2 aus "Löwen"-Sicht die Spieler schon den Kopf hängen ließen, da lief Steinberger an die Mittellinie und deutete seinen Jungs an: Weiter, immer weiter - Aufgeben gibt's nicht!

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Ruhig wurde Steinberger dann erst nach Spielende wieder. Fair gratulierte er den Dortmundern zum Erfolg und tröstete seine eigenen Spieler. Ein kurzer Blick in die Dortmunder Kurve, wo Fans und Spieler gemeinsam den Finaleinzug feierten. Und dann schickte er seine Mannschaft in die Kabine. Was er ihr nach dem Spiel in der Kabine gesagt habe, wird er später gefragt. "Dass die Enttäuschung jetzt natürlich groß ist, sie in zwei oder drei Tagen aber stolz sein können und werden auf das, was wir erreicht haben. Und dass auch ich stolz darauf bin", antwortet er. Er selbst wirkte nach dem Spiel überraschend gefasst. "Die Enttäuschung ist da, klar", sagte Steinberger. "Aber es geht in erster Linie nicht um mich. Ich werde die Niederlage vielleicht schneller verarbeiten als die Spieler. Man muss als Trainer in einer solchen Situation in der Kabine ja auch ein bisschen der Anker für die Spieler sein."

Ein Ziel haben die "Junglöwen" jetzt auch noch vor sich. "Wir wollen die Saison mit dem bayerischen Pokal krönen", sagte der 43-Jährige. Dieser wird am 26. Mai ausgespielt. Den Pokal sieht Steinberger auch keineswegs als "Trostpflaster", wie er betonte: "Gerade im bayerischen Raum hat der Titel schon einen Wert. Das wäre das Sahnehäubchen auf das ganze Jahr." Bis Montag haben die "Löwen"-Talente jetzt erst einmal frei, um den Schmerz der Niederlage zu verarbeiten. Dann beginnt die Vorbereitung auf das Pokalfinale.

Steinberger: "Das spricht für den Charakter der Mannschaft"

Acht Mannschaften kämpfen um den Pokal, neben den "Löwen" unter anderem auch der FC Ingolstadt. Eines der drei Teams, gegen das die Münchner am Saisonende noch verloren hatten und dadurch den ersten Platz hergeben mussten. "Wir wollen zeigen, wer die Nummer eins in Bayern ist", gibt Steinberger als Ziel aus. Gerade weil man nach den drei Niederlagen zum Saisonende dem BVB so lange Paroli geboten habe, machte Steinberger seinem Team "ein Riesenkompliment. Das spricht für den Charakter der Mannschaft."

Dass sein Team diese Saison so erfolgreich war, führt Steinberger nicht zuletzt auf die vergangene Spielzeit zurück, als die Münchner bis zum Schluss gegen den Abstieg kämpfen mussten. "Das hat zusammengeschweißt und in der Mannschaft einen Geist entwickelt, der diese Saison erst ermöglicht hat", ist der Trainer überzeugt. Ein Jahr im Tabellenkeller, im nächsten ganz vorne dabei. "Anstrengend ist beides", sagt Steinberger und muss ein wenig schmunzeln. "Aber wenn du um den Klassenerhalt kämpfst, nach Freiburg fährst und weißt: du musst gewinnen, dann ist das ein ganz anderer Druck. Vergangene Saison hatten wir nur etwas zu verlieren, heuer nur etwas zu gewinnen."

Und sie haben viel gewonnen, diese 17- bis 19-Jährigen. In Zeiten, in denen die Profimannschaft der Sechziger zum zweiten Mal in Folge den Abstieg in die Dritte Liga nur gerade so abwenden konnte, sorgten sie wieder einmal für Positivschlagzeilen in ganz Deutschland. "Wir haben bestätigt, dass wir eine der besten Jugendakademien in Deutschland haben und uns nicht verstecken brauchen", sagt deshalb auch Steinberger, "Vereine wie der BVB oder Hoffenheim haben im Jugendbereich ganz andere Möglichkeiten. Dass du mit denen auf Augenhöhe bist, ist nicht selbstverständlich."

Die "Junglöwen" haben in dieser Saison viel erreicht. Mehr, als ihnen vor der Saison zugetraut wurde. Sepp Steinberger hat daran sicher keinen unerheblichen Anteil. Für ihn persönlich wird die kommende Saison sehr speziell werden. Denn er wird den Fußballlehrer machen. Heißt: Von Sonntag- bis Mittwochabend wird er in Hennef die Schulbank drücken, ehe er seine Mannschaft ab Donnerstag auf die Spiele vorbereitet. "Das haben auch schon andere überstanden, dann wird mir das, denke ich, auch gelingen", blickt Steinberger der Doppelbelastung optimistisch entgegen.

Am 13. Juni geht es los mit der Ausbildung zum Fußballlehrer. "Dann wird es zehn Monate lang sehr stressig", ist sich der Niederbayer durchaus bewusst. Zwischen den Saisons hat Steinberger rund zwei Wochen, in denen er "die Seele baumeln lassen und die Akkus wieder aufladen" kann. In der Stimmung, sich über seinen Urlaub Gedanken zu machen, war er am Sonntagnachmittag aber nicht. Als BVB-Coach Hannes Wolf auf dem Weg zum Mannschaftsbus an Steinberger vorbeiging, sagte er: "Wir sehen uns wieder." Vielleicht ja schon nächste Saison in der Endrunde um die deutsche A-Junioren-Meisterschaft. Steinberger wäre für eine Revanche sicherlich bereit.