Straubing

Flüchtlinge müssen vieles ertragen: Vorurteile sind falsch angesetzt


In ihrer Heimat herrscht Krieg und Terror. Ein anderes Land wie Deutschland ist für sie die letzte Chance. (Archivfoto: Peter Kneffel, dpa)

In ihrer Heimat herrscht Krieg und Terror. Ein anderes Land wie Deutschland ist für sie die letzte Chance. (Archivfoto: Peter Kneffel, dpa)

Von Susanne Raith und Redaktion idowa

Die Gründe gestalten sich unterschiedlich, das Ziel ist dasselbe: Deutschland. Immer mehr Menschen fliehen vor dem Krieg. Alleine in Niederbayern halten sich mittlerweile rund 4.375 Flüchtlinge auf. Dafür gibt die Regierung mehrere Millionen Euro aus; größtenteils durch Steuergelder finanziert. Das schürt die Wut der Einheimischen. Zu brodeln beginnt sie, wenn die Flüchtlinge teure Kleidung tragen und Smartphones besitzen. Ebenso die Straubinger stoßen in ihrer Stadt hin und wieder auf solche Beispiele und schimpfen gegen sie. Doch ihre Vorurteile sind falsch gesetzt.

"Ich bin sicherlich nicht wegen des Geldes hier", sagt Amil Odicho gleich zu Beginn unseres Gesprächs. Er lebt seit knapp zehn Monaten in der Unterkunft im ehemaligen Hotel Wittelsbach. Drei Jahre hielt er den Krieg und Terror in Syrien aus. "Meine Arbeit dort war gut bezahlt, weil ich Englisch und Aramäisch unterrichtet habe. Hier habe ich nichts", erzählt der 44-Jährige. Gerne würde er zurückkehren, doch sein Land ist vom Frieden noch weit entfernt. Bis es soweit ist, möchte er bei den Bewohnern der Stadt Anschluss finden, um seine Deutschkenntnisse zu verfeinern. Doch viele Straubinger meiden den Kontakt, wie er anmerkt. Anschließend treffen wir uns mit einer Familie aus Afghanistan. Sie lebt seit nahezu zwei Jahren in Straubing. Said Minayar sagt: "Wir sind froh, dass unsere beiden Kinder die Grundschule St. Jakob besuchen dürfen. Dadurch können wir uns mit einigen einheimischen Familien regelmäßig austauschen."

Viele Vorbilder, zwischendurch auch Negatives

Positive Beispiele gibt es im Hotel Wittelsbach mehrere. Doch in der Vergangenheit bröckelte die Fassade. Im April 2013 eskalierte ein Streit zwischen zwei jungen Männern. Sie verletzten sich mit Glasflaschen. Die Öffentlichkeit war empört. Im September 2014 nahm die Polizei einen 25 Jahre alten Drogendealer aus Sierra Leone fest. Knapp 100 Gramm Marihuana entdeckten sie bei ihm. Schnell munkelte die Öffentlichkeit, ob sich die Flüchtlinge durch Drogengeschäfte teure Smartphones und Kleidung finanzieren. Heimleiter Dieter Brunnmeier erklärt: "Das war ein Einzelfall, über den sich die Anwohner nicht zu sehr aufregen sollten. Immerhin waren seine Kunden hauptsächlich Deutsche."


Große Probleme gebe es nicht. "So gut es geht, teilen wird die Stockwerke nach Nationalitäten auf. Dadurch herrscht mehr Ruhe", erwähnt der Heimleiter. In einem Raum leben bis zu vier Personen. Odicho schildert: "Wenn ich lesen möchte, dann wollen zwei meiner Zimmergenossen fernsehen und der Vierte will schlafen. Dadurch kann es schon einmal zu kleinen Streitigkeiten kommen." Hinzu kommt, dass sie sich fremd sind und erst zusammenwachsen müssen. Sie teilen lediglich das Schicksal, aus der Heimat vertrieben worden zu sein. Im Haus gebe es neben einem Kabelanschluss auch einen WLAN-Anschluss. Dafür müssen die Bewohner jedoch zahlen.

Flüchtlinge kosten Geld

Ein Alleinstehender erhält von der Regierung 296 Euro monatlich. Eltern bekommen jeweils 266 Euro. Für ihre Kinder staffelt sich die Leistung je nach Alter. Für Kleidung und Schuhe kommen für jeden etwa 30 Euro im Monat dazu. Zuschüsse für Lebensmittel hält der Staat nicht bereit. "Bevor die Flüchtlinge ihre Leistung erhalten, überprüft die Regierung deren finanzielle Bedürftigkeit", erklärt Johannes Burgmayer, Pressesprecher der Stadt Straubing. Die Kosten werden mit Steuergeldern beglichen, wie Sarah Pancur, Pressesprecherin der Regierung von Niederbayern bestätigt. Viele beschweren sich, ob der Satz nicht zu hoch angesetzt sei. Immerhin tragen einige Flüchtlinge Kleidung bekannter Marken wie Nike oder Adidas. Das sticht auch in Straubing ins Auge, wenn sie sich vor ihrem Heim oder in der Innenstadt aufhalten. "Es könnte sich dabei um Sachspenden aus ihrer Erstaufnahmestelle handeln", vermutet Burgmayer. Hier lässt sich anmerken, dass es sich bei den Flüchtlingen aus Kriegsgebieten nicht immer um in Lumpen gekleidete Menschen handelt. In ihren Ländern gingen die meisten einer gut bezahlten Arbeit nach und sind bloß wegen des Krieges geflüchtet. Gewiss befinden sich in Deutschland Wirtschaftsflüchtlinge. Allerdings haben sie es zunehmend schwer, hier bleiben zu dürfen.

Wohin mit den Flüchtlingen?


Grundlegend spitzt sich die Situation zu. Immer mehr Menschen drängen aus Krisengebieten in die Bundesrepublik. Die Welle entwickelt sich zunehmend zu einem Tsunami. Das war nicht vorhersehbar, wie es aus unterschiedlichen Politikerkreisen zu hören ist. Dennoch hätte der Staat früh genug einen Notfallplan für mögliche Unterkünfte entwerfen können. Jetzt ist er überfordert und schiebt das Problem an die Landkreise weiter. Die Stadt Straubing wusste bis Sonntagabend nicht, wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen muss. Die Rede war von 100, letztendlich kamen 35. Hätte die Stadt das vorher gewusst, hätte sie die Asylsuchenden vermutlich woanders als in der Messehalle am Hagen unterbringen können.


Es hagelt heftige Kritik

Eine unserer Leserin fragte, wie viele Flüchtlinge Straubing noch aufnehmen muss: "Ach geh, nur 100? Warum ned gleich 1.000? Langsam reichts wieder." Ein anderer meinte: "Gut, dass ich bald wegziehe." "Ein anderer zieht Vergleiche mit dem Zweiten Weltkrieg. Größtenteils richten sich die Kommentare in diversen sozialen Netzwerken gegen Flüchtlinge. Das findet die Stadt besonders schmerzlich. "Natürlich gibt es Flüchtlinge, die sich nicht integrieren möchten. Jedoch ist das ein geringer Prozentsatz. Unter uns gibt es doch auch etliche, die sich nicht bilden und dem Staat auf der Tasche liegen", sagt Brunnmeier. Mittlerweile geht die Polizei gegen zwei Personen aus dem Landkreis Freyung-Grafenau vor, die sich bei Facebook in Kommentaren heftig über Flüchtlinge ausgelassen haben. "Dabei handelt es sich um Volksverhetzung", sagt Pressesprecher Alexander Schraml des Polizeipräsidiums Niederbayern. Ebenso in Deggendorf wird gegen Flüchtlinge gehetzt.

Amil Odicho hat mittlerweile eine Erlaubnis zum Bleiben erhalten. Gerne würde er hier als Lehrer arbeiten: "Ich könnte mir auch vorstellen, anderen Flüchtlingen Deutsch beizubringen." Ebenso würde Said Minayar gerne arbeiten, um seine Familie versorgen zu können: "Ich finde es schade, dass ich von früh bis spät nicht arbeiten darf. Im Moment wasche ich zwei Mal in der Woche die Kleidung aller Bewohner. Das Geld, das ich dafür bekomme, ist leider nicht viel." Wenn Flüchtlinge wie Odicho und Minayar richtige Arbeit erhalten würden, müssten sie irgendwann nicht mehr den Staat um Hilfe bitten. Das würde die Asylkosten verringern.

Integration ist wichtig

Wenn es nach Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky geht, sollten Städte Einwanderer mit einer Aufenthaltsgenehmigung integrieren und fördern. Denn genau sie sind es, die dem Staat noch viele Kinder schenken werden, wie der SPD-Politiker in seinem Buch "Neukölln ist überall" anführt. Die Deutschen sorgen bekanntlich für wenig Nachwuchs. Und irgendjemand muss später einmal für die Rente der einzelnen Bürger aufkommen.

In der Asylpolitik gibt es viele Ansätze, die noch lange kein Ende gefunden haben. "Das Thema Integration stellt uns wie viele Städte vor eine Herausforderung. Wir haben bereits ein gutes Netzwerk geschaffen, auf das wir aufbauen können", sagt Burgmayer. Erst kürzlich hat die Stadt den "Runden Tisch Asyl" ins Leben gerufen. Weitere Maßnahmen plane die Stadt. Doch erst einmal sei der Austausch zwischen den einzelnen Organisationen und den Flüchtlingen wichtig.

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Genau geregelt: Jeder Asylbewerber hat in einer Unterkunft Anspruch auf sieben Quadratmeter Wohnraum. (Archivfoto: David Ebener, dpa)

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Die Flüchtlinge kamen um 21.08 Uhr in Straubing an. Foto: Mathias Adam

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Die Flüchtlinge kamen um 21.08 Uhr in Straubing an. Foto: Mathias Adam

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Die Flüchtlinge kamen um 21.08 Uhr in Straubing an. Foto: Mathias Adam

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Die Flüchtlinge kamen um 21.08 Uhr in Straubing an. Foto: Mathias Adam

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So sah es am Sonntag um 11 Uhr in der Messehalle in Straubing aus. Dort wird auf die am Abend eintreffenden Flüchtlinge gewartet. Foto: Mathias Adam

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So sah es am Sonntag um 11 Uhr in der Messehalle in Straubing aus. Dort wird auf die am Abend eintreffenden Flüchtlinge gewartet. Foto: Mathias Adam

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So sah es am Sonntag um 11 Uhr in der Messehalle in Straubing aus. Dort wird auf die am Abend eintreffenden Flüchtlinge gewartet. Foto: Mathias Adam

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So sah es am Sonntag um 11 Uhr in der Messehalle in Straubing aus. Dort wird auf die am Abend eintreffenden Flüchtlinge gewartet. Foto: Mathias Adam

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So sah es am Sonntag um 11 Uhr in der Messehalle in Straubing aus. Dort wird auf die am Abend eintreffenden Flüchtlinge gewartet. Foto: Mathias Adam

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So sah es am Sonntag um 11 Uhr in der Messehalle in Straubing aus. Dort wird auf die am Abend eintreffenden Flüchtlinge gewartet. Foto: Mathias Adam

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So sah es am Sonntag um 11 Uhr in der Messehalle in Straubing aus. Dort wird auf die am Abend eintreffenden Flüchtlinge gewartet. Foto: Mathias Adam

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So sah es am Sonntag um 11 Uhr in der Messehalle in Straubing aus. Dort wird auf die am Abend eintreffenden Flüchtlinge gewartet. Foto: Mathias Adam

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Sprache und Bildung sind für die Integration wichtig. (Archivfoto: Hendrik Schmidt/dpa)