Landkreis Straubing-Bogen

160 Euro für Sekt oder Sex?

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Symbolfoto: Arne Dedert, dpa/lhe

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An einem tiefen Einblick in das Straubinger Nachtleben hat sich das Amtsgericht am Donnerstag Vormittag versucht. "Beihilfe zur Ausübung der Prostitution" lautete die für hiesige Verhältnisse durchaus ungewöhnliche Anklage gegen eine 47-jährige Gastronomin, die einen Nachtclub im Rotlichtviertel betreibt. Nach dreieinhalb Stunden und der Vernehmung von sieben Kunden des Etablissements wurde die Verhandlung vertagt. Sie soll am 12. März mit der Befragung weiterer Zeugen fortgesetzt werden.

Dass Prostitution in Straubing verboten ist, haben wohl die wenigsten Männer gewusst, die an diesem Vormittag als Zeugen vor Gericht geladen waren. Der Älteste war 1955 geboren, die anderen zwischen 1971 und 1988, alle durch die Bank ledig. Sie alle waren Gäste in dem Nachtclub, und fast alle gaben ohne Umschweife zu, dort Geschlechtsverkehr gehabt zu haben.

Die Betreiberin der Bar soll dazu laut Staatsanwaltschaft einen Raum zur Verfügung gestellt haben. Von den 150 bis 300 Euro, die jeder Kunde für die "Dienstleistungen" dort bezahlte, seien 50 bis 60 Prozent an sie gegangen. "Beihilfe zur Ausübung der verbotenen Prostitution" in 39 Fällen lautete deshalb der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

"Andere Preise als beim Real"


Die Gastronomin äußerte sich nicht selbst, ließ allerdings über ihren Rechtsanwalt, den bekannten Regensburger Strafverteidiger Dr. Jan Bockemöhl, eine Erklärung abgeben. Seine Mandantin bestreite die Vorwürfe, sagte Bockemöhl. Sie betreibe ein Tabledance-Lokal und habe dort Tischdamen und Tänzerinnen beschäftigt. Alle Angestellten hätten eine Hausordnung unterschreiben müssen, in der sie sich verpflichteten, sich an das Gesetz zu halten, und in den Räumen keinerlei sexuellen Kontakt zu Kunden zu suchen. Wer sich nicht dran hielt, der wurde entlassen. Die Zeugen hätten lediglich für Alkoholika bezahlt, und da, so der Anwalt, gebe es natürlich in einem Tabledance-Lokal "andere Preise als beim Real".

Dass es in den Nachtclub-Räumen mehrfach zu Sex zwischen Damen und Gästen gekommen ist, darüber konnte nach der Befragung der sieben Zeugen eigentlich kein Zweifel mehr bestehen. Die meisten von ihnen gaben das frank und frei zu. Doch es ging vor Gericht eher um die Frage, ob die Nachtclub-Betreiberin davon wusste, die Aktivitäten ihrer Damen duldete oder gar unterstützte.

Dazu waren sieben Gäste als Zeugen geladen. Sie waren im Übrigen zusammen mit vielen anderen ausfindig gemacht worden, weil sie das Verwöhnprogramm im Club mit EC- oder Kreditkarte bezahlten. Ihre Bankdaten waren also im Karten-Lesegerät gespeichert, das die Polizei im Zuge der Ermittlungen nur noch "auslesen" musste.

Mit einer Flasche Sekt ins Separee

Gleich der erste Zeuge, ein 34-Jähriger aus dem Landkreis, erzählte ganz offen von seinen Erlebnissen im Nachtclub. Er sei öfter dort Gast gewesen, dabei sei er mit verschiedenen Damen in ein Separee gegangen, wo es dann jeweils zum Geschlechtsverkehr kam. Bezahlt habe er unterschiedliche Summen, "je nach Zeit".

Sekt "hat's aber nur braucht", wenn man ins Separee ging, erklärte der Mann. Eine Sektflasche für 160 Euro sei der "Einstiegspreis" gewesen. Bezahlt habe er bei der Lokalbetreiberin oder einem anderen Verantwortlichen der Bar. Es sei zwar nicht offensichtlich gewesen, dass dort Prostitution ausgeübt wurde, aber heimlich oder verstohlen habe sich das Ganze auch nicht abgespielt.

Einige der befragten Männer ließen an einem einzigen Abend weit über 500 Euro in der Bar. Die meisten gingen wohl davon aus, dass sie soviel Geld nur wegen der Extra-Dienstleistungen der Damen bezahlen mussten. Auf Nachfrage schätzten sie den Preis für eine Flasche Sekt nur auf 30 bis 50 Euro, einen Piccolo auf zwölf Euro. Die Getränkekarte listete aber die Flasche Söhnlein Brillant mit 160 Euro auf, die Flasche Moet-Champagner mit 320 Euro. Eine hohe Rechnung, so Rechtsanwalt Bockemöhl, könne also auch allein vom Alkoholgenuss kommen. Im Übrigen sei das Separee vom Bar-Tresen aus, wo die Nachtclub-Betreiberin hauptsächlich arbeitet, nicht einsehbar. Sie habe also gar nicht wissen können, was dort geschehe.

Laut Verordnung der Regierung von Niederbayern aus dem Jahr 1975 ist die Prostitution im gesamten Stadtgebiet verboten. Wer ihr dennoch nachgeht, kann mit einer Geldbuße oder sogar einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft werden.

Die Verhandlung wird am Dienstag, 12. März, 14.30 Uhr, mit der Befragung weiterer Zeugen fortgesetzt.

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