Sophias MUT

Heile Welt auf dem Tollwood-Festival


"Miteinander": die Holz-Installation "Family" von Mukai Katsumi und Ludwig Frank auf dem Tollwood-Festival in München.

"Miteinander": die Holz-Installation "Family" von Mukai Katsumi und Ludwig Frank auf dem Tollwood-Festival in München.

Von Sophia Häns

Vor dem Eingang auf das Gelände im Münchner Olympiapark steht ein Schild: "Tollwood - bio zertifiziert, fair gehandelt, frei von Gentechnik". Hier bin ich richtig. Ich treffe Johanna Kämper. Die Projektleiterin im Bereich "Mensch und Umwelt" zeigt mir, warum das Tollwood den Namen "Kultur- und Umweltfestival" verdient.

Überall Dreadlocks. Farbenfrohe Fahnen an farbenfrohen Ständen, Pluderhosen und Kleider in allen Farben und Mustern, stolz getragen von ihren Besitzern. Lichter, Girlanden, Plakate. Lächelnde Menschen, glückliche Kinder. Und es duftet: nach Süßigkeiten, nach asiatischem Essen, nach Flammkuchen, nach Pizza. Der Sog der Atmosphäre zieht mich auf das Festivalgelände.
Auf meinem Rundgang am Tollwood-Sommerfestival, vorbei an 220 Kunsthandwerker-Ständen und über 50 Essensbuden, begleitet mich Johanna Kämper. Die 29-Jährige ist Projektleiterin im Bereich "Mensch und Umwelt". Vorbei am Kunstwerk "Family" (Bild rechts oben) schlendern wir über die verwinkelten Marktstraßen.
Das mit mehreren Preisen ausgezeichnete Tollwood feiert dieses Jahr 30-jähriges Jubiläum. Das Motto: "Miteinander". Johanna erklärt: "Wir wollen Danke sagen. Für das Miteinander zwischen uns als Veranstaltern und Gästen, Gastronomie und Künstlern. Aber vor allem das globale Miteinander und das zwischen Mensch, Tier und Umwelt zählt."
Das Tollwood ist ein "Kultur- und Umweltfestival". Seit 30 Jahren engagieren sich die Veranstalter für eine bessere Welt, menschliches Zusammenleben, Kultur, Umwelt und Nachhaltigkeit. Seit dem ersten Festival soll den Besuchern eine multikulturelle Vielfalt aus Kunst, Kultur und ökologischem Denken nähergebracht werden.
Rechts schiebt sich etwas in mein Blickfeld, das trotz der Buntheit ringsrum auffällt. Ein bemalter Hippie-Bus mit Peace-Zeichen auf der Motorhaube. Darunter ein Sticker: "Artgerecht statt ungerecht". Der Bus gehört zum Aktionsbündnis "Artgerechtes München". Damit ist das Tollwood außerhalb der Winter- und Sommerfestivals aktiv. Das Ziel: ein München, das in seinem Wirkungskreis nur Produkte aus artgerechter Tierhaltung zulässt. Finde ich gut. Ich unterschreibe und bin Teil von rund 50 000 Unterstützern.
In der Musik-Arena, an der wir vorbeikommen, ist gerade Soundcheck. Schlagzeug und Trompete hört man aus dem Klang-Wirrwarr deutlich heraus. Abends spielen Stars wie Wincent Weiss, Billy Idol oder Sido hier ihre Konzerte.

Pavillon der Artenvielfalt

Wir setzen den Weg in Richtung eines besonderen Projekts fort: dem Pavillon der Artenvielfalt. Dieser beherbergt den ökologischen Schwerpunkt des Festivals. Die Artenvielfalt. Der Grund dafür: Die Grundlage des Lebens ist in Gefahr. Der Mensch ist Verursacher eines Massenaussterbens, vergleichbar mit einer "Naturkatastrophe", erklärt Johanna.
Mitten in einem Feld aus Wildblumen steht der Pavillon. Um die Blumen fliegen so viele Insekten, wie nirgendwo sonst auf dem Gelände. Sie scheinen sehr froh über die Nahrungsquelle. Der Pavillon soll zeigen, wie alles auf der Erde verbunden ist. Anschaulich und erlebbar mit allen Sinnen durch Kunst. Und es funktioniert. Auch wenn ich es im Hinterkopf habe, wird mir hier noch einmal mehr bewusst, wie sehr wir unseren Planeten schützen müssen.
Die Veranstalter des Tollwood-Festivals formulieren es so: Das "Miteinander" sei die Antwort auf die Bedrohung. Zum Beispiel, indem wir Lebensraum und Ressourcen teilen und respektvoll miteinander umgehen. Denn nur wir können den Schaden eingrenzen.

Zur Mülltrennung animieren

Wir gehen weiter und kommen an einer der Müllstationen vorbei. Links eine Tonne für Restmüll, in der Mitte eine für Papier, rechts die Plastik-Tonne. Die Deckel sind leicht offen, gehalten von einer Eisenkette. "So funktioniert es am besten. Die Besucher müssen die Tonnen nicht anfassen, sie sind aber nicht zu weit offen, wenn es regnet", erklärt Johanna. Auch die Stände trennen den Müll. So wird der Restmüll reduziert. Das merken die Veranstalter auch finanziell. Einweggeschirr sucht man hier vergeblich. "Abgesehen vom Umwelt-Aspekt hat es eine viel höhere Wertigkeit, in Ruhe von einem Porzellan-Teller zu essen", sagt Johanna.
Verurteilen will hier niemand. "Für uns zählt die Lebensfreude." Das ist die Festivalphilosophie. "Das Gute feiern und es immer besser machen." Und diese Lebensfreude spürt man.

Übrigens: Bis 22. Juli kannst du das Tollwood-Sommerfestival im Olympiapark in München noch besuchen. Montag bis Freitag ist das Gelände von 14 bis 1 Uhr geöffnet, am Wochenende von 11 bis 1 Uhr. Der Eintritt auf das Festivalgelände ist frei. Denn das Festival will für alle da sein.

Tollwood und Umwelt

• Seit 2003 ist das Festival bio-zertifiziert. Fast 100 Prozent der Lebensmittel sind aus biologischem Anbau oder artgerechter Tierhaltung. Bio-Gastronomie erspart dem Klima - neben Vorteilen für Umwelt, Tiere und Gesundheit - Tonnen an Kohlendioxid pro Jahr.
• Foodsharing: Übrig gebliebene Lebensmittel werden an Foodsharing-Organisationen gespendet.
• Mehrweg statt Einweg bei Tellern, Gläsern, Servietten. Seit 2018 nur noch plastikfreie Strohhalme. Plastiktüten sind tabu.
• Ein großer Teil der Produkte auf dem "Markt der Ideen" sind nach den Prinzipien des Fairen Handels produziert.
• Klimafreundliche Anreise: Tollwood-Shuttle-Bus-Service, attraktive Angebote für Fahrradfahrer.
• Unvermeidbaren Ausstoß von Treibhausgasen gleicht das Tollwood mit der Klimaagentur "atmosfair" aus. Die Emissionen werden in einen finanziellen Betrag umgerechnet. Das Geld wird in Solar-, Wasserkraft oder Energiesparprojekte in Entwicklungsländern investiert.
• Gastronomie, Bühnenscheinwerfer, Tonanlagen: Seit es ihn gibt, bezieht das Festival den "M-Ökostrom aktiv" der Stadtwerke München. Ein Tarif, mit dem der Ausbau erneuerbarer Energien unterstützt wird.
• Tollwood setzt auf energieeffiziente, intelligente Heizsysteme in Zelten und nutzt sämtliche Möglichkeiten der Energieeinsparung. Energiefresser wie Heizpilze sucht man vergebens.
• Strikte Mülltrennung und Recycling: eigener Recyclinghof hinter den Kulissen.

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