[Frei]schreiben!

An der falschen Stelle gespart


Marina wohnt in Geisenhausen.

Marina wohnt in Geisenhausen.

Von Marina Oberloher

Von Marina Oberloher


Gefährliche Keime in unserem Fleisch - diese Meldung sorgte in den vergangenen Jahren häufig für Aufruhr. Warum sich die Keime im Fleisch verbergen, ist leicht zu erklären: Sie entstehen, wenn in der Tiermedizin zu häufig Antibiotika verabreicht werden. Diese werden benötigt, da in immer größeren Ställen immer mehr Tiere auf viel zu engem Raum stehen und folglich krank werden. Oft werden vorbeugend gleich alle Tiere behandelt. Doch warum kommt es überhaupt so weit und ist die momentane Situation, der die Tiere, also "unser täglich Fleisch", unterliegen, moralisch noch zu vertreten?
In der Steinzeit wurde ein Tier gejagt, erlegt und nahezu vollständig gegessen. Aus dem Fell wurde Kleidung hergestellt und aus den Knochen beispielsweise Schmuck. Vor etwa 100 Jahren haben viele Menschen ihre Tiere noch selbst gehalten. Den Überschuss an Fleisch haben sie auf regionalen Märkten verkauft. Vor rund 50 Jahren erwarb man sein Fleisch noch ausschließlich beim Metzger. Und Fleisch war nichts, was man sich jeden Tag leisten konnte. Der Schweinebraten am Sonntag war etwas Besonderes. Seitdem hat sich der weltweite Fleischkonsum verfünffacht. Ein Deutscher isst nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Fleischwarenindustrie im Schnitt pro Jahr etwa 39,2 Kilogramm Schweinefleisch, 8,6 Kilogramm Rind- und Kalbfleisch und 11,5 Kilogramm Geflügelfleisch. Das macht zusammen mit all dem anderen Fleisch, das er konsumiert, 61,1 Kilogramm - mehr als er bräuchte. Der Verbrauch des Durchschnittsdeutschen beträgt etwa 89,3 Kilogramm. Der Überschuss entsteht aus den nicht verzehrten Abfällen, darunter auch Knochen. Der Deutsche isst soviel Fleisch wie fast nie zuvor. Und er hat immer noch nicht genug. Es lässt sich mit Recht behaupten, dass in unserer Zeit Tiere mehr als Produkte, denn als Lebewesen gesehen werden.

Verbraucher wollen viel, billiges und fettarmes Fleisch
Doch warum kommt es überhaupt so weit? Auf was legt der Verbraucher noch wert? Er will vor allem drei Dinge: viel Fleisch, billiges Fleisch und nur das gute, fettarme Fleisch, also zum Beispiel die Putenbrust.

Der stetig anwachsende Fleischkonsum bringt weitreichende Folgen mit sich: Dadurch, dass die Europäer nur das Beste vom Besten, also beispielsweise bei Geflügel die Brust essen wollen, müssen mehr Tiere geschlachtet werden, als Fleisch gegessen wird. Der Überschuss, der bei uns nicht konsumiert wird, wird in arme Länder exportiert und dort zu sehr billigen Preisen verkauft. Das bedeutet Konkurrenz für die einheimischen Bauern. Auch mit dem Import von Futtermitteln richten wir laut der Arte-Dokumentation "Nie wieder Fleisch?" vom 27. März 2012 Schäden an. Die großen Mengen an Futter kommen aus Südamerika. Dort sind die Menschen arm und Kinderarbeit ist keine Seltenheit. Die Sojapflanzen, deren Soja wir importieren, werden mit giftigen Pflanzenschutzmitteln besprüht. Die sind laut Arte Schuld daran, dass in der Nähe von Sojafeldern viele Kinder mit Missbildungen geboren werden.

Aber damit nicht genug: Unsere Fleischverschwendung zerstört auch die Umwelt. Aus den Böden muss nach Angaben des Vegetarierbundes Deutschland das Letzte herausgeholt werden - durch massiven Chemieeinsatz. Diese Dünger und Pflanzenschutzmittel, sowie die Gülle der Tiere verseuchen das Grundwasser. Und viele Tiere brauchen viel Platz. Um Land für die Zucht zu gewinnen, wird der tropische Regenwald abgeholzt, was zu Flut- und Dürrekatastrophen führt. Der überhandnehmende Fleischkonsum macht auch krank. Durch ihn können beispielsweise Herz- und Kreislauferkrankungen, Rheuma, Gicht oder Alterszucker hervorgerufen werden. Woher nehmen wir Menschen uns also die Erlaubnis, den Tieren so viel Leid zuzufügen? Denken wir, wir dürfen das, weil wir angeblich intelligenter sind? Oder, weil wir zwei Beine haben? Was macht ein Leben lebenswert, dessen einziges Ziel es ist, jeden Tag fetter zu werden und die Bedürfnisse der Menschen zu stillen, eingeengt und angekettet?

Nun fragt man sich, was man als Einzelner tun kann. Auch, wenn in unserer Zeit Fleisch für eine ausgewogene Ernährung nicht mehr unbedingt notwendig ist, müssen wir nicht alle darauf verzichten. Dies wäre sogar sehr schlecht: Es würde zu einem erheblichen Überschuss an Wildtieren führen, die wiederum unsere Wälder zerstören würden. Und es sähe wohl keiner mehr einen Grund darin, beispielsweise Schweine, Rinder oder Geflügel zu halte. So würde die Artenvielfalt zerstört werden.

Ist ein leidensfreies Leben von Tieren möglich?
Viele Menschen wissen nicht, was sie essen und daran sind nicht einmal nur sie Schuld: Über die Kalorien, die wir zu uns nehmen, kann man auf fast jedem Lebensmittel etwas erfahren, über die Hintergründe jedoch meist nicht. Vor allem Kinder würden sicher auf das ein oder andere Chicken-Nugget verzichten, wenn sie wüssten, wie sehr das Hühnchen dafür leiden musste.

Aber wäre ein leidensfreies Leben von Tieren möglich? Theoretisch: ja. Praktisch: nein. Zumindest in der Massentierhaltung nicht. Leidensfreie Methoden für Aufzucht, Transport und Schlachtung für die Milliarden von Tieren, die jährlich "verarbeitet" werden, wären nicht bezahlbar.

Die leidensfreie Produktion im großen Stil ist also nicht realisierbar. Im kleinen Stil wäre sie das. Dazu müsste der Verbraucher allerdings bereit sein, weniger zu konsumieren und für sein Fleisch mehr zu bezahlen. Lieber einmal pro Woche zum Metzger, als sechs mal pro Woche in den Supermarkt!