Rolle rückwärts?
Warum die Bahn den Ulmer Bahnhof doch nicht Wochen sperrt

Stefan Puchner/dpa
Der Ulmer Hauptbahnhof wird im Januar doch nicht für vier Wochen lang lahmgelegt. (Archivbild)
Viele Bahnreisende in und um Ulm dürften aufatmen: Die Deutsche Bahn (DB) hat die geplante wochenlange Vollsperrung des Ulmer Hauptbahnhofs Anfang kommenden Jahres abgesagt. Man organisiere die Inbetriebnahme des neuen elektronischen Stellwerks neu und könne so die lange Vollsperrung vermeiden, teilte der Konzern mit.
Statt der ursprünglich geplanten vierwöchigen Sperrung zwischen dem 13. Januar und dem 6. Februar 2026 werde die Bahn im Januar während kurzer Teilsperrungen voraussichtlich rund eine Woche lang an Weichen, Gleisen und Oberleitung arbeiten. In dieser Zeit könne der Bahnhof von Zügen eingeschränkt angefahren werden, teilte das Unternehmen mit.
Als Grund für die Absage der langen Sperrung nannte die Bahn Überprüfungen, die ergeben hätten, dass möglicherweise während der Sperrzeit nicht alle nötigen Tests durchgeführt werden könnten. „Dieses Risiko für die Fahrgäste können und wollen die Verantwortlichen nicht eingehen“, hieß es.
Die Aufteilung auf mehrere Sperrphasen werde möglich, weil man das Layout des Stellwerks nochmals optimiert habe und die Abläufe zur Inbetriebnahme neu organisiere. Wann das Stellwerk nun in Betrieb gehen wird, sei noch nicht klar, so die Bahn. „Bis dahin kann der Bahnbetrieb mit dem vorhandenen Stellwerk gesteuert werden.“
Die Ankündigung der Sperrung hatte in Ulm für lautstarke Proteste gesorgt. Oberbürgermeister Martin Ansbacher (SPD) hatte die Bahn aufgefordert, die Bauarbeiten zu verschieben und vor einer Überlastung der städtischen Infrastruktur gewarnt. Auch für Bahnreisende zwischen Stuttgart und München hätte die Sperrung vermutlich größere Einschränkungen bedeutet, weil der Fernverkehr größere Umleitungen hätten fahren müssen.
Entsprechend erleichtert ist Ansbacher nun über die Entscheidung der Bahn. „Das sind wirklich hervorragende Nachrichten“, teilte der Oberbürgermeister mit. Man habe früh gegen die Pläne protestiert und sei froh, dass man gehört und ernst genommen worden sei.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sprach ebenfalls von einer guten Nachricht für Pendlerinnen und Pendler. So würden kritische parallele Engpässe auf Schiene und Straße in Ulm vermieden. Klar sei aber auch, dass das neue Stellwerk in Betrieb genommen werden müsse. „Die Verschiebung verbinde ich mit der klaren Erwartung an die Deutsche Bahn, dass der neue Inbetriebnahme-Ablauf maximal auf Fahrgastfreundlichkeit hin ausgerichtet wird und möglichst ohne langwierige Vollsperrung des Knotens Ulm auskommt“, sagte Hermann.
Auch der Fahrgastverband Pro Bahn zeigte sich erfreut, dass die Vollsperrung abgewendet ist. Es sei für Fahrgäste immer besser, wenn bei Bauarbeiten noch ein Teil des Betriebs in den Bahnhöfen aufrechterhalten werden könne, sagte ein Sprecher.
Durch elektronische Stellwerke soll der Zugverkehr der Bahn zuverlässiger und weniger störungsanfällig werden. Von den Stellwerken der Bahn sind deutlich mehr als die Hälfte in mindestens „schlechtem“ Zustand, wie aus dem „Netzzustandsbericht“ für 2024 hervorgeht. Der Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr sogar noch einmal gestiegen.
Viele der Anlagen sind mehr als 100 Jahre alt und müssen von Hand bedient werden. Die digitale Stellwerktechnik gilt als wichtiger Faktor für die mittelfristige Verbesserung der Pünktlichkeit.
In Ulm ist die Inbetriebnahme des neuen Stellwerks nach Angaben der Bahn sehr komplex, weil es dort sechs Zulaufstrecken, einen Rangierbahnhof, Reinigungsanlagen sowie Bereiche gibt, in denen Züge durchfahren und Bereiche, in denen Züge in einem Kopfbahnhof enden. Für das neue Stellwerk müssten mehr als tausend Signale und Einrichtungen neu eingebaut und aufgestellt werden. Diese müssten dann alle eingemessen, in Betrieb gesetzt und abgenommen werden.








