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1860 in Not: Ein Günther für alle Fälle

Gorenzel fungiert nach der Demission von Köllnerin einer Doppelfunktion als Geschäftsführer und Trainer. Sollte es mit dem Aufstieg bei den Sechzgern wieder nichts werden, geht es auch um seine Zukunft


Von Ruben Stark

Wenn der Münchner Berufsverkehr auf Hochtouren läuft, ist Günther Gorenzel in seinem neuen Doppelleben mittendrin.

Um acht Uhr morgens trifft der Sportchef und Interimstrainer - aktuell sogar eher umgekehrt - beim TSV 1860 an der Grünwalder Straße 114 ein. Gegen 22 Uhr fährt er wieder.

Dazwischen liegen vollgepackte Stunden für den Österreicher, in denen er die Mannschaft auf Vordermann bringen und zugleich die nächste Trainer-Dauerlösung finden soll. "Mir liegt das hier so am Herzen, ich ziehe das durch, und wenn es jetzt mal 13, 14, 15 Stunden Arbeit sind", sagt Gorenzel vor dem ersten Spiel der Post-Köllner-Ära beim VfB Oldenburg (So., 13 Uhr/Magentasport).

Gorenzel hat sich aus Überzeugung vorübergehend eine Mammutaufgabe aufgehalst, weil er just die Überzeugung in der Mannschaft nicht mehr sah. Nun versucht der 51-Jährige ("Ich hab noch ein paar alte Fußballschuhe gefunden") auf dem Rasen mit aller Vehemenz, "die Spieler an ihre Stärken zu erinnern. Es geht nicht um eine Revolution, es geht um Nuancen." Dafür provoziert Gorenzel die Löwen.

Allerdings nicht etwa, in dem er sie herumschubst, bis ihnen die Hutschnur platzt, sondern mit Trainingsformen, die zwangsläufig "das Spielverhalten verändern".

Gorenzel sucht außerdem Gespräche mit dem Team, mit einzelnen Spielern, mit den Assistenten Stefan Reisinger, Franz Hübl und Harald Huber. Er reflektiert, analysiert, durchdenkt alle möglichen Variablen, ganz wie es seine Art ist. Wenn man den sehr technisch wirkenden Gorenzel erlebt, fällt es schwer zu glauben, dass er auch mal als großer Zotenreißer durch die Kabine schreitet, alle sich vor Lachen den Bauch halten und ad hoc eine neue Leichtigkeit einzieht. Aber vielleicht muss das auch gar nicht sein. "Ich sehe mich immer als Teil eines Teams", erklärt Gorenzel.

Den Job der Stimmungskanone übernimmt eben ein anderer. Gorenzel trägt schließlich nicht nur Verantwortung dafür, dass 1860 nach einem mageren Sieg aus den letzten sieben Spielen den Trend umkehrt - die Duelle mit Oldenburg, Meppen, Verl und Halle sind wie gemacht -, er weiß auch, dass die Wahl des Köllner-Nachfolgers ein Stück seine 1860-Zukunft mit definiert. Scheitert die Zweitliga-Rückkehr, wird dies Gorenzel ebenfalls angelastet werden. Die Trainerdebatte versucht er trotzdem, so gut es geht, herauszuhalten.

Fragen beantwortet Gorenzel dazu bestenfalls allgemein. "Ich beschäftige mich nie mit nur einem Szenario, damit ich schnell einen Plan B, C oder D habe", sagt er. Das passt zu der AZ-Information, wonach Ex-Löwen-Spieler und -Trainer Marco Kurz in einem dieser Szenarien als künftiger Trainer vorkommt - oder kam. Gorenzel und der 53-Jährige pflegen ein gutes Verhältnis, die Wege kreuzten sich beruflich schon mehrfach.

Es seien, so sagen es mit dem Vorgang vertraute Personen, schon vertragliche Inhalte ausgetauscht worden. Aktuell aber gebe es keinen Fortschritt. Raus aus dem Rennen sei der Aufstiegsexperte Uwe Neuhaus. Dessen finanzielle Wünsche sollen sich monatlich in einem mittleren fünfstelligen Bereich bewegen - für Sechzig nicht darstellbar.

Von Gorenzel ist höchstens noch zu erfahren, dass er "ganz klare Vorstellungen" hat vom nächsten Löwen-Dompteur. Kein Kommentar zu den gehandelten Namen. "Ich lese seit zwei, drei Wochen überhaupt nix, habe dafür null Zeitfenster", betont der vielbeschäftigte Sportchef. Seine Konzentration gilt vor allem den Spielern: "Ich mache mir längst nicht so viele Gedanken über den nächsten Trainer wie über die Mannschaft."

Was in zwei Tagen, zwei Wochen oder zwei Monaten sei, werde ausgeblendet. Jedenfalls vor den Kulissen. Dahinter hat Gorenzel womöglich mehr auf den Weg gebracht als er zugibt.

Wenn er dann endlich das Licht im Büro ausschaltet, sind die Straßen jedenfalls nicht mehr verstopft, der abendliche Berufsverkehr ist dann schon vorbei.