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Umschöne Regelmäßigkeit: Die Löwen und ihr Führungsproblem

Der TSV 1860 ringt weiter darum, die Trendwende zu schaffen. Eine Ursache für die zu oft ausbleibenden Siege: Sechzig macht zwar oft das erste Tor, verspielt den Vorsprung aber in unschöner Regelmäßigkeit.


Führungsproblem? Günther Gorenzel (l.) und Stefan Reisinger.Mal wieder war in Oldenburg ein Vorsprung futsch: betretene Löwen-Mienen.

Führungsproblem? Günther Gorenzel (l.) und Stefan Reisinger.Mal wieder war in Oldenburg ein Vorsprung futsch: betretene Löwen-Mienen.

Von Ruben Stark

München - Was haben Rot-Weiß Essen, Waldhof Mannheim und der VfB Oldenburg in dieser Drittliga-Saison gemeinsam? Sie alle erzielten mindestens ein Tor in der Nachspielzeit gegen den TSV 1860. Und was noch? Sie alle punkteten gegen Sechzig, obwohl sie zunächst einem Rückstand hinterherliefen.

Was folgt daraus? Dass die Löwen ein gravierendes Führungsproblem haben. Sie münzen ihre gute Ausgangsposition seit geraumer Zeit viel zu selten in genügend Punkte um.

Beim Vier-Minuten-Drama am Sonntag in Niedersachsen verschafften sich Kapitän Stefan Lex und Co. schon zum fünften Mal in Serie einen 1:0-Vorteil. Der einzige Dreier in dieser Phase war das 3:1 gegen Zwickau. Der Rest: 1:1 gegen Essen, 1:3 in Mannheim, 1:2 gegen Dresden und eben jenes vermaledeite 2:2 in Oldenburg.

Interimstrainer Günther Gorenzel sah die Ursache für das Missgeschick im Marschwegstadion in der angeschlagenen mentalen Verfassung der Blauen nach den aufreibenden Wochen bis zur Demission von Michael Köllner. Besonders trat die nach dem VfB-Anschlusstreffer zu Tage, der wie aus dem Nichts gekommen war.

Sechzig verlor vollkommen die Ordnung und Orientierung. "Gerade in dieser Phase", sagte der Österreicher, "musst du dir zutrauen, den Ball besser zu kontrollieren und nicht nur gegen den Ball arbeiten. Aber das hat mit unserem momentanen Selbstverständnis zu tun, wo in der ein oder anderen Sekunde etwas Aufmerksamkeit fehlt. In den letzten Wochen hat die Mannschaft nicht hundertprozentig den Glauben an sich gehabt." Das Gefühl, jederzeit Herr der Lage zu sein, ging mit den ausbleibenden Erfolgen verloren. Das Nervenkostüm der Löwen ist fragil. Oldenburg bot dafür einen weiteren Beleg.

Schon gegen Dresden im letzten Spiel unter Köllner konnte man zusehen, wie der Mannschaft die Kontrolle über das Geschehen entglitt. Zwickau davor war zu schwach als Maßstab. In Mannheim brach das Kartenhaus nach dem Querschläger von Torwart Marco Hiller zusammen, der damit den Ausgleich begünstigte. Und gegen Essen ließ sich die Defensive der Sechzger bei einem Freistoß düpieren.

Was Gorenzel vorhat: Sich vor allem auf die positiven Aspekte zu besinnen. Etwa auf der 80 Minuten weitgehend vorhandenen Stabilität aufzubauen. "Es gilt, die guten Dinge weiter zu bestärken", erklärte der 51-Jährige. Dafür wird er sehr wahrscheinlich weiter auf Routine setzen. Mit den Fast- oder Ü-30ern Raphael Holzhauser, Quirin Moll, Marcel Bär oder eben Lex erhofft sich Gorenzel am schnellsten Besserung.

Gleichwohl steht auch in dieser Woche die Frage im Raum: Wie lange hält Gorenzels Doppelleben an? Sein mehrfacher Verweis auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten zeigte, dass die neue Dauerlösung die Bereitschaft zu finanziellen Kompromissen mitbringen sollte. Neigt Gorenzel unter den Voraussetzungen in jeder Hinsicht zu einer Variante ohne Anlaufzeit, sprich, einem Coach, der das Umfeld und ihn kennt? Wie Marco Kurz? Oder wie Torsten Fröhling, seines Zeichens blauer Relegationsheld, der in Oldenburg auf der Tribüne gesichtet wurde.

Einstweilen hakt das Thema - wie auch das Verwalten der Führungen auf dem Rasen. Helfen könnten solch unbeschwerte Aktionen wie von Erik Tallig beim 1:0. Der 23-Jährige, unter Köllner aufs Abstellgleis geraten, fasste sich einfach ein Herz, traute sich etwas zu. So wie es Gorenzel am liebsten von allen Löwen sehen möchte.

Tallig meinte: "Wir wissen, dass wir noch viele Punkte holen können. Wenn wir das schaffen, können wir noch vom Aufstieg träumen."

Das Führungsproblem zu lösen, würde helfen.