Bayern

Halbzeit für Grün-Rot in München: So steht's um die Wirtschaft

Gewerbehöfe ausbauen, Werkswohnungen schaffen, mehr Frauen in den Chefetagen, grüne Gewerbegebiete - all diese Ziele haben Grüne und SPD. Doch wie läuft es mit der Umsetzung?


Parkplätze sind für Handwerker ein großes Thema, Lieferzonen, wie hier in der Altstadt, sollen das Gewerbe unterstützen.

Parkplätze sind für Handwerker ein großes Thema, Lieferzonen, wie hier in der Altstadt, sollen das Gewerbe unterstützen.

Von Christina Hertel

Grüne und SPD haben sich - vom ÖPNV bis zum Wohnungsbau - viel vorgenommen. Leisten kann sich die Stadt diese Pläne nur, weil die Gewerbesteuereinnahmen sprudeln. Für 2023 rechnet die Kämmerei mit Einnahmen von 3,3 Milliarden Euro. Die Rathaus-Koalition weiß das. "Wir wollen nicht nur ein wirtschaftsfreundliches Klima, sondern eine klima- und menschenfreundliche Wirtschaft und ,Gute Arbeit' für alle", hieß es im Koalitionsvertrag. Doch was wurde aus den Zielen?

"Wir schlagen einen ,Munich Green Social New Deal' vor, ein sozial-ökologisches Investitions- und Konjunkturprogramm für München."

Viele Fragezeichen. Weder Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) noch die Handwerkskammer haben von so einem "Munich Green Social New Deal" schon etwas gehört.

"Wir wollen auch eine grundlegende Reform der Kriterien zur Vergabe von Gewerbeflächen. Die Punktevergabe soll zu gleichen Teilen an Wirtschaftskraft, sozialer Gerechtigkeit, Werkswohnungen und Ökologie ausgerichtet sein."

Vergangenes Jahr hat der Stadtrat beschlossen, dass Unternehmen nur noch städtische Gewerbeflächen bekommen, wenn sie ökologischen Kriterien einhalten. Es gilt eine Photovoltaik-Pflicht. Allerdings: Laut Wirtschaftsreferat gibt es kaum städtische Flächen, die die Stadt an Unternehmen vergeben könnte.

"Wir vereinbaren: Sonderprogramme zur Überplanung (...) von älteren Gewerbegebieten, mit dem Ziel, (...) dort neuen Wohnraum und mehr Aufenthaltsqualität (...) zu schaffen."

Hier ist offenbar nichts passiert. Aus dem Planungsreferat heißt es: Bestehende Gewerbegebiete umzuwandeln, verspreche wenig Erfolg, wenn dies nicht auf ausdrücklichen Wunsch der Grundstückseigentümer geschieht.

"Der Euroindustriepark soll überplant werden mit dem Ziel, dort ein neues ,Urbanes Gebiet' zu entwickeln mit konzentriertem, gestapeltem Gewerbe, bezahlbaren Wohnungen und neuen Grün- und Freiflächen."

Erste Schritte sind eingeleitet: Im März beauftragte der Stadtrat das Planungsreferat, ein Strukturkonzept für den Europark zu erstellen. Dieses bereitet gerade eine Öffentlichkeitsveranstaltung für Anwohner, Gewerbetreibende und Eigentümer vor, damit sie ihre Meinung einbringen können. Im Herbst 2023 soll die Veranstaltung stattfinden.

"Wir wollen mit neuen, auch dezentral gelegenen Standorten die Zahl der Gewerbehöfe deutlich erhöhen, diese öffnen für neue Zielgruppen wie z.B. Start-ups und dort Coworking Spaces anbieten."

Gewerbehöfe, in denen Handwerker und kleinere Firmen unterkommen, sind keine neue Idee: Es gibt schon neun Gewerbehöfe und ein Technologiezentrum, gebaut wurden sie nach und nach seit 1993.

Im Werksviertel soll der bestehende Gewerbehof durch einen Ersatzneubau weiter ausgebaut werden. Vor kurzem wies das Wirtschaftsreferat darauf hin, dass die veranschlagten Kosten von 26,3 Millionen Euro wohl nicht reichen. Außerdem plant die Stadt einen Gewerbehof in Freiham. Laut Wirtschaftsreferat sind die finanziellen Mittel für weitere Gewerbehöfe ausgeschöpft. Neue Planungs- oder Baumaßnahmen seien bis 2027 derzeit nicht möglich - außer der Stadtrat erhöht die Mittel.

"Lieferzonen werden qualitativ und quantitativ weiterentwickelt und es wird ein kommunales Modell für Lieferdienste (u.a. mit Lastenrädern und Micro-Hubs) flächig umgesetzt."

Das ist bereits in der Umsetzung: Die Stadt hat im Herbst 2022 um die 30 neue Stellplätze speziell für den Wirtschaftsverkehr geschaffen. Hier dürfen Handwerker während ihres Einsatzes, aber auch Lieferdienste parken.

Lieferparkplätze in weiteren Vierteln sollen folgen. Außerdem soll im Herbst zum Start der IAA ein "Radlogistik-Hub" am Viehhof in Betrieb gehen. Dort können Lieferdienste ihre Päckchen vom Transporter auf ein Lastenrad umladen.

"Die Stadt als Arbeitgeberin und auch ihre Töchter müssen Vorbild sein. Zentrale Punkte, die wir in diesem Bereich erreichen wollen, sind die Schaffung von mehr Werkswohnungen sowie die Vermeidung von dauerhafter Überlastung bei der Arbeit."

Für ihre eigenen Mitarbeiter hat die Landeshauptstadt München laut Planungsreferat seit 2020 unter anderem 40 Wohnungen in der Thierschstraße geschaffen. Außerdem werden Mitarbeiter etwa im Gesundheits-, und Erziehungsdienst bei der Vergabe von städtischen Wohnungen bevorzugt.

Die Stadtwerke haben sich ehrgeizigere Ziele gesetzt: Bis 2030 wollen sie 3000 Werkswohnungen bauen. Dann könnten sie fast jedem Dritten ihrer 10 000 Beschäftigten eine Wohnung anbieten. Als Nächstes werden die 85 Werkswohnungen an der Katharina-von-Bora-Straße fertig.

"Wir halten nachdrücklich an der Zielsetzung fest, eine 50-prozentige Besetzung von Führungspositionen in den obersten Hierarchieebenen mit Frauen zu erreichen."

Diese ehrgeizigen Ziele erfüllt die Stadt nicht. Tatsächlich sind die Quoten bei den städtischen Gesellschaften in einigen Fällen im Vergleich zu 2018 sogar gesunken.

Bei elf der 14 Gesellschaften wird eine Quote von 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten erreicht. Allerdings gibt es große Unterschiede: Im Flughafen sitzen nur 12,5 Prozent Frauen im Aufsichtsrat. Beim Gasteig sind es 44 Prozent. In den Geschäftsführungen sieht es schlechter aus. Hier sind nur in sechs der 14 Gesellschaften Frauen vertreten.