AZ-Serie: "Verrückte Spiele"

Als ein norwegischer Nobody den FC Bayern abschoss


Öklands zweiter Streich gegen Bayerns Keeper Manni Müller.

Öklands zweiter Streich gegen Bayerns Keeper Manni Müller.

Von Bernhard Lackner

Leverkusens bis dato unbekannter Sturm-Wikinger Arne-Larsen Ökland schenkt den Bayern 1981 drei Tore ein - eigentlich sogar vier. Aber der ehemalige Steuerrevisor ist zu ehrlich und wird dafür berühmt.

München/Leverkusen - An das alte Ulrich-Haberland-Stadion, den Vorgänger der heutigen, multifunktionalen "BayArena", dürfte Bayerns Cheftrainer Hansi Flick ganz besonders gute Erinnerungen haben.

Schließlich feierte der gebürtige Heidelberger im Rheinland am 20. November 1985 als 20-Jähriger sein Bundesliga-Debüt. Die Münchner siegten mit 2:1.

An jenes Ulrich-Haberland-Stadion und den 7. März 1981 hat der FC Bayern hingegen eher schlechte Erinnerungen. Die Münchner wurden von Bayer Leverkusen, nein von einem Mann, auseinandergenommen. Nach 25 Minuten lagen die Bayern mit 0:3 zurück. Arne-Larsen Ökland hieß der Held, erzielte einen lupenreinen Hattrick. Wer, bitte? Ökland?

Bayers Dreierpacker war ein Steuerrevisor

Nach einem Probetraining bei Bayer, initiiert von einem Kumpel, der sich als sein Berater ausgab, verpflichtete Trainer Willibert Kremer im Sommer 1980 den 26 Jahre alten Wikinger. Der betrieb Fußball nur als Hobby und kickte in Norwegens erster Liga bei Bryne IL - für umgerechnet 1.500 Euro. Im Jahr. Um wirklich Geld zu verdienen, arbeitete Ökland hauptberuflich als Steuerrevisor.

In Leverkusen lief es für den Angreifer in dessen erster Saison ganz ordentlich (unter anderem erzielte er drei Treffer gegen Borussia Dortmund), dann kam das 0:3 gegen Bayer Uerdingen, und Ex-Löwen-Trainer Max Merkel, gefürchtet scharfzüngiger Kolumnist in der "Bild"-Zeitung, schrieb: "Ökland schlurft über das Feld, dass ein Schneider ihm beim Laufen einen Anzug nach Maß nähen könnte." Der Norweger schnitt den Artikel aus, hängte ihn an die Wand. Eine Woche später reist der Tabellenzweite aus München an.

Vor nur 15 000 Zuschauern taumelt die Bayern-Abwehr. Udo Horsmann, Hans Weiner, der Norweger (!) Jan-Einar Aas, sonst meist Ersatzspieler, sowie Klaus Augenthaler bekommen Ökland nicht zu packen - 0:3. Trainer Pal Csernai wechselt "Auge", neun Jahre später Weltmeister, nach 36 Minuten aus, die Höchststrafe.

Ökland schenkt Bayern ein Phantomtor ein

Doch in der zweiten Hälfte folgt ein noch besserer "Auftritt" von Ökland, als er vor Weiner mit links volley an eine Flanke kommt und aus kurzer Distanz das Außennetz trifft. Das 4:0. Es wird zum zweiten Phantomtor der Bundesliga nach dem Schuss durchs Außennetz von Dortmunds Reinhold Wosab 1965 im Spiel gegen den Karlsruher SC. Prominente, ganz fantastische Phantomtor-Schützen wie Bayerns Thomas Helmer (1994 gegen den 1. FC Nürnberg) oder Stefan Kießling (2013 für Leverkusen bei der TSG Hoffenheim) folgten.

Schiedsrichter Udo Horeis hat seine Zweifel: "Ich habe mir gedacht, das kann doch nicht angehen. Der Ball war doch nicht drin. Oder hast du dich geirrt?" Er geht zum Linienrichter, der sagt: "Udo, ganz klar drin." Der andere Linienrichter schüttelt aus der Entfernung den Kopf: Nein, nicht drin! Die Bayern um Paul Breitner protestieren. Doch der Linienrichter mit der vermeintlich besseren Sicht beharrt auf seiner Meinung - 4:0.

Ökland gibt sein Phantomtor zu

Kurz bevor Karl-Heinz Rummenigge den Anstoß ausführen soll, spricht Ökland am Mittelkreis Schiedsrichter Horeis an. "Ich habe gesehen, dass er das Tor gegeben hat und war überrascht", so Ökland, "und weil es kein Tor war, musste ich das doch sagen." Horeis bedankt sich per Handschlag, rennt mit dem Ball zurück zum Sechzehnmeterraum von Bayern-Torwart Manni Müller und gibt Abstoß. Nur 3:0. Bayern wird 1981 dennoch Meister.

Ökland erhielt säckeweise Fan-Post und die Fair-Play-Plakette der Fifa. Ob er auch beim Stand von 0:0 so ehrlich gewesen wäre? Ökland, später mal Co-Trainer der norwegischen Nationalelf, antwortete: "Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es." Der Schelm.

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