Ausnahme am DJ-Pult
Unterwegs mit dem Kult-DJ Schinken: Der Meister der CD-Scheiben

Johannes Wiest
DJ Schinken ist in der Region für viele Musikfreunde Kult. Links und rechts von seinem Mischpult liegen zwei CD-Player, die abwechselnd Lieder spielen. So kommt es zu keiner Pause.
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Im Video erzählt idowa- und Seite 3-Redakteur Johannes Wiest, wie die Geschichte hinter diesem Türchen entstanden ist.
Thomas Gottschalk lässt ihn in dieser Nacht nicht aus den Augen: den Mann in der kurzen Lederhose, dem weißen Shirt mit der Aufschrift „Palm Springs“ und dem prägnanten Hut, der Teile seiner langen Haare bedeckt. Das Gottschalk-Abbild auf dem CD-Cover aus dem Jahr 2004 lächelt ihn aufmunternd an - so, als wolle es Anerkennung zollen. Jemandem, der die Zeit ein Stück weit zurückdreht. Dem Meister der Scheiben.
Helmut Eidenschink lacht, wenn er Bezeichnungen wie diese hört. Zwei seiner drei CD-Koffer im Arm, spaziert er am Samstag gegen 19.15 Uhr auf den Festplatz in Rain (Kreis Straubing-Bogen). Gemächlich und entspannt. Jemand wie Eidenschink ist so leicht nicht aus der Ruhe zu bringen, das wird schnell klar.
„Oha, jetz’ kommt da Cowboy“, kommentiert ein älterer Herr nach wenigen Metern und zeigt auf Eidenschinks Markenzeichen. Cowboyhüte trägt der 52-Jährige, der in Mitterfels (Kreis Straubing-Bogen) wohnt, schon lange unabhängig von seinem DJ-Dasein - wie auch seinen Spitznamen, unter dem er sich in der Gegend einen Namen gemacht hat: Schinken.
Als DJ Schinken soll Eidenschink an diesem Abend bei der 125-Jahr-Feier des Burschenvereins Rain im Barzelt auftreten - und das kommt für den Maurer im Gegensatz zum Großteil seiner Kollegen nach wie vor nur ohne Laptop infrage. „Ich bin halt einfach ein Handwerker, egal ob als Maurer Eidenschink oder als DJ Schinken.“
Während andere DJs mit ihren Laptops auf eine schier unendliche Datenbank an Liedern zurückgreifen können, keine CDs besorgen oder wechseln müssen und häufig nur dieses Gerät benötigen, ist der Kofferraum von Eidenschinks Auto voll: Er holt daraus einen Ventilator, zwei CD-Player, ein Brett, ein Mischpult, den dritten CD-Koffer und eine Tüte, in der sich unter anderem Schraubzwingen befinden.
Eidenschink besitzt geschätzt knapp 1.200 CDs
Bei Eidenschink läuft vieles noch etwas anders. Ein Biertisch muss her, an dem der DJ mit den Schraubzwingen sein Brett befestigt - in einem Winkel, in dem er einen Teil der CDs bestmöglich platzieren kann. „Ich hab da eine eigene Sortierung entwickelt“, sagt er und platziert „50 Jahre Rock“, präsentiert von Thomas Gottschalk, vor einer CD mit dem Gesicht von Florian Silbereisen. Der Großteil von Schinkens Scheiben bleibt in den drei Koffern - einer für Ballermann, einer für Rock und Oldies und einer für Deutsch und Aktuelles.
Rund 250 seiner geschätzt insgesamt knapp 1.200 CDs hat Eidenschink an diesem Abend dabei. Für den Auftritt in Rain habe er kurzfristig noch das Lied „Drinking Wine Feeling Fine“ besorgt. Er halte immer wieder die Augen offen nach neuen Hits, erklärt der 52-Jährige - ob in den Charts oder beim täglichen Radiohören in der Arbeit.

Johannes Wiest
Aufgrund der vielen Fotoanfragen hat die Freundin von Eidenschink für ihn sogar eigene Autogrammkarten entworfen.
Die CDs besorgt er sich, wenn möglich, beim Müller in seiner Nähe oder einem Mediamarkt. Allerdings: Die Auswahl in den Läden wird wie auch die Nachfrage nach CDs immer kleiner - und ist zudem noch kostenintensiv. Wie viel Geld Eidenschink bereits für seine Scheiben investieren musste, will er lieber nicht ausrechnen.
„Jetz leng’ma sche stad mal a Lunte, ha?“ Es ist mittlerweile 21.30 Uhr, der Barbetrieb nimmt langsam Fahrt auf. Eidenschink dreht sich um von seinem DJ-Pult und kramt aus seinen Koffern und vom Tisch innerhalb kürzester Zeit drei CDs hervor. „The Dome Summer 2015“, „Best Of DJ Ötzi“ und „The Dome Summer 2012“. Auf der Rückseite sind jeweils bestimmte Lieder markiert, die der DJ als besonders wichtig erachtet. „Erst Geronimo, dann Shut up an dance, dann Do Wah Diddy und dann hama an guadn Übergang für’d Bierzeltmusik.“
Hauptberuflich will der DJ nicht auflegen
Die Sicherheit einer vorbereiteten Playlist, die bei einem Laptop möglich wäre, brauche er nicht, betont Eidenschink - er stelle sie immer spontan zusammen und mache sie von der Stimmung im Publikum vor Ort abhängig. „Bei der Gisela ihrem 60ten zum Beispiel hab ich Andrea Berg rauf und runter gespielt bis 5 Uhr morgens“, sagt er und zeigt auf eine Dame. „Bei Beachpartys gibt es mehr Sommermusik und heut komm ich um den Wackelkontakt ned rum.“
Kurz nach Mitternacht will der DJ in die rockige Richtung gehen, merkt aber schnell: „Des ziagd ned so heid - im Wald klappt das besser.“ Gottschalks CD kommt also in dieser Nacht nicht zum Einsatz.
Ohnehin hat Eidenschink mittlerweile deutlich mehr Verehrer als nur das Abbild des TV-Moderators. Alle paar Minuten kommt irgendein Bekannter zu dem DJ, begrüßt ihn, will Fotos machen. In der Region ist Eidenschink für viele Kult - und auch darüber hinaus bekannt. 2014 etwa verschaffte ihm ein Freund Auftritte für Bundeswehr-Soldaten im Kosovo. „Ich bin da extra eingeflogen worden mit einem Kumpel. Als ich dann auf dem Gelände ausgestiegen bin, war das Erste, was ich höre, ein Bekannter: ,He Schinken, was treibst denn du hier?’“

Johannes Wiest
Von „Toggo Music“ über „megageil! Volume 3“ bis hin zu „50 Jahre Rock“: Helmut Eidenschink deckt mit seinen CDs viele Musikrichtungen ab.
Hauptberuflich als DJ zu arbeiten, hat Eidenschink dennoch nie in Erwägung gezogen. „Es hätt wohl schon funktioniert, aber für mich ist das ein Hobby und keine Pflicht“, sagt er. Seit der Geburt seiner Tochter und der Pandemie in der Folgezeit habe er seine Auftritte sogar noch einmal deutlich zurückgeschraubt. „Ich mache vielleicht noch 15 Auftritte im Jahr - die Familie steht an erster Stelle.“ Deshalb schiebt der DJ auch an diesem Abend mehr als nur einmal kurzfristigen Anfragen für Feste oder Hochzeiten einen Riegel vor. Ganz aufzuhören, kommt für ihn aber dennoch nicht infrage. „Du bist der geilste!“ Zwei junge Männer bejubeln seit sieben Liedern mit den immer gleichen Worten den DJ und prosten mit ihren Bechern Eidenschink zu. Zum siebten Mal in Folge gibt der DJ einen Daumen hoch - und bittet die beiden, mit ihren Getränken nicht im Bereich der Anlage zu hantieren. Eidenschink selbst trinkt an diesem Abend kaum Alkohol - spätestens seit seine Tochter geboren wurde, fährt er lieber selbst noch nach Hause und schläft nicht mehr wie früher ab und zu im eigenen Wagen.
„Ab und zu hat eine CD mal einen Hängerer“
Eine Dame streckt ihm den Bildschirm ihres Handys entgegen. Darauf ist ein Musikvideo zu sehen mit einem Titel, der lieber nicht in einer Zeitung stehen sollte. Als Eidenschink ihr erklärt, dass er mit CDs auflegt und das Lied nicht dabei hat, sieht sie erst einmal verblüfft drein. „Es kommt auch immer mal wieder vor, dass eine CD einen kleinen Hängerer hat - vor allem die älteren sind da ein wenig gefährdet“, sagt Eidenschink und lacht.
Als er als Jugendlicher in die Berufsschule in Bogen ging, kaufte sich Eidenschink seine ersten Singles. Bei 18ten Geburtstagen legte er ab und zu auf, später auf Vereinsveranstaltungen. „Als ich dann mal auf einer Sonnwendfeier aufgelegt habe, kam plötzlich ein Paar her und sagte, sie hätten die Musik auf ihrer Terrasse gehört und wollen unbedingt, dass ich auf ihrer Hochzeit spiele“, erinnert sich Eidenschink. So habe er sich nach und nach einen Ruf aufgebaut und immer mehr Anfragen erhalten.
Obwohl Eidenschink etwas kürzertreten will und er derzeit ein Haus saniert, wird er an den kommenden Wochenenden häufig im Einsatz sein. Das Abbild von Thomas Gottschalk wird DJ Schinken auch dann wieder mit einem freundlichen Grinsen betrachten. Und sich an einem der letzten DJs seiner Art erfreuen.













