Insolvenz angemeldet
Business-Netzwerk „The Grow“: Eine Landshuter Erfolgsgeschichte bekommt Risse

Alexander Schmid
Der „Businesstower“ in Ergolding. Hier sind neben anderen Firmen „Schindler Circle“ (zweite Etage) und „The Grow“ (dritte Etage) untergebracht.
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Im Video erzählt Redakteur Alexander Schmid aus der Stadtredaktion in Landshut, wie die Geschichte hinter diesem Türchen entstanden ist.
Zum Hintergrundgespräch bittet Bernhard Schindler in den „Businesstower“ nach Ergolding (Landkreis Landshut). Seltsam ist das, denn den offiziellen Firmensitz seiner Unternehmensberatung „Schindler Circle“ vermutet man eher woanders: „Schloßstraße 19, 82031 Grünwald“, steht in seiner E-Mail-Signatur.
Unter der Grünwalder Anschrift sind auch viele andere Firmen registriert. Die Immobilie wird für sogenannte „virtuelle Firmensitze“ angeboten. Geworben wird mit niedrigen Gewerbesteuersätzen - und der noblen Adresse. Das Geschäftsmodell: der schöne Schein.
Damit kennt sich Schindler gut aus. Mit „Schindler Circle“ und seinem Business-Netzwerk „The Grow“ hat er sich in den vergangenen Jahren eine öffentliche Glitzerfassade aufgebaut, die eine fast schon unglaubliche Erfolgsgeschichte erzählt. Schindler zeigt sich in einem Beitrag auf Social Media Arm in Arm mit Bundestagspräsidentin Julia Klöckner. CDU-Politiker Wolfgang Bosbach ist sogar Beiratsvorsitzender von The Grow. Schindler duzt beide öffentlich. Durch Business-Events seiner Unternehmen führt Moderator Guido Cantz, Gäste seiner Talkrunden sind Gesichter, die der Normalbürger nur aus der Zeitung oder dem Fernsehen kennt. Uli Hoeneß, Sebastian Kurz oder Karl-Theodor zu Guttenberg zum Beispiel. The Grow hatte sogar einen eigenen digitalen „TV-Sender“.
Auf Schindlers Website wird Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zitiert, dass er gerne Teil von Schindlers Netzwerk sei, ebenso Olympiasieger Fabian Hambüchen - und Ex-Trigema-Chef Wolfgang Grupp darf natürlich auch nicht fehlen. Die Promis sind die Zugpferde für Schindlers Netzwerk und Beleg für seinen Erfolg. Doch jetzt bekommt die Glitzerfassade tiefe Risse. Denn The Grow hat Insolvenz angemeldet. Der Anfang vom Ende des schönen Scheins um Schindler?
Die Nachricht jedenfalls ist Gift für sein Geschäftsmodell, für das der schöne Schein und Erfolg so wichtig sind, weil sie wiederum Investoren und Netzwerk-Mitglieder anlocken. Und: Das Insolvenzverfahren ermöglicht jetzt auch erstmals einen Blick hinter die Kulissen des Netzwerks.
Öffentlich ausgetragene Schlammschlacht
Zurück in der Wirklichkeit, im „Businesstower“ in Ergolding, Alte Regensburger Straße 26, wo Schindlers Firmen neben anderen Unternehmen zur Miete untergebracht sind: Eine Etage über „Schindler Circle“ im zweiten Stock liegen die Räume von The Grow. Das Sagen dort hat nach dem Insolvenzantrag jetzt der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter Hubert Ampferl.
Seit der öffentlichen Bekanntmachung der vorläufigen Insolvenz am 26. Juni versuchen Ampferl und seine Kollegen, das Geschäftsmodell des Netzwerks zu durchdringen: Ansprüche in welcher Größenordnung bestehen? Wie viele Darlehensgeber und Gläubiger gibt es? Und welche Werte stehen diesen Ansprüchen gegenüber?
Seit über einer Woche führen Ampferl und sein Team deshalb intensive Gespräche mit allen Beteiligten, sehen sich Unterlagen an, prüfen alle Geldströme. Einfach ist dieser Job nicht. Nach eigenen Angaben von der The-Grow-Webseite von Anfang des Jahres soll der Unternehmerclub mehr als 900 Mitglieder, 200 jährliche Events, 15 „Chapter“ weltweit und 120.000 „Start-ups im Matchmaking“ gehabt haben.
Parallel zur Insolvenz tobt eine öffentlich ausgetragene Auseinandersetzung zwischen Schindler und dem ehemaligen The-Grow-Investor Gerold Wolfarth - unter anderem öffentlich: über die Mailingliste der Mitglieder und in einer langen Erklärung Schindlers auf dessen Webseite. Wolfarth ist es, der Insolvenz für The Grow beantragt hat. Und „Mr. Network“, Bernhard Schindler, muss nun öffentlich um seine Reputation kämpfen.

picture alliance/Grow Innovation Sustainable Verwaltungsgesellschaft mbH
Bernhard Schindler stellt sich als erfolgreicher Geschäftsmann dar.
Investor spricht von ausgebliebenen Raten
Nach Darstellung von Wolfarth habe er sich als Investor wegen strategischer und persönlicher Differenzen mit Schindler aus The Grow zurückziehen wollen. Der Deal mit Schindler: Wolfarth gibt seine Anteile zurück, eine Firma aus dem Unternehmensgeflecht Schindlers zahlt ihm dafür einen Millionenbetrag in Raten. Doch nach einer ersten geleisteten Rate von 780.000 Euro im Februar 2024 sei die zweite Rate ausgeblieben.
Die Raten, die Wolfarth noch hätte bekommen müssen, belaufen sich nach Recherchen unserer Redaktion auf eine Summe über zwei Millionen Euro. Die Folge laut einer notariell beglaubigten Vereinbarung: The Grow ging an Wolfarths BK-Gruppe über. Wolfarth ließ daraufhin The Grow von Experten durchleuchten - und meldete Insolvenz an. So bestanden laut Wolfarth „erhebliche offene Steuerverbindlichkeiten“, sodass für The Grow eine Zahlungsunfähigkeit bestanden habe. „Auch aus diesem Grund blieb der BK-Gruppe nichts anderes übrig, als sofort die Insolvenzanträge zu stellen.“ Das Grow-Netzwerk begann daraufhin zu zerbröckeln. Im Zuge der Recherchen unserer Redaktion zur Insolvenz zeigte sich Schindler bereit zu einem Hintergrundgespräch zur Sache, äußerte sich später ausführlich auf seiner persönlichen Website. Dort bestreitet er die Notwendigkeit einer Insolvenz - es habe Alternativen, Angebote und Lösungen gegeben. Der Antrag sei ohne Rücksprache mit ihm erfolgt.
Er hält daran fest: Es habe keine akute Zahlungsunfähigkeit gegeben. Und die Einziehung aller Geschäftsanteile sei nur aufgrund eines Fehlers des Notars möglich gewesen. Offene Umsatzsteuerverpflichtungen seien bewusst eingeplant gewesen. „Ein Kompensationsantrag - Körperschaftssteuerguthaben gegen Umsatzsteuerlast - war beim Finanzamt eingereicht“, teilt er mit.
40 Mitarbeiter? Laut Verwalter sind es nur zehn
All diese Argumente Schindlers sowie die von Wolfarths BK-Gruppe kennt auch Insolvenzverwalter Ampferl. Man habe eine Menge Gespräche geführt, sagt er zurückhaltend. Gerade sondiere man die Lage. Das werde noch bis in den August dauern. Die gute Nachricht an der Geschichte aus Ampferls Sicht: Alle The-Grow-Mitarbeiter würden für zwei Monate Insolvenzgeld bekommen, es handle sich um eine Zahl um die zehn Beschäftigten. Weit entfernt also von den „40 Mitarbeitern“, die in einer The-Grow-Pressemitteilung zum dreijährigen Bestehen des Unternehmens vom vergangenen Jahr genannt wurden.
Auf viel Insolvenzmasse werden Ampferl und seine Kollegen - trotz angeblich über 900 Mitgliedern - wohl nicht zurückgreifen können. Daten dürfe man nicht verkaufen. Und The Grow hat nichts produziert und deshalb keine Maschinen von Wert. Außer den verbliebenen Mitgliedschaften, weniger als 300 sollen es mittlerweile sein, und Mitarbeitern bleibt nicht viel mehr übrig von The Grow. Die Website ist bereits nicht mehr zu erreichen. Der TV-Sendebetrieb ist eingestellt.
Was bleibt: der langsam verblassende Hauch von Glamour. Auf Social Media findet man weiterhin Schindlers Posts aus der Loge beim Opernball und von schillernden Events in Ellmau, dem „Tiroler Filmdorf“, wie die Gemeinde ihre Rolle als begehrte Kulisse für TV-Produktionen beschreibt. Social Media vergisst eben nichts.
Schindler plant trotzdem schon das nächste Projekt
Ein Insolvenzverwalter, der nüchtern in Zahlen denkt, ist damit aber nicht zu beeindrucken. Ob The Grow tatsächlich insolvent ist, sagt Ampferl, würden die nächsten Wochen penibler Prüfung zeigen. Und Schindler? Der plant „keinen Relaunch von The Grow“, wie es in seiner Erklärung heißt. Dort kündigte er stattdessen etwas „völlig Neues“ an. Hauptinitiator und Geschäftsführer des neuen Projekts sei sein Ehemann Jannis Brendel.
Ehemaligen Grow-Mitglieder, die ihren Beitrag im Voraus geleistet hätten, werde im Rahmen des neuen Projekts ihre bereits bezahlte Mitgliedschaftszeit „vollständig und kostenfrei gutgeschrieben“. Außerdem würden die Einnahmen aus dem Projekt „anteilig auf ein Anderkonto“ eingezahlt. Schindler: „Aus diesem Konto sollen über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren Rückzahlungen an die bisherigen Kreditgeber erfolgen.“
The Show must go on.
Schindlers Firmen: Grow, Circle, KIM
The Grow war ein Business-Netzwerk mit Sitz in Ergolding. Ziel laut Eigendarstellung: Unternehmer aus dem deutschsprachigen Raum zu vernetzen und den „Mittelstand zu stärken“. Schindler trat hier als Mastermind auf. Der frühere CDU-Politiker Wolfgang Bosbach war Beiratsvorsitzender. In einer als Anzeige gekennzeichneten Pressemeldung auf der Internetseite der Wirtschaftswoche vom 12. Juli 2024 ist von „40 Mitarbeitern“, einem eigenen TV-Sender mit mehr als „1.000 Produktionen und Millionen Zuschauern“, 121.000 Start-ups sowie „950“ Mitgliedern die Rede. Man habe ihm „zehn Millionen Euro“ für „The Grow“ geboten, so Schindler in dem Artikel. Die Zahl der Mitgliedschaften bewegte sich nach Recherchen unserer Redaktion zuletzt in einer Größenordnung von etwa 300. Es habe laut Insolvenzverwalter zuletzt auch Austritte gegeben.
Die Mitgliedschaft einer Einzelperson kostete jährlich über 4.000 Euro. Angeboten wurden auch Firmenmitgliedschaften mit mehreren Mitgliedern. Die Schindler Circle GmbH ist laut Schindler eine Unternehmensberatung. Ihr Sitz ist offiziell in Grünwald. Real operiert Schindler aus dem „Businesstower“ in Ergolding. Die Firma ist rechtlich von The Grow getrennt. Laut Website ist der Schindler Circle ein „elitärer Kreis für Unternehmerpersönlichkeiten, die mehr wollen: mehr Klarheit, mehr Wirkung, mehr Umsatz“. Hier gehe es nicht um „leere Netzwerke“. Zuvor hatte Schindler eine Plattform für betriebliche Gesundheitsförderung gegründet. Aus dem Unternehmen schied er 2020 aus.
Außerdem wollte er in Ergolding im „Businesstower“ ein Kriseninterventionsmanagement (KIM) installieren. Nach der Ankündigung mit Weihe eines Einsatzfahrzeuges, für das 17.000 Euro gesammelt wurden, verlief die Sache im Sand.









