Kerze, Glaube, Borkenkäfer

Die Geschichte der Holzkirchener Wallfahrt zum Bogenberg


Ihren Ursprung hat die Kerzenwallfahrt, die viel Kraft und Geschicklichkeit erfordert, in einem Gelübde aus dem späten Mittelalter. Damals baten die Einwohner Holzkirchens die Mutter Gottes um Gnade, als die Gegend von Borkenkäfern und Unwettern heimgesucht wurde.

Ihren Ursprung hat die Kerzenwallfahrt, die viel Kraft und Geschicklichkeit erfordert, in einem Gelübde aus dem späten Mittelalter. Damals baten die Einwohner Holzkirchens die Mutter Gottes um Gnade, als die Gegend von Borkenkäfern und Unwettern heimgesucht wurde.

Von dpa

Die Holzkirchener Wallfahrt zum Bogenberg kann auf eine über 500-jährige Geschichte zurückblicken. Mittlerweile ist sie auch Teil des immateriellen Kulturerbes in Bayern. Was hinter der Tradition steckt.

Bei schwülwarmem Wetter ziehen Pilger den Bogenberg in Niederbayern hinauf, einige Teilnehmer tragen einen 13 Meter langen und 45 Kilogramm schweren Baumstamm - die "Kerze". In Scharen säumen Zuschauer ihren Weg. Oben angekommen, feiern die Gläubigen eine Messe in der Wallfahrtskirche. Nach der Corona-Pause fand die Holzkirchener Kerzenwallfahrt zum Bogenberg an Pfingsten wieder in vollem Umfang statt. Seit 2022 steht sie zudem im Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes. Aus Sicht des Wallfahrtsleiters Thomas Haslinger hat die Veranstaltung neben ihrer mehr als 500-jährigen Geschichte auch eine gute Zukunft.

Wer seinen Glauben in der Gemeinschaft leben will, hat es nicht so leicht wie früher. Immer mehr Menschen leben säkular, die Austrittszahlen steigen. In den Kirchen bleiben während der Gottesdienste häufig Bänke leer. Zu Letzterem hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie beigetragen. Gerade bei Wallfahrten spielt aber die Gemeinschaft der Gläubigen eine wichtige Rolle.

Das hatte jüngst der Würzburger Bischof Franz Josef Jung festgestellt, nachdem er an der Wallfahrt zum Kreuzberg teilgenommen und auf der letzten Etappe das Kreuz getragen hatte. "Man schafft es wirklich nur in der Gruppe, die einen zieht und von Station zu Station Mut macht. Das war sehr schön", sagte er anschließend. Einige weitere, große Wallfahrten gibt es im Freistaat, etwa die von Regensburg nach Altötting oder den Kötztinger Pfingstritt.

Wallfahrt fußt auf Gelübde

Die Tradition der Holzkirchener Kerzenwallfahrt zum Bogenberg reicht bis ins späte Mittelalter zurück. Der Überlieferung zufolge fußt sie auf einem Gelübde, nach dem jedes Jahr ein Kerzenopfer auf den Bogenberg gebracht werden sollte - zum Dank für die Hilfe der Mutter Gottes gegen die Ausbreitung des Borkenkäfers. Die 75 Kilometer lange Wegstrecke reicht von Holzkirchen, einem Stadtteil von Ortenburg im Landkreis Passau, bis zum Bogenberg im Landkreis Straubing-Bogen.

An der Tradition halten die Wallfahrer bis heute fest, und zwar immer am Pfingstsonntag. Dann sind die "starken Männer" gefordert, die, wie es überliefert ist, die Kerze tragen sollen. Einer der starken Männer ist Thomas Haslinger. Bereits zum 34. Mal sei er 2022 mitgegangen, seit seinem 17. Lebensjahr sei er einer der Träger. "Das ist auf jeden Fall eine große Ehre", sagt der 41-Jährige. Neben ihm gibt es noch zwölf Träger. Die träfen sich in den sechs Wochen vor der Wallfahrt dreimal wöchentlich zum Training.

Das Tragen des aufrecht stehenden Stammes gleicht einer Kunst, die Kraft, Ausdauer und eine eigene Technik erfordert. Krafttraining im Fitnessstudio reiche dafür nicht aus. "Der 13 Meter lange Stamm hat eine starke Hebelwirkung. Ab einem bestimmten Winkel kann man ihn nicht mehr halten." Deswegen liefen die Co-Träger stets neben dem Träger her, um den gegebenenfalls kippenden Stamm stützen zu können, erklärt Haslinger.

Sicher ans Ziel zu kommen ist Ehrensache

Anders als bei den Trainingsläufen ist der Stamm am Wallfahrtstag mit rotem Wachs umwickelt. Das mache ihn rutschig. Außerdem steige dann die Nervosität. "Obwohl ich weiß, dass ich's kann, bin ich nervös", sagt Haslinger. Sicher ans Ziel zu kommen, ist eine Ehrensache, zudem könnte der umstürzende Fichtenstamm Schäden verursachen.

Ob sich ein geändertes Freizeitverhalten der Menschen auf Wallfahrten auswirkt? Ein Sprecher des Bistums Regensburg sieht hier keinen Einfluss. "Sie werden nach wie vor von den Gläubigen gut angenommen."

So sieht es auch Bernhard Meiler, Pilgerführer der Regensburger Fußwallfahrt nach Altötting. Vor Corona seien sie mit bis zu 4000 Menschen gestartet und drei Tage und 111 Kilometer später mit gut 7500 Leuten angekommen. Der Zug sei mehr als 3,5 Kilometer lang gewesen, und der Einzug in Altötting habe eine Stunde gedauert. 2022 seien die Auswirkungen der Pandemie spürbar und die Teilnehmerzahl kleiner gewesen. Gerade viele ältere Pilger und auch Herbergsleute blieben noch zurückhaltend. Meiler ist überzeugt, dass sich das wieder einpendeln werde. "Wallfahren ist nach wie vor beliebt."

Um 3 Uhr morgens geht es los

Es seien viele Jugendliche unter den Pilgern, aber auch evangelische Christen und solche, die aus der Kirche ausgetreten seien. Die Gemeinschaft spiele eine wichtige Rolle. Auch zwischen den Herbergsleuten und den Teilnehmern entwickelten sich Freundschaften.

Am zweiten und dritten Tage gingen die Teilnehmer morgens um 3.00 Uhr los, man könne nicht dann Pause machen, wann man will, weite Streckenabschnitte verliefen auf Asphalt und man müsse sich in der großen Gruppe zurechtfinden. "Es ist eine Strapaze", sagt Meiler, der schon seit 25 Jahren dabei ist. "Aber bei der Ankunft in Altötting, da geht einem das Herz auf."

Haslinger sagt, die Zahl der Zuschauer sei zwar stark zurückgegangen, die der Kerzenwallfahrer habe sich aber seit Jahren bei 300 bis 350 eingependelt. Nach den Corona-Pausen sei das Interesse heuer wieder da gewesen. Über mangelnden Nachwuchs könne er nicht klagen. Überhaupt seien alle Altersklassen vertreten. Das wundere ihn angesichts leerer werdender Kirchen selber. Er habe aber schon öfter den Satz gehört: "Solange ich laufen kann, gehe ich hier mit."