Interview

Er liebt die Bäume: Erwin Thoma im Interview


Erwin Thoma bezeichnet seine Zeit als Förster im Wald als "Lehrzeit". Seitdem fordert er als Autor und Unternehmer: "Wir sollten uns von der Natur einiges abschauen."

Erwin Thoma bezeichnet seine Zeit als Förster im Wald als "Lehrzeit". Seitdem fordert er als Autor und Unternehmer: "Wir sollten uns von der Natur einiges abschauen."

Erwin Thoma (58) ist österreichischer Forstwirt, Unternehmer und Autor. Während seiner fast sechsjährigen Tätigkeit als Förster im deutsch-österreichischen Grenzgebiet entwickelte sich seine Überzeugung, dass Kreislaufmuster aus der Natur geeignet sind, um drängende Umweltprobleme zu lösen. Heute baut er mit seiner eigenen Firma voll aus Holz gefertigte Häuser, die ohne Leim auskommen. Anlässlich seines jüngsten Buches sprach er mit Gäuboden aktuell über seine Idee des Bauens.

Gäuboden aktuell: Herr Thoma, Sie singen in Ihrem Buch ein Loblied auf den Wald. Was ist Ihre Motivation?

Erwin Thoma: Mit dem Klimawandel funktionieren bisherige Konzepte nicht mehr. Wir haben ein Artensterben, werden von Plastikmüll überschwemmt - wir Menschen haben die Verbindung zur Natur verloren. Die Natur würde uns aber Gegenkonzepte zur Wegwerfgesellschaft vorleben. Im Wald gibt es zum Beispiel keinen Müll, nur Kreislaufwirtschaft. Wir dürfen nicht verbrauchen und wegwerfen, sondern nutzen und recyceln. Wir müssen den Bach so sauber halten wie unseren Körper. Die Natur ist also eine gute Vorlage, um die richtigen Antworten auf unsere Zeit zu finden.

Sie preisen den Vorzug von Häusern rein aus Holz. Welchen Vorteil bietet das?

Thoma: Mehr als 50 Prozent des Energiebedarfs Deutschlands werden benötigt, um Baustoffe für Häuser herzustellen und diese Häuser zu betreiben. Eine Energiewende ohne eine Kulturwende im Bauen kann also gar nicht funktionieren. Die Welt ist kein Ort des Mangels, sondern der Fülle! In eineinhalb Stunden scheint auf die Erde so viel Sonne, wie die Menschheit in einem Jahr braucht. Wir haben nur die falschen Konzepte, die müssen wir ändern. Ich sage nicht, dass alle auf die Bäume klettern müssen, aber ich will, dass wir die Natur als verbundenen Teil unseres Lebens betrachten.

Ist Ihre Idee also, Häuser mit guter Dämmung zu bauen, so dass kein Heizsystem nötig ist - sogenannte Passivhäuser?

Thoma: Nein. Die Idee der Passivhäuser ist klug, aber es ist der falsche Weg, dieses Ziel mit Sondermüll zu erreichen. Damit rufen wir Geister, die wir nicht mehr los werden. Wir sparen zwar Heizenergie, aber durch die komplizierte Technifizierung und Bausubstanz, die wir nicht wiederverwenden, haben wir sogenannte "Rebound"-Effekte. Das heißt: Ich spare auf der einen Seite ein, brauche auf der anderen Seite aber noch mehr Rohstoffe. Davon müssen wir weg.

Verbraucht das Bauen von Vollholzhäusern nicht Unmengen an Bäumen, die wir in der Masse nicht aufziehen können?

Thoma: Wir müssen von der Schlankheit und Eleganz der Natur lernen. Ameisenhügel oder Bienenstöcke sind ökologischer als alles, was wir Menschen bauen. Werden diese Behausungen abgebaut, wird alles wiederverwendet. Da müssen wir hin. Wenn wir unsere Häuser so konstruieren - und das geht meiner Meinung nach - dass ein Haus die Rohstoffquelle für das nächste Haus ist, dann haben wir irgendwann eine zweite Rohstoffquelle, nämlich den Bestand, der rückgebaut wird. Dann habe ich immer genug. Das müsste auch für alle anderen Geräte des Alltags gelten. Wir können für E-Autos nicht das gesamte Lithium der Welt abbauen. Wenn wir alles wieder wegschmeißen und nicht nutzen, werden wir die Erde nicht retten können.

Wie wirkt sich das Leben in einem Holzhaus auf die Menschen aus?

Thoma: Schläft man in einem verklebten Raum voller Plastik, merkt das der Mensch unterbewusst. Er fühlt sich gestresst, dann schüttet das Nervensystem Adrenalin aus, das den Herzschlag erhöht. Jeder Mensch, der in einem Holzhaus schläft, spart sich in einer Nacht die Arbeit des Herzens von einer Stunde, weil das Herz ruhiger schlägt. Wenn man das macht, hat man eine höhere Lebenserwartung. Das haben uns Studien der Uni Graz bestätigt.

Bevor Sie sich im Bauwesen selbstständig machten, haben Sie als Forstwirt gearbeitet. Wie hat Sie diese Zeit geprägt?

Thoma: Das war meine Lehrzeit. Mein Großvater war Zimmerer, ich wollte sehen, wie Holzbau für Häuser funktioniert. Dann haben wir damit angefangen, weil wir überzeugt waren, dass es noch bessere Möglichkeiten gibt, mit Holz zu bauen als damals. Wir wollten die Ständerbauten und Passivhäuser überwinden.

Erfahren Sie Widerstände in Medizin und Bauwirtschaft?

Thoma: Nicht mehr. Das war anfangs ein großes Thema, aber nachdem wir unsere Erkenntnisse wissenschaftlich publiziert und belegt haben, gibt es keine Widersprüche mehr. Wir zeigen, dass unsere Häuser ohne Heizung niemals unter 18 Grad kommen. Das hat uns keiner geglaubt - aber wir haben es gemessen.