Landkreis Landshut

Bernreiter fordert: Syrer aus dem Asylverfahren herausnehmen


Landkreistags-Präsident Christian Bernreiter. (Archivfoto: Armin Weigel/dpa)

Landkreistags-Präsident Christian Bernreiter. (Archivfoto: Armin Weigel/dpa)

Von Interview: Ralf Müller

Der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU) ist tagtäglich mit den Auswirkungen des Zustroms von Asylbewerbern konfrontiert. Als Präsident des Bayerischen Landkreistags fordert er nun, Syrer automatisch, also ohne Asylverfahren, als Flüchtlinge anzuerkennen - so könnten die Behörden die restlichen Anträge schneller bearbeiten. Für die Kommunen dürften dadurch aber keine zusätzlichen Kosten entstehen, warnt Bernreiter im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Landrat Bernreiter, Sie unterstützen den Vorschlag, die Flüchtlinge aus Syrien ganz aus dem Asylverfahren herauszunehmen, um die Bürokratie zu entlasten und die Verfahren für andere Flüchtlingsgruppen zu beschleunigen. Würde das denn wirklich eine spürbare Entlastung bringen?

Bernreiter: Ich kann nur von der Erstaufnahmeeinrichtung in Deggendorf ausgehen. Von Sonntag auf Montag sind 480 Menschen gekommen, davon 282 Syrer, also mehr als die Hälfte. Die Syrer sind also die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge, die bei uns in Niederbayern ankommen.

Wäre das für die Kommunen nicht ein zusätzliches Problem, weil diese Menschen sofort sozialhilfeberechtigt wären und die Kommunen für deren Unterbringung zuständig wären?

Bernreiter: Das darf natürlich nicht zum Schwarzen-Peter-Spiel zulasten der Kommunen werden. Wir erwarten vom Asyl-Gipfel, dass man jetzt endlich eine Strategie für das Problem entwickelt. Wenn man weiß, dass die Syrer zu nahezu 100 Prozent bleiben dürfen, die Menschen vom Balkan aber zu nahezu 100 Prozent abgelehnt werden, sollte man sich für diese beiden großen Gruppen etwas überlegen. Und ein guter Vorschlag ist, die Syrer herauszunehmen, aber nicht auf Kosten der Kommunen. Für einen Übergangszeitraum müssen dann auch die Kosten für ihre Unterbringung vom Staat getragen werden.

Kann man denn so viele Unterkünfte außerhalb der Erstaufnahmelager für die Syrer überhaupt beschaffen?

Bernreiter: Auf die Schnelle könnte man die Syrer aus dem Asylverfahren nicht herausnehmen. Es muss gewährleistet bleiben, dass sie in den Asylbewerberunterkünften für eine begrenzte Zeit wohnen bleiben dürfen, sonst würden sie obdachlos. Dann würden die Städte und Gemeinden für ihre Unterbringung zuständig. Man darf deshalb nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.

Könnten dann nicht die Flüchtlinge aus anderen Ländern wie etwa dem Irak dieselbe Behandlung für sich beanspruchen?

Bernreiter: Das sehe ich so nicht. Bei allen anderen muss man schon genauer hinsehen.

Würde dann für Syrer der Anreiz, nach Deutschland zu kommen, noch größer?

Bernreiter: Es ist bekannt, dass Syrer bei uns alle aufgenommen werden. Deshalb sehe ich keinen größeren Anreiz. Wichtig ist eine europäische Lösung. Selbst der Linken-Politiker Gregor Gysi hat eingesehen, dass wir nicht alle in Deutschland aufnehmen können.

Gerade bei Ihnen in Niederbayern und entlang der Autobahn A 3 spielen sich immer wieder dramatische Szenen ab. Jetzt erst wurden auf einer Straße ausgesetzte Asylbewerber überfahren. Was könnte man tun, um diese Lage in den Griff zu bekommen?

Bernreiter: Gegen die Schleuser wird sehr viel getan. Viele sitzen in bayerischen Gefängnissen ein. Es gibt wirklich irre Geschichten. So ist ein Fahrer aus dem fahrenden Auto in ein Maisfeld gesprungen und hat die Geschleppten führerlos weiter in den Graben fahren lassen. Solche Dinge passieren leider. Ich sehe keine Möglichkeit, dies zu verhindern.

Durch die Wiedereinführung von Grenzkontrollen vielleicht?

Bernreiter: Eigentlich haben wir uns auf das Schengen-System eingestellt und schätzen es, ohne Aufenthalte die Grenzen zu passieren. Aber wenn die Zahlen so weiter steigen und das Geschehen nicht in geordnetere Bahnen kommt, muss man sich natürlich auch solche Maßnahmen überlegen.

Einerseits heißt es, der Freistaat Bayern unterstützt die Kommunen bei der Bewältigung der Flüchtlingszuströme so sehr wie kein anderes Bundesland, andererseits gibt es immer noch Klagen über mangelnde Unterstützung. Können Sie das aufklären?

Bernreiter: Was die Kosten betrifft, so werden diese in der Tat zu nahezu 100 Prozent übernommen. In der Verwaltung gibt es nach wie vor Defizite. Dort arbeiten die Menschen an und über der Belastungsgrenze. Wenn sie nicht alle so engagiert wären, wäre das System schon zusammengebrochen. Das gilt auch für Bundes- und Landespolizei. Hier müssten mehr Stellen her. Das ist das Thema.

Es wird immer wieder behauptet, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber dem Flüchtlingsansturm ändert. Sie sind als Landrat sehr nahe am Menschen. Beobachten Sie das auch?

Bernreiter: Das muss man leider so feststellen. Die Menschen sind sehr besorgt und fragen mich, wie das weitergehen soll, da kein Ende absehbar ist. Darum muss man in Berlin Antworten geben, wo man hin will.

Wie lange kann zum Beispiel Ihr Landkreis Deggendorf den Flüchtlingsstrom noch bewältigen?

Bernreiter: Alle Beteiligten arbeiten am Anschlag. Wir stellen im Herbst zwei neue Traglufthallen auf, sodass wir die eigenen Kapazitäten für Notunterkünfte auf 1 100 aufstocken. Unser ganz großes Problem sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, für die wir nach dem Gesetz Sozialpädagogen und Erzieher brauchen. Und hier ist der Markt komplett leergefegt.

Funktioniert die Weiterverteilung der unbegleiteten Minderjährigen?

Bernreiter: Seit Mai kämpfen wir für die bundesweite Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen. Das ist für den 1. Januar 2016 in Aussicht gestellt. Vorher sollte es eine freiwillige Lösung geben, die aber total versagt hat. Alle anderen Bundesländer haben die lächerliche Zahl von 99 freien Plätzen angeboten. Das hilft uns nicht weiter. Letzte Woche hatten wir in Bayern 11 300 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Am Jahresende hätten wir etwa 17 000 zu betreuen. Das ist auf keinen Fall zu schaffen. Wir erwarten deshalb, dass vor dem 1. Januar noch eine Verordnung zur Umverteilung erlassen wird.