Chamer Zeitung

Zum Crystal-Kauf schnell über die Grenze


Auf den Vietnamesenmärkten in Tschechien sind nicht nur Zigaretten, sondern auch Drogen wie Crystal oder Marihuana erhältlich. (Foto: dpa)

Auf den Vietnamesenmärkten in Tschechien sind nicht nur Zigaretten, sondern auch Drogen wie Crystal oder Marihuana erhältlich. (Foto: dpa)

Von Redaktion idowa

Von Alexandra Brückl


Furth im Wald.In Sachen Drogen ist die Provinz längst keine heile Welt mehr; Furth im Wald ist da keine Ausnahme. Marihuana oder Crystal kann man auf den Vietnamesenmärkten entlang der deutsch-tschechischen Grenze kaufen wie anderswo Wurstsemmeln, klagt MdB Marianne Schieder (SPD). Sie hat das Problem längst erkannt und den Kampf gegen die Drogen zu ihrem Thema gemacht. Dass Handlungsbedarf besteht, bestätigt ein Blick in die Statistik: Allein von Januar bis November 2011 gab es im Dienstbereich der Polizeiinspektion Furth im Wald 279 Rauschgiftdelikte. "Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung um 236 Prozent", sagt stellvertretender Dienststellenleiter Ludwig Kreitl.

Dieser Trend setzt sich entlang der deutsch-tschechischen Grenze in Richtung Norden bis Sachsen fort. Das stellen auch Georg Wilfling, stellvertretender Pressesprecher beim Hauptzollamt Regensburg, und Martin Becker, stellvertretender Inspektionsleiter der Bundespolizei in Waldmünchen, fest. Mittlerweile hat sich ein regelrechter "Drogentourismus" entwickelt.

Vietnamensmärkte locken
Dabei sind es nicht nur Einheimische, die sich auf den Vietnamesenmärkten in Tschechien ihren "Stoff" besorgen. Manche kommen bis aus Oberbayern oder Österreich zum Drogenkauf, weiß Kreitl. Und es werden immer mehr; zumindest im Norden, denn im Süden wie beispielsweise am Grenzübergang Philippsreut gibt es diese Problematik nicht. Warum das so ist, kann sich Kreitl nicht erklären. Er vermutet, dass es dort einfach weniger Vietnamesenmärkte gibt, denn ausschließlich hier deckt sich das deutsche Klientel mit Drogen - hauptsächlich Marihuana und Crystal - ein.

Der enorme Anstieg der Rauschgiftdelikte im bayerischen Grenzraum könnte aber auch eine Folge der Polizeireform in Tschechien sein. Es gab dabei nicht nur Einsparungen beim Personal, sondern auch beim Budget. Das Referat der Fremdenpolizei in Folmava zum Beispiel wurde aufgelöst beziehungsweise umstrukturiert und nach Domazlice verlagert, wie Kreitl berichtet.

Auch das tschechische Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, das für gewerblich genutzte Gebäude ebenfalls gilt, ist im Kampf gegen den Drogenhandel nicht gerade dienlich. So kann die Polizei nur mit einem richterlichen Beschluss Wohnungen und Geschäftsräume gegen den Willen des Inhabers betreten. Im Klartext heißt das, dass die tschechische Polizei erst einmal machtlos ist, wenn die Jalousien einer Marktbude heruntergelassen werden.

Dass Crystal für Privatpersonen und Dealer so leicht zu haben ist - oft als Gratisprobe beim Kauf anderer Drogen - sieht MdB Marianne Schieder als große Gefahr. Erschwerend hinzu kommt, dass es sehr schnell süchtig macht und die Menschen unglaublich entstellt. "Crystal ist eine weithin unterschätzte Droge", bringt es die Bundestagsabgeordnete auf den Punkt.

Ihrer Ansicht nach wird das Problem aber nicht ernst genommen und es sei an der Zeit, den politischen Druck zu erhöhen. Mit diversen Anfragen versucht sie gemeinsam mit ihrem Landtagskollegen Franz Schindler an diesem Thema dranzu- bleiben. Die Änderung des deutschen Arzneimittelgesetzes ist laut Schieder ein Schritt in die richtige Richtung. Seit Mitte Februar sind Arzneimittel mit einer Wirkstoffmenge von mehr als 720 Milligramm Pseudoephedrin - Ephedrin ist der Grundstoff für die Herstellung von Crystal - pro Packung verschreibungspflichtig. Außerdem müssen es Apotheken melden, wenn jemand Ephedrin, das unter anderem für die Herstellung von Hustensaft benötigt wird, in größeren Mengen abnimmt. "Diese Maßnahmen allein werden aber nicht genügen", meint Schieder. Schließlich kommt der Rohstoff für die Herstellung von Crystal oft aus Polen.

Tschechische Polizei spart
Gerade im Hinblick auf den Personalabbau bei der tschechischen Polizei - laut Schieder sind es 30 Prozent - müsse der politische Druck erhöht werden. Das deutsch-tschechische Zentrum in Schwandorf sei davon ebenfalls betroffen. Die Entscheidung auf tschechischer Seite auch hier Stellen zu streichen, hat man nicht wirklich zurückgenommen, sondern nur auf Mitte 2012 vertagt, klagt Schieder. Doch die Polizei könne nur das machen, was von der Politik ermöglicht wird. Um das Thema allgemein in den Mittelpunkt zu rücken, plant die Bundestagsabgeordnete eine Informationsveranstaltung im Landkreis Cham. Dazu soll Jupp Scheuring, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei für den Bereich Bundespolizei, geladen werden.

"Es muss unbedingt gehandelt werden und zwar auf allen Ebenen", davon ist auch MdB Karl Holmeier (CSU) überzeugt. Erst kurz vor Weihnachten waren er und Landrat Franz Löffler zu Besuch bei Polizei und Zollfahndung in Furth im Wald. Dabei sei man übereingekommen, künftig mehr auf Prävention zu setzen. So sollen Mitarbeiter von Zoll und Polizei an Schulen gehen und Jugendliche über die Gefahren von Drogen wie Crystal aufklären. Holmeier geht das nicht weit genug, er möchte hier auch die Eltern mit ins Boot holen.

Doch Prävention ist nur eine Seite; verstärkte Kontrollen und eine Gesetzesänderung auf tschechischer Seite könnten die Drogenbeschaffung deutlich erschweren. Personalabbau und Budgetkürzungen wirkten sich hier negativ aus und erforderten "gewaltige Anstrengungen" von Politik und Polizei.

Die Drogenproblematik im Grenzraum hat Holmeier bereits im Herbst vergangenen Jahres bei einem Treffen mit der Führung der TOP 09 in Prag angesprochen - und dabei festgestellt, "dass das den Tschechen gar nicht so bewusst ist".

Prophylaxe und Gespräche
"Wir müssen Wege finden, dieses Thema auf eine hohe politische Ebene zu bringen", fordert Holmeier. Er schließt nicht aus, dass die Drogenproblematik in der Grenzregion bereits bei der Klausurtagung in Wildbad Kreuth zur Sprache kommt.

MdL Dr. Karl Vetter (Freie Wähler) setzt im Kampf gegen Crystal und Co. ebenfalls auf das Gespräch mit den Tschechen. So fährt der Ausschuss für Umwelt und Gesundheit im Bayerischen Landtag, dem Vetter als gesundheitspolitischer Sprecher der Freien Wähler angehört, noch im Januar nach Pilsen und Prag. Dort will man sich mit tschechischen Abgeordneten treffen und neben Temelin und Nationalpark auch die wachsende Drogenproblematik entlang der Grenze ansprechen. Mit Prophylaxe, verstärkten Kontrollen und verschärften Drogengesetzen auf tschechischer Seite könne man das Problem in den Griff bekommen, davon ist Dr. Vetter überzeugt.

Doch zunächst gelte es bei den Tschechen erst das Bewusstsein für das Thema zu wecken. Im Sinne einer guten Nachbarschaft müsse man dabei diplomatisch vorgehen, das Ganze anstoßen und auf eine politische Ebene bringen. "Erst dann können Deutsche und Tschechen gemeinsam überlegen, was zu tun ist", meint der Landtagsabgeordnete.

Crystal sieht harmlos aus, macht aber sehr schnell abhängig und entstellt die Konsumenten. (Foto: dpa)

Crystal sieht harmlos aus, macht aber sehr schnell abhängig und entstellt die Konsumenten. (Foto: dpa)