Further Drachenstich

Einem feuerspeienden Ungeheuer auf der Spur


Bis zu fünf Meter weit schießen die Flammen aus dem Rachen des Drachen. (Foto: Thomas Linsmeier)

Bis zu fünf Meter weit schießen die Flammen aus dem Rachen des Drachen. (Foto: Thomas Linsmeier)

Von Kerstin Weinzierl

So kündet eine uralte Prophezeiung. Und tatsächlich wird Jahr für Jahr die Stadt Furth im Wald im Landkreis Cham von einem furchteinfl ößenden Drachen heimgesucht. Aber jedes Jahr wieder gelingt es dem tapferen Ritter Udo, das Ungeheuer zu töten. Der Further Drachenstich ist das älteste Volksschauspiel Deutschlands, seit mehr als 500 Jahren wird in der Grenzstadt der Drache gestochen. Vor zweieinhalb Jahren hat sich ein neuer Drache in seiner Höhle in Furth verkrochen, dessen Dimensionen alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. Es ist der größte vierbeinige Schreitroboter der Welt und hat als solcher sogar seinen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde gefunden.

Zwölf Meter Flügelspannweite

15,50 Meter lang, 3,80 Meter breit, 4,50 Meter hoch, elf Tonnen schwer und eine Flügelspannweite von zwölf Metern - wie haucht man einem solch' monströsen Gebilde Leben ein? Wie wird dieser Stahlkoloss zu einem feuerspeienden, brüllenden Ungeheuer, der in bedrohlicher Langsamkeit Schritt für Schritt die Bühne einnimmt, seine Flügel gen Himmel ausbreitet, sein Maul aufreißt, seine Pupillen zu furchteinfl ößenden Schlitzen verengt, am Ende Unmengen an Blut verliert und in sich zusammensackt? Freistunde gewährt einen Einblick in die Konstruktion und die Funktionsweise dieses feuerspeienden Ungeheuers. Unter der Leitung von Spezialisten der Firma Zollner Elektronik aus Zandt im Landkreis Cham vereinigten sich mehr als 35 Projektpartner, um das Hightech-Ungetüm zu realisieren: Hollywoods Effekt-Spezialisten von Magicon waren ebenso dabei wie führende Mechatronik- und Metallbaufirmen bis hin zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik. Von der Idee im Jahr 2001 bis zur Umsetzung des Projekts, das schließlich 2,3 Millionen Euro kostete, vergingen neun Jahre. Am 31. Juli 2010 zeigt Tradinno, eine Wortkreation aus den Begriffen Trad-ition und Inno-vation, erstmals all sein Können. Ein Vier-Zylinder-Turbodieselmotor mit einer Leistung von 140 PS und einem 43-Liter-Tank treibt den Drachen an, der eine maximale Geschwindigkeit von 1,8 Kilometern pro Stunde erreicht. Stolz sind die Entwickler auf den Vierbeingang: Er gleicht dem parallel versetzten Gang eines Hundes, auch Kurven sind für Tradinno kein Problem. Während des Schreitens bewegt das ausgeklügelte System automatisch Hals, Kopf und Schwanz entsprechend der Schrittabfolge, um so den Eindruck einer möglichst natürlichen Gehbewegung eines Tieres nachzuahmen.

Tradinno zeigt Gefühle

Den Entwicklern ist es außerdem gelungen, dem Giganten ein Gefühlsleben einzuhauchen. So kann Tradinno seine Pupillen je nach Gefühlslage zu schmalen Schlitzen verengen oder angriffslustig aufreißen. Dank seiner beweglichen Mimik zeigt Tradinno, ob er Schmerzen hat oder wütend ist. Das Pulver "Lycopodium" sorgt dafür, dass der Drache aus seinem Maul Feuer spucken kann. Diese Flammen werden bis zu fünf Meter lang. Lycopodium, auch als Hexenmehl bekannt, kam schon im Mittelalter bei magischen Ritualen und Zauberei zum Einsatz, um Explosions-Effekte zu erzielen. Heute wird das Pulver vor allem von Feuerspuckern sowie im Show- und Filmbereich verwendet. Das Blut, das die Zuschauer zu sehen bekommen, wenn Ritter Udo den Drachen tötet, kommt aus der Zunge: 80 Liter rote Lebensmittelfarbe verbergen sich darin.

Während Tradinnos Vorgänger mit einem Gabelstapler im Drachenbauch mechanisch bewegt wurde, hat der neue Drache ein Roboter-Innenleben aus Aluminium, Kunststoff und kilometerweise Kabel. Gesteuert wird er von vier Personen, ausgerüstet mit eigens entwickelten Funkfernsteuerungen. Keine leichte Aufgabe, schließlich sind während einer Vorstellung bis zu 1.500 Menschen in direkter Nähe des Drachen. All die technischen Raffinessen lassen Tradinno so lebensecht wirken, als wäre in Furth tatsächlich ein "grauenvolles Untier" aus vergangenen Zeiten und nicht ein Roboter zum Leben erweckt worden. Bleibt abzuwarten, wann der Further Drache auch noch fliegen kann.


+ + + Tradinno live erleben + + +

Wer den Drachen Tradinno live erleben möchte, sichert sich entweder Karten für den Further Drachenstich vom 2. bis 18. August 2013 (Informationen unter www.drachenstich.de) oder besucht ihn in seiner Drachenhöhle in Furth im Wald, die von Ende April bis Oktober jeweils dienstags bis donnerstags von 10.30 bis 16 Uhr geöffnet ist (Telefon 09973/509-80, www.further-drache.de). Im Internet sind unter www.tradinno.de viele Bilder vom Bau des Drachens zu finden und auf YouTube gibt es etliche Videos.

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Früher war der Drache ein Freund der Menschen, doch dann brachte er Tod und Verwüstung. (Foto: Thomas Linsmeier)

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Das Innenleben des größten vierbeinigen Schreitroboters der Welt. (Foto: Thomas Linsmeier)

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Eine Tonne wiegt die Haut, mit der der Further Drache überzogen wurde. (Foto: Thomas Linsmeier)