Chamer Zeitung

Zwölfmal muss der Drache sterben


Die Unschuld eines Kindes zähmt den Drachen: Seit 2010 setzt ein 16 Meter langer Roboter die über 500-jährige Tradition in Furth im Wald fort.(Foto: tl)

Die Unschuld eines Kindes zähmt den Drachen: Seit 2010 setzt ein 16 Meter langer Roboter die über 500-jährige Tradition in Furth im Wald fort.(Foto: tl)

Von Redaktion idowa

Von Thomas Linsmeier

Langsam schiebt sich ein riesiger Kopf durch die Rauchschwaden. Die Gestalt nimmt Formen an. Der gewaltige Drache stapft in die Arena auf dem Stadtplatz von Furth im Wald im Landkreis Cham. 16 Meter lang, knapp fünf Meter hoch, elf Tonnen schwer. Ein Raunen geht durchs Publikum bei der Hauptprobe am Montagabend, der eigentlich nur Further beiwohnen. Sie kennen ihren "Tradinno". Und dennoch erstaunt er selbst im zweiten Jahr seiner Existenz immer wieder. Nicht nur die Further. Der Hauptdarsteller von Deutschlands ältestem Volksschauspiel ist der weltweit größte Schreitroboter auf vier Beinen.

Ab Freitag ist "Tradinno" (eine Wortsymbiose aus Tradition und Innovation) wieder im Festspiel "Der Drachenstich" in Furth im Wald zu erleben. Zwölfmal wird in der Arena im Herzen der kleinen Grenzstadt, die 1500 Zuschauern Sitzplätze bietet, die Geschichte vom Kampf des Guten gegen das Böse erzählt.

Zeit der Hussitenkriege
Dafür werden die Besucher mit ins Jahr 1461, in die Zeit der Hussitenkriege genommen: Furth im Wald leidet wie der gesamte Grenzwinkel unter Armut. Soldaten aus Böhmen und Bayern unterdrücken das Volk auf ihren Wegen zu den Schlachtplätzen. Dazwischen die junge Schlossherrin von Furth. Sie ist für die Armen, die Bürger, die Flüchtlinge wie ein Fels in der Brandung. Doch auch die "Ritterin", wie sie vom Volk anerkennend bezeichnet wird, scheint machtlos gegen die Brutalität der Grenzüberfälle, die Intrigen der Mächtigen, gegen Tod und Elend.

In einer grandiosen, rund zweistündigen Inszenierung sehen die Zuschauer packende Kämpfe und emotional mitreißende Szenen. Sie lernen aber auch viel über das Leben im ausgehenden Mittelalter. Unter anderem, was es mit den Hussitenkriegen auf sich hat. Und vor allem auch, dass Intoleranz und Fanatismus die Basis für Krieg und Elend bilden.

Ritter gegen Drache
Genau daraus entsteht das Böse im Drachen. Er, einst ein friedliebendes Urtier, wird durch die Gewaltbereitschaft des Menschen zum Monster. Nur ein Ritter, der stets ehrenvoll gelebt hat, kann gegen ihn siegen. So kommt es am Ende des Spiels zum apokalyptisch anmutenden Showdown zwischen Drache und Ritter...

Ebenso lang wie das Drachenstechen hat in der Grenzstadt die alljährliche Wahl zweier junger Further zum Ritterpaar Tradition. Heuer verkörpern Steffi Franz und Markus Späth diese Rollen. Sie stehen mit einem rund 150-köpfigen Ensemble auf der Bühne. Am Ende der Vorstellung reitet der 20-Jährige gegen den riesigen Roboter an, wirft eine Lanze ins Drachenmaul und rammt ihm nach einem Kampf sein Schwert in den Kopf. So will es in Furth im Wald seit über 500 Jahren die Tradition. Und wohl nirgendwo treffen dabei Vergangenheit, Gegenwart und - dank Tradinno - auch Zukunft so intensiv aufeinander wie im Herzen der kleinen Stadt an der bayerisch-böhmischen Grenze. Sie ist in den kommenden zwei Wochen das Tor ins Mittelalter, das wieder zum Leben erweckt wird.

www.drachenstich.de null