Cham

Bautechniker im Rollstuhl: Trotz guter Qualifikation will ihn keine Firma einstellen


Der Arbeitskreis "Landkreis Cham Inklusiv" nimmt sich der Probleme behinderter Mitmenschen an.

Der Arbeitskreis "Landkreis Cham Inklusiv" nimmt sich der Probleme behinderter Mitmenschen an.

"Ich will nach meiner beruflichen Qualifikation beurteilt werden und nicht nach meiner Behinderung." Jochen Oswald, nach einem Sturz vom Dach seit 2011 querschnittgelähmt, tut sich schwer, eine Stelle als Bautechniker zu finden.

Sein Schicksal kam am Dienstagabend beim im Kolpinghaus tagenden Arbeitskreis "Landkreis Cham Inklusiv" zur Sprache, der sich mit der Situation von Menschen mit Behinderung in Ausbildung und Arbeitsleben auseinandersetzte.

Es hagelt nur Absagen

Wenn potenzielle Arbeitgeber hören, dass er im Rollstuhl sitzt, erzählte Oswald, schwinde ihre Bereitschaft, ihn einzustellen. Schließlich müsse er als Bautechniker die Treppe zum Firmengebäude überwinden können, wird argumentiert. Dabei wäre der Bau einer Rampe für den Arbeitgeber kein finanzielles Problem, denn der Staat zahlt dazu, wenn ein barrierefreier Arbeitsplatz geschaffen wird. Und als Bautechniker, sagt Oswald, könnte er den Großteil seiner Arbeit vom Büro aus erledigen. Rund 25 Bewerbungen habe er geschrieben, seit er im Februar 2015 die Ausbildung zum staatlich geprüften Bautechniker erfolgreich abgeschlossen hatte - bisher erfolglos. Dabei möchte er unbedingt arbeiten. Auch um Geld zu verdienen. Beispielsweise für einen Treppenlift. Beim Badumbau in seinem Haus hat er, trotz Rollstuhl, bereits selbst Hand angelegt.

Prozente sagen wenig


Warum bekommen hochmotivierte Menschen wie Jochen Oswald in einer Zeit, da Firmen händeringend Fachkräfte suchen, keine Chance? Viele Unternehmen scheuten einfach den bürokratischen Aufwand, berichteten Mitglieder des Arbeitskreises. Andere befürchteten, sich mit einem behinderten Mitarbeiter einen Klotz ans Bein zu binden, den sie nicht mehr loswerden. Manche Firmen wüssten gar nicht, dass es staatliche Unterstützung bei Maßnahmen zur Inklusion gibt. Dieses Informationsdefizit bestätigte Christian Moore vom Integrationsfachdienst. Zudem wüssten viele nicht, dass ein Grad der Behinderung von 50 Prozent nicht automatisch bedeutet, dass der Mitarbeiter nur zu 50 Prozent leistungsfähig ist.

Was viele Behinderte nicht nachvollziehen können: dass es oft sehr lange dauert, bis sie bei Behörden mit ihren berechtigten Anliegen zum Zug kommen. Rosa Braun von der Kontaktgruppe Schwerhörige erzählte von so einem Fall. Eine junge, unter Schwerhörigkeit leidende Auszubildende benötigte an ihrem Arbeitsplatz eine spezielle Anlage, damit sie Telefongespräche führen konnte. Es dauerte fast eineinhalb Jahre, bis sich die Ämter über Antragstellung und Zuständigkeit einigen konnten und die Anlage endlich zur Verfügung stand. Wobei das ohnehin nur möglich war, weil es im Unternehmen eine hohe Bereitschaft gab, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Letztlich seien sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmerin hochzufrieden, berichtete Braun. Und das sei in solchen Fällen die Regel, behauptete sie: Denn behinderte Menschen seien bestrebt, ihre Defizite auszugleichen und somit hoch motiviert.

Auch wenn im Arbeitskreis manch kritisches Wort über die zum Teil für die Betroffenen überaus schwierige Situation am Arbeitsmarkt fiel, es gab auch positive Rückmeldungen. So stellte Manfred Pankow fest, er habe nach einer Beinamputation 1986 ohne größere Probleme einen Arbeitsplatz gefunden und hätte auch keinerlei Schwierigkeiten mit Behörden gehabt. Jochen Oswald zeigte sich dankbar für die stete Begleitung durch das Arbeitsamt, das ihm viele Optionen aufgezeigt habe.

Aufgeschlossenheit "ausbaufähig"


Der Weg zu einem für Menschen mit Behinderung frei zugänglichen Arbeitsmarkt, so wie es in einer UN-Behindertenrechtskonvention festgelegt ist, sei mühsam, stellte der Leiter der offenen Behindertenarbeit im Landkreis, Andreas Bückert, zusammenfassend fest. Derzeit sieht er ein gemischtes Bild: Es gebe einige der Beschäftigung von Behinderten gegenüber aufgeschlossene Firmen, aber auch andere, bei denen diese Aufgeschlossenheit "ausbaufähig" sei. Alle Interessierten und Beteiligten lud er zum Dialog ein.

Info

Im April 2015 waren laut Arbeitsmarktbericht 1 956 Personen im Landkreis Cham ohne Beschäftigung, darunter 226 (11,6 Prozent) schwerbehinderte Menschen. Ein Jahr zuvor hatte diese Quote noch bei 17,2 Prozent gelegen. "Es gibt also im Landkreis Cham die Bereitschaft, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen", deutete Andreas Bückert die Zahlen.