Politik

Präventivhaft für Klima-Kleber: Eines Rechtsstaats nicht würdig

AZ-Redakteur Tobias Lill hält das Konzept der Präventivhaft für problematisch.


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Von Tobias Lill

Es war eine der größten Demos der jüngeren bayerischen Geschichte: Mehr als 30 000 Menschen gingen 2018 gegen das Polizeiaufgabengesetz (PAG) auf die Straße - letztlich erfolglos. Die Regierung justierte kaum nach. Nirgendwo in der Republik haben die Sicherheitskräfte seither so enorme Machtbefugnisse wie im Freistaat. Viele Experten warnten bei der Novellierung des PAG vor einer bayerischen Super-Polizei und einem Überwachungsstaat. Fakt ist: Noch immer kann die Polizei jemanden prophylaktisch längere Zeit in Gewahrsam nehmen, nur weil Beamte glauben, diese Person könne eine "Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder eine Straftat verhindern". Als ob sie eine Glaskugel hätten. Nach einem Tag muss zwar ein Richter zustimmen. Theoretisch kann dieser nach 30 Tagen die Präventivhaft diese aber sogar auf bis zu zwei Monate verlängern. Zuletzt traf es vor allem Klimaaktivsten - wegen angeblicher Wiederholungsgefahr. Jemanden wochenlang wegzusperren für eine Tat, die er nicht begangenen hat und vielleicht nie begehen wird? Das sollte in einem Rechtsstaat nur bei Terror oder drohenden Kapitalverbrechen möglich sein. Und nicht, wenn jemand seine Meinung kundtut - wenn auch auf äußerst ungeeignete Weise. Und noch ein weiterer Aspekt des Gesetzes ist problematisch: Bayerns Polizei kann Dank des PAG bereits bei "drohender Gefahr" und nicht wie vor der Novellierung erst "bei konkreter Gefahr" tätig werden. Die Beamten können präventiv Telefone abhören, Chat-Verläufe oder die Post eines möglichen Straftäters mitlesen, wenn sie glauben, jemand werde bald straffällig. Seit 2021 gilt dies zwar nur noch für "überragend wichtige Rechtsgüter" wie Leben, Freiheit oder Angriffe auf die Infrastruktur. Doch noch immer ist der Begriff "drohende Gefahr" so schwammig formuliert, dass er aus Sicht von Kritikern zur Polizeiwillkür einlädt. Höchste Zeit hier nachzubessern!

Protestierende bei einer Demo gegen das PAG im November vergangenen Jahres.

Protestierende bei einer Demo gegen das PAG im November vergangenen Jahres.