Großbritannien

Mays Brexit-Fiasko - Das sagen Betroffene


Die Entscheidung im Unterhaus gegen den Brexit-Deal wurde in den sozialen Netzwerken heiß diskutiert - wir haben einen Überblick der Reaktionen zusammengetragen. (Symbolbild)

Die Entscheidung im Unterhaus gegen den Brexit-Deal wurde in den sozialen Netzwerken heiß diskutiert - wir haben einen Überblick der Reaktionen zusammengetragen. (Symbolbild)

Von Stefan Karl

Die krachende Niederlage für den Brexit-Deal im Londoner Unterhaus am Dienstagabend wird wohl nicht nur in den Konservativen Partei Großbritanniens ihre Spuren hinterlassen. Zahlreiche, teils emotionale Reaktionen gab es in den sozialen Medien auf beiden Seiten des Kanals zu der Zweidrittelmehrheit gegen den von Theresa May ausgehandelten Vertragsentwurf.

Wir haben ein erstes Stimmungsbild eingeholt - unter den Menschen, die den Fortgang des Brexit-Prozesses sozusagen in eigener Sache verfolgen: Briten, die bislang dank EU-Freizügigkeit auf dem europäischen Kontinent leben und arbeiten - und EU-Bürger, die sich im Vereinigten Königreich ein Leben aufgebaut haben. Für beide Gruppen gibt es keine klare Ansage, wie ihre Lage in einer Europäischen Union ohne Großbritannien aussehen wird - seit mehr als 900 Tagen.

Emma Burgess, Engländerin in Landshut

Als "Comedy" bezeichnet die Landshuterin Emma Burgess das Hin und Her beim Brexit. Die gebürtige Engländerin lebt seit über 20 Jahren in Deutschland. Gleich nach dem Brexit-Votum 2016 beantragte sie zusammen mit ihrem Mann David die deutsche Staatsbürgerschaft. Mittlerweile haben beide einen britischen als auch einen deutschen Pass. "Es wäre vernünftiger, jetzt ein zweites Referendum zu machen, weil viele langsam aufwachen und merken, dass sie einen Brexit und seine Folgen gar nicht wollen", so Burgess. Aus ihrem Freundes- und Verwandtenkreis von der Insel wolle kaum noch jemand über das Thema mit ihr sprechen. "Die meisten finden das peinlich."

Joshua Bailey, Engländer in Straubing

"Es kann nur schlecht für Großbritannien ausgehen, da die EU keinem guten Deal zustimmen will, weil sonst andere noch-EU-Länder wie Frankreich folgen würden. Die einzige andere Möglichkeit ist ein harter Brexit, was Großbritannien in allen Bereichen schaden wird.

Mich persönlich trifft es ein bisschen härter: ich muss schauen, dass ich vor dem 30. März meine deutsche Staatsangehörigkeit bekomme sowie einen deutschen Führerschein. Da ich schon eine Weile hier bin sollte das aber hoffentlich nicht zu schwierig sein."

Colin Macpherson (48), Schotte in Straubing

"Eine enorme Niederlage für Theresa May, die höchste Niederlage für eine Regierung seit fast 100 Jahren. Aber unter dem Strich hat sich noch nichts geändert, im Gegenteil wird noch mehr Zeit verschwendet, während EU Bürger seit über 930 Tagen immer noch nichts über ihre Zukunft wissen. Es wird jeden Tag klarer, dass Schottland in dieser Union ignoriert wird und die Zukunft in der Unabhängigkeit liegt."

Ellen Höfer, Deutsche in Glasgow

"Für eine Deutsche, die Schottland seit über 10 Jahren als Ihre Heimat ansieht, macht das Scheitern von May's Brexit Deal viel Sinn - Großbritannien verhält sich zusehends enttarnend kleingeistig und die einzige Hoffnung auf Besserung für uns Europäische Inselbewohner ist und bleibt die schottische Unabhängigkeit als ebenbürtiges Partnerland innerhalb Europas, anstatt eines Brexits jeglicher Art.

Vereingt ist dieses Königreich nur noch in Namen, jedoch zeigt sich endlich auch auf internationaler Ebene, dass echter Wille zur demokratischen Integrität, Inklusion und des Europa-orientierten Fortschitts nur noch hier in Schottland, fernab Londons Tollwut, vorzufinden ist."

Ross Hamilton, Irland

"Viele Brexit-Befürwörter sagen, dass es kein neues Brexit-Referendum geben sollte, weil die Menschen schon einmal abgestimmt haben und das Demokratie sei. Wenn das so ist, warum sollte es dann überhaupt noch regelmäßige Wahlen geben? Dann könnten wir auch da einmal abstimmen und dann nie wieder wählen."

Patrick Donoghue (46), Schotte in Deutschland

"Aus meiner Sicht machen die gegenwärtigen Ereignisse die Notwendigkeit deutlich, dass Schottland eine unabhängige Nation wird. Ich will nicht, dass Schottland - das mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt hat - gegen seinen Willen die EU verlassen muss. Genauso wenig will ich, dass England gegen seinen Willen drinbleiben muss. In den deutschen Medien ist viel von falschen Behauptungen die Rede, die die Abstimmung über den Brexit möglicherweise entschieden haben. Gleiches gilt aber auch für das Referendum über die schottische Unabhängigkeit, bei dem viele Schotten für den Verbleib im Vereinigten Königreich gestimmt haben, um damit EU-Bürger bleiben zu können."

Steve Reid, London

"Wir haben die besten Geheindienste, Cyber Unit, die größten militärischen und handwerklichen Fähigkeiten - kein Deal wird ihnen (der Europäischen Union, Anm. d. Redaktion) mehr weh tun als uns. Ja, finanziell wird es uns hart treffen, aber wir werden uns davon erholen und als freie, unabhängige Nation neue Verträge aushandeln."

Jane Somers (46), Scottish Borders

"Politisch engagiert habe ich mich erstmals 2014 während des Referendums über die schottische Unabhängigkeit. Ich kam zu dem Schluss, dass ein unabhängiges Schottland für mich, meinen Mann und unsere vier Kinder die besten Zukunftsaussichten bieten würde. Eine ähnliche Recherche habe ich zum EU-Referendum 2016 angestellt und war schockiert von dem Ergebnis. Am nächsten Morgen war es schwer, europäischen Eltern auf dem Schulhof in die Augen zu sehen. Die Abstimmung im Unterhaus hat mir Hoffnung gegeben. Ich hoffe, dass der Verstand über die Stimmungsmache siegen wird und dass Nicola Sturgeon die Gelegenheit wahrnehmen wird, ein zweites Unabhängigkeitsreferendum anzustreben. Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen den fremdenfeindlichen Westminster-Parlament und Schottland - für uns sind alle Menschen gleich ('we are all Jock Tamsen's Bairns')."