Glyphosat

EU-Behörde behauptet: Pflanzengift wahrscheinlich nicht krebserregend


Seit Jahren protestieren Ärzte und Umweltschützer gegen den US-Agrarkonzern, der glyphosathaltige Spritzmittel unter dem Markennamen Roundup auf den Markt bringt.

Seit Jahren protestieren Ärzte und Umweltschützer gegen den US-Agrarkonzern, der glyphosathaltige Spritzmittel unter dem Markennamen Roundup auf den Markt bringt.

Von Manfred Fischer / Onlineredaktion

Das Pflanzenschutzmittel Glyphosat ist ein weit verbreitetes, aber umstrittenes Hilfsmittel in der Landwirtschaft. Verursacht der Stoff Krebs oder nicht? Die neue Einschätzung einer EU-Agentur sorgt für Aufruhr.

Das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat ist nach Einschätzung der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) wahrscheinlich nicht krebserregend. Ein Expertengremium sei zu dem Schluss gekommen, dass der Stoff vermutlich keine krebserregende Bedrohung für den Menschen darstelle, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Gutachten. Umweltschützer und Grüne reagierten empört, die Branche begrüßte die Stellungnahme. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO (IARC) hatte das Mittel noch Ende Juli als wahrscheinlich krebserregend eingestuft.

Die Zulassung des Mittels in Europa war bis Mitte 2016 verlängert worden. Experten der EU-Staaten sollen auf der Basis des Efsa-Gutachtens - und auf Vorschlag der EU-Kommission - bis dahin über eine Neuzulassung entscheiden. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, seine Behörde werde das Gutachten nun prüfen. Die Efsa hat nur den Wirkstoff Glyphosat bewertet. Über die Zulassung von Produkten, in denen er enthalten ist, müssen die EU-Staaten am Ende entscheiden.

Zweifelhafte Expertise?

Die Efsa-Fachleute schlagen vor, einen neuen Grenzwert für die akute Aufnahme von Glyphosat, zum Beispiel während einer einzigen Mahlzeit, von 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht festzulegen. Damit werde "die künftige Bewertung potenzieller Risiken durch Glyphosat" verschärft, sagte José Tarazona, Leiter des Referats für Pestizide der Efsa. Bisher gibt es nur einen Grenzwert für die tägliche regelmäßige Aufnahme des Stoffes - dieser soll laut Efsa-Empfehlung von 0,3 auf 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht erhöht werden.

Doch was ist von solchen Empfehlungen zu halten? Die Glaubwürdigkeit der Efsa wird immer wieder in Zweifel gezogen. Die Organisation Lobbycontrol verweist darauf, dass die Mehrzahl der Fachleute "parallel Posten beziehungsweise Verbindungen zu Lobbyverbänden der Lebensmittelindustrie beziehungsweise den Lebensmittelkonzernen" haben. Es sei mehr als fraglich, ob die Efsa "nur für das Allgemeinwohl handelt". Das Europäische Parlament verweigerte der Efsa im Jahr 2012 die Haushaltsentlastung. Begründung: deren enge Verflechtung mit der Industrie. Lobbycontrol beschreibt eine Reihe von Fallbeispielen, die die Efsa im Zwielicht erscheinen lassen.

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WHO-Studie: wahrscheinlich krebserregend

Der Unkrautvernichter steht seit längerem unter Krebsverdacht, die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO (IARC) hatte das Mittel Ende Juli in einem Bericht als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Die Efsa erklärte, sie haben diesen Bericht mit in ihre Bewertung einbezogen, sei aber zu einer anderen Schlussfolgerung gelangt, auch, weil sie eine Reihe anderer Studien mit einbezogen habe. "Was die Karzinogenität betrifft, so ist es unwahrscheinlich, dass dieser Stoff krebserregend ist", sagte Tarazona.

Ursula Lüttmer-Ouazane von der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat, in der mehrere Pestizid-Hersteller organisiert sind, zeigte sich erfreut: "Glyphosat ist ein wertvoller Baustein einer modernen und nachhaltigen Landwirtschaft", kommentierte sie.

Die Grünen verurteilten den Efsa-Bericht hingegen scharf. Der Europaparlamentarier Martin Häusling forderte: "Keine Wiederzulassung ohne Klärung aller offenen Fragen und bis dahin Anwendungen aussetzen."

Auch Umweltschützer reagierten enttäuscht. "Würde Glyphosat verboten, wäre die industrialisierte Landwirtschaft, die ohne den massiven Einsatz von Spritzmitteln nicht auskommt, grundsätzlich infrage gestellt", kommentierte der BUND. Greenpeace kritisierte, die Efsa habe sich auf unveröffentlichte Studien der Glyphosat-Hersteller gestützt.

Glyphosat ist weltweit einer der am meisten eingesetzten Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln. Auch in Deutschland wird er in der Landwirtschaft und im Gartenbau vor der Aussaat zur Unkrautbekämpfung verwendet.