AZ-Konzertkritik

Cher in der Olympiahalle: Die größte aller Diven liefert immer noch


Cher mit gegenderten antiken Kriegerinnen und Kriegern live in der Olympiahalle.

Cher mit gegenderten antiken Kriegerinnen und Kriegern live in der Olympiahalle.

Von Bernhard Lackner

Alterslose Amazonin des Pop: Cher rockt München und reißt trotz ihrer 73 Jahre die Besucher in der Olympiahalle von den Sitzen - die AZ-Konzertkritik.

München - Es läuft eine Videoshow mit Bildern aus einem halben Jahrhundert Cher. Der Eröffnungsvorhang fällt - und da tanzt sie, die größte aller lebenden Diven. Mit einem krachenden "Woman's World" zeigt Cher inmitten von tanzenden Gladiatorinnen gleich zu Beginn des Konzerts in der Olympiahalle, wo der Hammer hängt. Beim zweiten Song des Abends - "Strong enough" - singen schon 10 000 Menschen frenetisch mit. Der Ton für den Abend ist gesetzt.

Cher in München: "Ich bin 73. Was macht eure Oma heute Abend?"

Cher steht vor dem Publikum mit blauer Perücke - natürlich nur die erste von vielen an diesem Abend - und erzählt, wie George Miller ihr an ihrem 40. Geburtstag sagte, sie sei zu alt und nicht mehr sexy genug für das Filmgeschäft, und sie erzählt von ihrem Hader mit dem Altern. Und sie schließt den Exkurs mit: "Ich bin 73. Was macht eure Oma heute Abend?", nur um gleich darauf - wie eine Königin aus 1001 Nacht - auf einem Elefanten thronend zurück auf die Bühne zu schweben und die Leute dann zu "All Or Nothing" von den Sitzen zu reißen.

Die Olympiahalle ist auch in der Arena bestuhlt, aber eigentlich sitzen die Fans fast nie. Das Publikum ist textsicher und in großartiger Stimmung, und wenn Cher mit ihren ikonischen Bewegungen über die Bühne tanzt, kann man sowieso nicht stillsitzen.

Cher: Ein Phänomen und Gesamtkunstwerk

Immer wieder - wenn sie hinter der Bühne ist, um Outfit und Perücke zu wechseln - laufen Videoshows mit Bildern ihrer Karriere, mit Ausschnitten aus "Moonstruck" ("Snap out of it!") und den Hexen von Eastwick (1987), für die sie dann wohl doch nicht zu alt und unsexy war. Cher erzählt davon, wie sie David Letterman, dem "mean Thomas Gottschalk" in einem ungewollt ehrlichen Moment sagte, dass sie ihn für einen Arsch gehalten habe und lässt, worauf man ja quasi schon wartet, auch einen Stich gegen Madonna nicht sein. "Here we go again" ist der Titel der Tour, er knüpft an ihre Rolle als Großmutter in "Mamma Mia 2" an. Mit "Waterloo", "SOS" und "Fernando" zollt sie Abba dann Tribut. Sie erzählt, wie sie mit elf Jahren - inmitten kreischender Teenies - beim Elvis-Konzert mit ihrer Mutter auf dem Stuhl herumsprang. Mit "Walking in Memphis" ehrt sie den King of Rock, denn "er hat mich, wie niemand zuvor, zur Musik gebracht". Sich erhobenen Hauptes zu verneigen, ohne den Rücken zu beugen, das kann wohl auch nur Cher.

Mit ihr auf der Bühne sind fast immer acht bis zehn Tänzer und Tänzerinnen, aber sie dominiert optisch: Die Energie mit der sie auch bei "The beat goes on" über zwei Stunden das Publikum elektrisiert, reicht um die gesamte Licht- und Tonshow am Laufen zuhalten. Sie ist zugleich Sonnenkönigin und Heilige , wenn sie in ihrem goldenen Kostüm mit Strahlenkranz auf dem Kopf singt.

Wer zu jung ist, um alle Inkarnationen von Cher zu kennen, bekommt sie präsentiert: Disco-Cher, die "verdammte Oscar-Gewinnerin" Cher, Rockstar-Cher, Burlesque-Cher und Comeback-Cher. Und natürlich die Cher der 60er Jahre, inklusive Sonny, der in einem rührenden Moment von der Videowand aus "I got you, babe" mit ihr singt. Es ist eine fulminante Show, die durch die Jahrzehnte ihrer Karriere führt. Der Rockstar Cher lässt bei "Turn back Time" ihre 73 zu einer leeren Zahl zusammenfallen. Sie hat schon lange beschlossen, nicht zu altern und, ja: sexy zu bleiben. Und beim Verlassen der Halle fragt man sich: "Do you believe in a life after Cher?"