Die Debatte um den Malle-Hit „Layla“ („schöner, jünger, geiler“) erinnert pünktlich zu Beginn der Volksfest-Saison: Zum Bierzelterlebnis gehören für viele Frauen sexistische Kommentare, Grapscher am Po und Schlager mit Texten zum Augenverdrehen.
Bierzelt-Sexismus Wo Tradition aufhört und Belästigung beginnt
Ist ein „charmanter“ Kommentar zum Dekolleté der Dirndlblusen schon Belästigung? Anwalt Philemon Christl sagt: Unangenehm und peinlich, ja, aber nicht strafbar. Schließlich werde dadurch niemand entwürdigt oder angefeindet. Als sexuelle Belästigung zählt laut Strafgesetzbuch nur eine Handlung, die „in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt“, erklärt der Anwalt. Obszöne Äußerungen oder Gesten sind laut Gesetz keine Belästigung.
Aber selbst Übergriffe würden nur selten angezeigt, weil sich Opfer schämten, so Christl. Die Dunkelziffer sei hoch.
Nur mit geändertem Namen erzählt zum Beispiel Sara Müller (20) aus der Nähe von Straubing von ihrer Erfahrung am Gäubodenvolksfest: „Wenn man auf der Bank steht und tanzt, rutscht schon die ein oder andere Hand an den Po. Eine Freundin von mir zieht zum Beispiel immer eine kurze Hose unters Dirndl an, weil sie Angst davor hat, dass doch irgendwas passiert.“ Nach Sprüchen über ihr Dekolleté sei sie „erst mal komplett perplex“. Erst im Nachhinein ärgere sie sich: „Eigentlich hätte ich dem jetzt was entgegnen müssen.“
Vorfälle in Festzelten scheinen zudem oft ohne Polizei und nur von Security-Mitarbeitern geregelt zu werden. Fälle von Belästigung oder Übergriffe kommen darum vielleicht vor, werden aber nicht aktenkundig. Die Straubinger Polizei meldet vom Gäubodenvolksfest 2018 (1,4 Millionen Besucher) zwei Anzeigen wegen sexueller Belästigung.
Mit Schlagern wie „Layla“ müssen sich am Gäubodenvolksfest wohl auch Kritiker arrangieren. Hedi Werner, Straubings Gleichstellungsbeauftragte, hat dazu "eine ganz klare Meinung". Dass es dem Lied an geistigem Tiefgang fehle, sei klar. "Man muss den wirklichen Sexismus betrachten, die persönliche Anmache. Den alltäglichen Sexismus und Rassimsus muss man bekämpfen, den verbalen und den tatkräftigen.“
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