Sargträger-Mangel auch in Bayern

Wer geht mit auf die letzte Reise?


Immer schwieriger sind Freiwillige zu finden, die als Sargträger bei einer Beerdigung mit anpacken wollen. (Symbolbild)

Immer schwieriger sind Freiwillige zu finden, die als Sargträger bei einer Beerdigung mit anpacken wollen. (Symbolbild)

Von Redaktion idowa

Der letzte Weg eines verstorbenen Menschen sollte nach Möglichkeit so würdevoll gestaltet werden, wie nur möglich: die letzte Ehre. Dazu zählen freilich auch Sargträger. Doch genau die sind mittlerweile rar gesät. Denn das häufig genannte "Geschäft mit dem Tod" ist so lukrativ nicht - zumindest nicht für jeden. Auch der Bestatterverband Bayern e. V. läutet die Warnglocken.

Sargträger sind die stillen Begleiter einer jeden Beerdigung. Von ihnen nimmt kaum jemand Notiz. Unverzichtbar sind sie trotzdem. Ein Mini-Job, der auf die Knochen geht. Häufig besetzt durch Rentner, manchmal aber auch durch Studenten. Doch die Nachfrage ist mittlerweile schwindend gering. Personalengpass bei den Sargträgern! Wer soll diese Lücke schließen und wie könnte man dieses Problem beheben? Wird es als solches überhaupt schon wahrgenommen? "Aus Mitgliederkreisen haben wir bis dato noch keine Mitteilungen diesbezüglich erhalten, was allerdings nicht bedeutet, dass das Problem in Bayern nicht existent ist", berichtet Matthias Liebler, stellvertretender Vorsitzender des Bestatterverbandes Bayern gegenüber idowa.

Doch wer wäre überhaupt für Personalnachschub zuständig? Bestattungsunternehmen oder doch die Kommunen? Per Gesetz und Verordnung handelt es sich bei der Totenbestattung per se um eine Pflichtaufgabe der Gemeinde im eigenen Wirkungskreis. Liebler: "Das bedeutet, dass die Gemeinde zur Überwachung des Bestattungswesens, zum Erlass gemeindlicher Rechtsvorschriften sowie zur Herstellung und Unterhaltung der erforderlichen Bestattungseinrichtungen verpflichtet ist." Die Kommune kann diese Aufgaben durch eigenes Personal abdecken, aber auch private Bestattungsunternehmen damit beauftragen. Und zu diesem Aufgabenbereich zählt eben auch der des Sargträgers. Streng genommen sind sie also eine "Bestattungseinrichtung".

"Nur 20 bis 25 Euro pro Einsatz - und die müssen versteuert werden"

"Dort, wo die Kommunen den Transport des Sarges mit eigenem Personal durchführen, sind das in der Regel hauptberufliche Friedhofs- oder Bauhofmitarbeiter. Dabei dürfte also kein Personalengpass auftreten", schätzt Liebler ein. Anders ist die Lage aber offenbar, wenn dieser Aufgabenbereich an Bestattungsunternehmen übertragen wird. Liebler: "Hier ist es in der Tat so, dass Bestattungsunternehmen vielfach auf Rentner und Studenten zurückgreifen und diese als geringfügig Beschäftigte anmelden müssen."

Und genau da fängt das Problem schon an. "Sargträger kommen nicht regelmäßig, sondern vor allem im ländlichen Bereich eher sporadisch zum Einsatz. Die Bezahlung pro Einsatz beläuft sich oft nur auf 20 bis 25 Euro, die in der Regel auch noch versteuert werden müssen", schildert Liebler die finanziellen Bedingungen. Hinzu kämen auch noch die Fahrtkosten zum Einsatzort und die Kosten für die dem Anlass entsprechende Kleidung. Liebler: "Unter dem Strich bleibt da nicht mehr so viel übrig." Das Geschäft mit dem Tod scheint für Sargträger zwar immerhin kein Draufzahlgeschäft zu sein, aber wirklich rentabel ist es aktuell nicht.

Die Lösungsansätze

Doch nicht nur der schnöde Mammon spielt hier eine Rolle. Matthias Liebler hat weitere Erklärungen für den Personalengpass: "Der Tod ist leider immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Die wenigsten Menschen möchten sich gerne mit dem Tod beschäftigen oder damit zu tun haben. Obwohl die Tätigkeit von Sargträgern sehr wichtig ist, hat sie leider keinen hohen Stellenwert in der Gesellschaft." Stattdessen käme gelegentlich der Vorwurf, dass Sargträger am Tod eines Menschen Geld verdienen würden. Liebler: "Diesen Vorwurf will man für sich natürlich vermeiden." Erschwerend hinzu kämen die physische und die psychische Belastung als Sargträger.

Ein aussterbender Nebenberuf also? Gibt es überhaupt Lösungsansätze, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken? Entsprechende Stellenanzeigen scheinen jedenfalls nicht dazu zu gehören. "Die Suche nach Sargträgern gestaltet sich für Bestattungsunternehmen sehr schwierig. Auf Anzeigengesuche meldet sich kaum jemand. Dadurch wird das Personal meist nur durch Beziehungen oder Bekanntschaften rerkrutiert", berichtet Liebler. Seiner Ansicht nach könnte ein Ansatzpunkt für eine Lösung des Problems daher eine höhere Bezahlung sein. Liebler: "Dem stehen allerdings die finanziellen Interessen der meisten Angehörigen des Verstorbenen gegenüber, da eine Bestattung ohnehin schon sehr kostenintensiv ist." Nach Auffassung des Bayerischen Bestatterverbandes sei die Tätigkeit des Sargträgers im Prinzip ein Ehrenamt und sollte daher bis zu einer gewissen Grenze steuerfrei sein. "Der Gesetzgeber sieht das aber leider anders", richtet Liebler einen Appell an die Politik.

Wie sich die Situation in Ostbayern gestaltet, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Wie ist die Personalsituation in Ostbayern?

Die Situation im Landkreis Straubing-Bogen

Dass es für Bestattungsunternehmer zunehmend schwierig wird, Sargträger für Beerdigungen zu finden, bestätigt auch Martin Karow, Geschäftsinhaber des gleichnamigen Bestattungsunternehmens im Landkreis Straubing-Bogen. "Das ist mittlerweile schon ein grundsätzliches Problem. Früher gab es oft noch Leute im Dorf, Ehrenamtliche oder Bekannte des Verstorbenen, die das übernommen haben. Das war quasi eine Art Nachbarschaftsdienst. Aber die Zeiten ändern sich - auch bei uns in Bayern." Das sei allerdings ein genereller Trend, der nicht nur Bestattungen betreffe: "Die Leute haben allgemein immer weniger die Zeit oder die Bereitschaft für ein Ehrenamt. Und das trifft eben auch uns", so der 44-Jährige.

Karow greift deswegen bei den meisten Beerdigungen auf sein eigenes und bewährtes Team zurück. Den Trend, dass immer öfter Senioren sich als Sargträger ein Zubrot zur Rente verdienen, kann er bestätigen: "Die meisten Sargträger, die ich kenne, sind schon über 60." Interessierte müssen gleich mehreren Anforderungen gerecht werden: "Wenn 150 Leute bei einer Beerdigung sind und auf den Sarg warten, muss man schon ordentlich daherkommen. Anstand, ein Anzug und Pünktlichkeit sind da Pflicht. Und natürlich muss man auch etwas schleppen können. Ein Sarg allein hat schon je nach Bauart zwischen 40 und 100 Kilo und dann kommt natürlich noch derjenige dazu, der drin liegt. Das können dann schon mal über 200 Kilo werden, geteilt durch vier. Rückenprobleme darf man da nicht haben", erzählt Karow.

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Die Lage im Landkreis Regensburg

Vom Sargträger-Mangel in der Region kann auch Peter Obletzhauser ein trauriges Lied singen. Der 35-Jährige betreibt unter dem Namen "Pietät" vier Bestattungs-Filialen in und um Regensburg. Auch dort sind die personellen Kapazitäten dünn gesät: "Früher hatten wir Rentner, die das recht gern gemacht haben. Die gibt es auch immer noch und die machen das gerne - aber sie werden eben immer weniger." Die Angestellten seiner Filialen können zur Not selbst als Träger einspringen, "aber wenn zwei oder drei Beerdigungen an einem Tag sind, wird es schwierig." Dann legt Obletzhauser auch mal selbst Hand an einen Sarg an.

Der Regensburger ist seit 15 Jahren Bestatter und zieht eine düstere Bilanz: " So schlimm wie jetzt war es noch nie. Früher hat man einfach ein paar Bauern gehabt, die schnell zum Friedhof gefahren sind und den Sarg getragen haben." Das seien auch ältere Menschen gewesen und die würden eben "wegsterben". Als einen Grund für den neuen Engpass vermutet er "Berührungsängste" im Umgang mit den Toten.

Die Sargträger aus den "Pietät"-Filialen pendeln darum gewissermaßen kreuz und quer durch die Region Regensburg: "Wir haben vier feste Träger im Raum Maxhütte, zwei andere kommen aus Wenzenbach und fahren von dort aus bis Wörth, Pielenhofen oder Bad Abbach. Und die beiden Totengräber bei uns aus der Gegend tragen dann eben auch noch mit."