Großbritannien

Premierminister Johnson schlägt Neuwahl vor


Premierminister Boris Johnson

Premierminister Boris Johnson

Von mit Material der dpa

Um seinen Brexit-Vertrag doch noch irgendwie durchs Unterhaus zu bekommen, schlägt Premierminister Boris Johnson eine Neuwahl noch in diesem Jahr vor. Allerdings braucht er auch für diesen Vorstoß erst einmal eine Mehrheit.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat eine Neuwahl für das britische Unterhaus für den 12. Dezember vorgeschlagen. Das sagte er in einem Interview mit der BBC.

Hintergrund ist der Versuch, mit Hilfe einer Neuwahl die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu verändern und dann - mit möglichst eigener Mehrheit - den Brexit-Deal in britisches Recht zu gießen. Bisher führt Johnson eine Minderheitsregierung, der bereits zahlreiche schwere Abstimmungsniederlagen zugefügt wurden.

Für eine Neuwahl noch in diesem Jahr braucht Johnson eine Entscheidung des Parlaments mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Das heißt, zumindest ein Teil der Abgeordneten der Labour-Partei muss zustimmen. Bei Labour gab es am Donnerstag unterschiedliche Signale. Ein Teil der Abgeordneten zieht es vor, einen weiteren Versuch zu unternehmen, den von Johnson ausgehandelten Deal - gegebenenfalls mit erheblichen Änderungen - ohne Neuwahl in nationales Recht zu überführen. Solche Stimmen gibt es auch aus Johnsons eigener konservativer Tory-Partei.

Vor allem in Nordirland regte sich erheblicher Widerstand. Der Deal Johnsons sieht im Kern vor, dass eine mehr oder wenige durchlässige Zollgrenze zwischen Nordirland und der britischen Hauptinsel errichtet werden muss. Damit würde Nordirland zwar auf dem Papier mit dem Rest Großbritanniens aus der EU-Zollunion austreten. De facto aber bliebe Nordirland weiterhin an EU-Handelsrecht gebunden.

Die probritischen Loyalisten fühlen sich von Johnson deswegen im Stich gelassen. Aus der Downing Street kamen unterschiedliche Angaben darüber, ob es zu Zollkontrollen zwischen Nordirland und dem übrigen Großbritannien kommen werde. Der Fraktionschef der nordirischen Loyalisten-Partei DUP, Nigel Dodds, sagte im Parlament an die Adresse Johnsons und dessen Brexit-Minister Stephen Barclay: "Sie laufen Gefahr, hier mit dem, was sie den Unionisten antun, echten Schaden anzurichten, beim Belfast-Agreement (Karfreitagsabkommen), beim St.-Andrews-Agreement, bei den politischen Institutionen und für die politische Stabilität."

Der Polizeichef von Nordirland, Simon Byrne, hatte zuvor davor gewarnt, dass es zu von Loyalisten angefachten Unruhen kommen könnte, sollte es zu einem Brexit-Deal kommen, der die Union zwischen Großbritannien und Nordirland bedrohe. Es gebe unter den probritischen Loyalisten das Potenzial "die Gewalt auf die Straße zurückzubringen". In Nordirland herrschte Bürgerkrieg zwischen den protestantischen, pro-britischen Loyalisten und den proirischen Katholiken. Die Unruhen wurden durch das Karfreitagsabkommen von 1998 weitgehend eingedämmt.

Derweil wird eine Entscheidung der 27 übrigen EU-Staats- und Regierungschefs über einen weiteren Brexit-Aufschub für Freitag erwartet. Es herrsche grundsätzlich wohl Einigkeit über die Verschiebung, aber noch nicht über deren Dauer, hieß es in Brüssel.

Allerdings kam von Seiten der EU auch weitere Ungemach für die Downing Street. Für den Fall einer mehrmonatigen Verschiebung des Brexits muss Großbritannien wohl noch einmal einen neuen EU-Kommissar benennen. Die gewählte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte in Helsinki, dies gelte, falls Großbritannien zum Amtsantritts ihres Teams noch Mitglied der Europäischen Union sei.

EU-Ratschef Donald Tusk sowie das Europaparlament sind für eine neue Frist bis Ende Januar 2020. Sollte vorher die Ratifizierung eines Austrittsvertrags gelingen, könnte Großbritannien flexibel vor Fristende ausscheiden. Diese Lösung unterstützten am Donnerstag die Fraktionschefs im Europaparlament in einer Erklärung.

Theoretisch könnte der Austritt also auch bei einer Verschiebung noch vor von der Leyens Amtsantritt gelingen. Dieser wurde vom 1. November um mindestens einen Monat verschoben, weil von der Leyen noch drei von 26 Kommissaren fehlen. Die Anwärter müssen Anhörungen im Europaparlament durchlaufen, das anschließend noch einmal über das gesamte Personalpaket abstimmt.

Die britische Regierung hatte mit Blick auf das Austrittsdatum 31. Oktober bewusst auf die Nominierung eines Kommissars verzichtet. Der derzeitige Kommissar aus Großbritannien ist Julian King, er ist für Sicherheit zuständig.