Cham

Vom Flüchtling zum Sultan


Ein Höhepunkt im neuen Festspiel: Der Jude (Alexander Pongratz), der Moslem (Abdulrahman Hinedi) und der Hussit Jan (Alois Bohmann) unterstreichen in einer Szene, die nicht zuletzt auch durch die musikalische Untermalung für Gänsehaut sorgt, die Gemeinsamkeiten der drei Weltreligionen.

Ein Höhepunkt im neuen Festspiel: Der Jude (Alexander Pongratz), der Moslem (Abdulrahman Hinedi) und der Hussit Jan (Alois Bohmann) unterstreichen in einer Szene, die nicht zuletzt auch durch die musikalische Untermalung für Gänsehaut sorgt, die Gemeinsamkeiten der drei Weltreligionen.

Als Abdulrahman Hinedi als 16-Jähriger vor dem Krieg in seinem Heimatland floh, auf dem Weg nach Deutschland seine Gesundheit nicht nur einmal riskierte, trieben ihn die Träume von einem Leben in Sicherheit immer wieder an. So hoffnungsvoll diese auch waren, eines hätte sich der mittlerweile 18-Jährige damals ganz sicherlich nicht vorstellen können: Dass er eineinhalb Jahre später in Deutschlands ältestem Volksschauspiel eine Friedensbotschaft verkündet, in der sich nicht nur bildhaft die drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam die Hand reichen. Und das in einer Zeit, in der die Glaubenskriege weltweit eine traurige Renaissance erleben. Hinedi ist der heimliche Star im neuen Festspiel. Die Chamer Zeitung sprach mit dem Flüchtling, der plötzlich zum Sultan wurde.


Genauer gesagt zu Sultan Saladin - einer historischen Persönlichkeit in der arabischen Geschichte. Er war ab 1171 der erste Sultan von Ägypten und ab 1174 Sultan von Syrien. Wer nun die Stirn runzeln sollte, dem hilft vielleicht ein Kinofilm auf die Sprünge: In "Königreich der Himmel" mit Orlando Bloom kämpft Saladin gegen die Kreuzritter. "Durch ein Video von diesem Kinofilm", meint auch Hinedi schmunzelnd auf die Frage, ob er von diesem berühmten Sultan schon 'mal was gehört hat, bevor er fast verlegen ergänzt: "Und natürlich in Syrien. Im Geschichtsunterricht."

"Zuerst hatte ich Angst, dass ich das nicht schaffe"

Von dort war er im Herbst 2015 aufgebrochen. Warum? "Ich war damals gerade 16 Jahre alt geworden. Deshalb hätte ich für Assad in die Armee eintreten und kämpfen müssen. Das wollte ich nicht. Ich konnte in Syrien nicht länger leben", erzählt er. Zu Hause war Abdulrahman Hinedi, den alle nur kurz Abdul nennen, in Latakia im Norden Syriens, an der Grenze zum Libanon, der Region, die vor wenigen Monaten durch einen Giftgasanschlag traurige Berühmtheit erlangt hat. Dort leben noch seine Eltern. Mit ihm kam sein Bruder und dessen Familie nach Deutschland, die ebenfalls in Furth im Wald als anerkannte Flüchtlinge leben.
Den Drachenstich hat der 18-Jährige bereits im vergangenen Jahr gesehen - und war auf Anhieb begeistert. "Als ich den Drachen sah - ehrlich, ich hatte sogar etwas Angst, bis ich die Männer mit den Steuerungen sah", erzählt er lächelnd. Damals half er bereits beim Öffnen der Haupttore mit. Vor rund drei Monaten hatte dann Regisseur Alexander Etzel-Ragusa mit mehreren syrischen Flüchtlingen, die bereits fest in Furth wohnen, Kontakt aufgenommen. Da alle in einer beruflichen Ausbildung stecken - Hinedi geht dagegen noch zur Schule - und somit keine Zeit für die aufwendigen Proben hatten, fiel die Wahl auf ihn. "Anfangs hatte ich Angst, dass ich das nicht schaffe. Aber es ist gut geworden", freut er sich. Zwischen damals und heute stecken rund 50 Proben, erzählt er.

Denn Abdul spielt keine Statistenrolle, sondern eine Schlüsselfigur in einer neuen Szene. Zunächst zeigt sie in einer Art Pantomimenspiel das Gefecht zwischen Sultan Saladin und König Richard Löwenherz (gespielt von Martin Ziegenhorn/Andreas Mühlbauer). Anschließend unterstreicht er im Dialog mit dem Juden Raphael (Florian Fuchsbüchler/Alexander Pongratz) und dem Hussit Jan (Alois Bohmann/Klaus Fischer) die Gemeinsamkeiten der drei Weltreligionen: "Du sollst nicht töten!"

"Die Menschen sollten nicht Angst vor uns haben"

Dabei zitiert Hinedi aus dem Koran die fünfte Sure, in der Allah sagt: "Ich will, dass es drei Religionen gibt, und dass jede mit der anderen wetteifert, das Gute zu tun!" Ein Zitat, das Etzel-Ragusa in den Text eingebaut hatte, bevor Abdul die Rolle bekam. Kennt er als gläubiger Moslem diese Koran-Passage? "Ja", betont er, ohne lange überlegen zu müssen. Hinedi sieht seine Rolle zugleich als einen kleinen Beitrag dazu, das schlechte Bild, das Europäer von Moslems derzeit haben, etwas aufzubessern. "Der Islam ist eigentlich ein Glaube, der Frieden lehrt. Die Menschen sollten nicht Angst vor uns haben ..."

Doch nicht nur diese wichtige Rolle im Festspiel bereitet ihm Freude, sondern auch, wie er von der Spielschar aufgenommen wurde. "Ich kenne jetzt so viele Menschen." Versteht er sie überhaupt, wenn hinter der Bühne im tiefen Waldlerisch gesprochen wird? Der 18-Jährige nickt und lächelt: "Ja, das wird." Er selbst spricht mittlerweile gut Deutsch - und auch etwas Bayerisch. Deshalb freut er sich nicht nur auf die Bühne, sondern auch auf das ganze gesellschaftliche Drachenstich-Drumherum, selbst wenn er als Muslim seine Biermarkerln dankend ablehnt. "Aber ein Hühnchen auf dem Volksfest, das esse ich schon", ergänzt er schmunzelnd.

Seinen Eltern in Syrien hat er bereits stolz erzählt, dass er heuer in einem großen Theaterstück den Sultan spielt. Auch Fotos hat er ihnen geschickt. "'Das ist sehr gut', hat meine Mama gesagt, 'da lernst du viele Leute kennen.'"
Und was ist nach dem 20. August, nach dem Drachenstich? Wenn der 18-Jährige wieder nur noch Abdulrahman Hinedi ist? Er, der leidenschaftlich gerne reitet und schwimmt sowie rappt ("ich hab bereits ein eigenes Rap-Video gemacht"), will auf jeden Fall in Furth im Wald bleiben, einen Beruf lernen. Welchen? "Friseur, das möchte ich sein", sagt Abdul. So können sich die Further vielleicht schon bald von einem Sultan die Haare schneiden lassen ...

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Saladin besiegt König Richard Löwenherz: Die Erzählung des Hussiten Jan wird mit einem Kampf bildlich dargestellt. Anschließend erfährt die Szene eine Eigendynamik und gipfelt in einer beeindruckend inszenierten Friedensbotschaft.

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Als "Kriegsbeute" des Kardinals muss er die Milch testen, damit sein Herr nicht vergiftet wird.

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Hinedi floh als 16-Jähriger aus Syrien, weil er nicht kämpfen wollte.