Serie
Warum die zweite Staffel von „Sandman“ das Ende eines Traums ist
Darum geht’s: Eine ganz andere Fantasyserie bekamen die Netflix-Zuschauer im Jahr 2022 zu sehen. Anstatt Helden, Weltgerette und Prophezeiungen konnten sie die Abenteuer von Dream verfolgen. Der Traumlord, auch Morpheus genannt, machte sich an, nach 100 Jahren Gefangenschaft das Reich der Träume zurückzuerobern und sich mit seinen Geschwistern auseinanderzusetzen. Jetzt in Staffel zwei muss der Traumlord alte Schulden begleichen, vor allem gegenüber seinem Sohn Orpheus. Denn wenn er das nicht tut, könnte das ganze Traumreich in Gefahr sein.
Das Problem: Hat sich die erste Staffel von „Sandman“ noch mit gerade einmal zwei Bänden der Comicvorlage beschäftigt, sind es in Staffel zwei auf einmal die restlichen zehn, die verfilmt wurden. Das hat vor allem mit dem Autor der Vorlage, Neil Gaiman, zu tun, der auch an der Produktion der Serie beteiligt war. Zwischen Staffel eins und zwei wurden Vorwürfe laut, dass Neil Gaiman schon seit Jahren Frauen missbraucht und gedemütigt hat. Anschuldigungen, denen der Autor zwar widerspricht, die bis heute aber nicht endgültig aufgeklärt sind. Das brachte eine Reihe von Projekten ins Wanken, denn Neil Gaiman ist unter anderem auch einer der Autoren hinter der Vorlage zur Serie „Good Omens“, die gerade auf Amazon Prime läuft.
Das Team hinter „Sandman“ reagierte entsprechend. Anstatt wie geplant drei oder vielleicht sogar vier Staffeln zu drehen, wird die Serie mit Staffel zwei abgeschlossen, mit möglichst wenig Beteiligung von Neil Gaiman, der schon in der Promo für Staffel zwei so gut wie gar nicht erwähnt wurde.
Fazit: Wie gut lassen sich Werk und Autor voneinander trennen? Diese Frage müssen sich gerade alle Fans stellen, die den „Sandman“ nicht nur in seiner Netflix-Inkarnation kennen, sondern auch die Comicvorlage. Und sie müssen sich vielleicht sogar fragen, ob ihre kultische Verehrung von Neil Gaiman dem nicht erst die Möglichkeit gegeben haben könnte, das zu tun, wofür er jetzt belangt wird.
Und natürlich haben einige Szenen aus der Serie jetzt einen anderen Geschmack. Das ist auch deshalb tragisch, weil Staffel zwei von „Sandman“ fast noch ein bisschen stärker ist als die erste. Die Schauspieler haben sich endgültig in ihre Rollen eingefunden, die Story ist nach wie vor ausgezeichnet und Soundtrack und Kameraarbeit sind exzellent. Schade, dass das echte Leben einen so großen Schatten über die Fantasie geworfen hat. Wie stark dadurch die eigenen Sehgewohnheiten beeinflusst werden, muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden, ignorieren kann und sollte man es aber nicht.
„Sandman“, Fantasy-Drama, Staffel zwei mit zehn Folgen à 45 bis 60 Minuten, verfügbar auf Netflix, freigegeben ab 18 Jahren.