Filmtipp

Jennifer Kent versteckt in ihrem Horrorfilm "Der Babadook" eine Botschaft über Trauer


Abends, Kuscheln im Pyjama, Zeit für eine Gutenachtgeschichte: Der Sohn wählt ein rubinrotes Buch mit einer schwarzen Figur darauf. Die Geschichte beginnt: "Wer das hier liest, schau hin und guck, wird ihn nicht mehr los, den Babadook." Die Mutter zieht die Stirn kraus, der Sohn lacht - noch. Ein Rasseln erhebt sich, die schwarz-weißen Kreidebilder werden immer bedrohlicher, bis zu dem Satz: "Und wenn du siehst, was sich darunter verbirgt, wirst du dir wünschen, du wärst tot." Das Kind beginnt zu schreien. Mit dieser Szene beginnt das Grauen im Horrorfilm "Der Babadook", der gleichzeitig ein psychologisches Drama über Trauerbewältigung ist.

Nach dem Unfalltod ihres Mannes führt Krankenschwester Amelia ein zurückgezogenes Leben mit ihrem verhaltensauffälligen Sohn Samuel. Eines Abends liest sie ihm ein Kinderbuch mit dem Titel "Mister Babadook" vor. Samuel glaubt, darin das Monster aus seinen Träumen zu erkennen. Er gerät immer mehr in den verstörenden Sog der Angst und auch Amelia wird zunehmend mit unheimlichen Phänomenen konfrontiert.

Dass Essie Davis psychisch labile Rollen beherrscht, hat sie schon in "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" bewiesen. Dort verkörperte sie eine chronisch eifersüchtige Ehefrau. Nach männlicher Zuneigung giert sie auch in ihrer Rolle als Amelia. Sie porträtiert eine gebeutelte Frau, die ihre Trauer in sich hineinfrisst und nur schwer Nähe zu ihrem Sohn zulassen kann. Je mehr sie ihn von sich stößt, desto krampfhafter versucht er, ihre Barriere zu überwinden. Dann kommt der Babadook und verschlingt den Rest Normalität.

Samuel und Amelia führen ein Leben nach dem Motto "Und täglich grüßt das Murmeltier": Schlaflosigkeit, Beruhigungsmittel, Albträume, Streit. Der Zuschauer weiß nicht, was ihm die schlimmere Gänsehaut beschert: Wenn Amelia durchdreht oder sich die beiden mit Worten auf schlimmste Art verletzen. Der sechsjährige Noah Wiseman zeigt ein für sein Alter überragendes Schauspieltalent. Er gestaltet seine Rolle Samuel so nervig wie eine Wurzelbehandlung, so beängstigend, dass man mitschreien möchte und dann wieder so zuckersüß, wenn er verspricht: "Mum, ich beschütze dich vor dem Babadook!"

Regisseurin Jennifer Kent liefert mit "Der Babadook" ihr Langfilmdebüt ab. Sie hält es sehr schlicht, verzichtet großteils auf effekthaschende Computer-Animationen und billige Schocker. Der Horror ist viel raffinierter und geht damit umso mehr unter die Haut. Die Gestaltung wirkt ausgebleicht: verwaschenes Blau, tristes Grau, trübes Braun. Der auffälligste Farbtropfen ist das Buch. Der Babadook selbst zeigt sich als schwarzer Klon aus verrücktem Hutmacher und Edward mit den Scherenhänden. Er ist eine Metapher für etwas grausam Reales und so erzählt Jennifer Kent eine Geschichte hinter der Geschichte: Unbewältigte Trauer verschlingt das Leben langsam und kann eine Mutter sogar dazu bringen, ihr Kind zu hassen. "Ich bin sehr fasziniert davon, dass wir uns der Dunkelheit in uns selbst stellen", sagte die Regisseurin.

Der verzweifelte Kampf, den Amelia und Samuel miteinander und gegen ihre inneren Dämonen führen, zeigt, wie hart das sein kann. Ein paar Stolpersteine lässt der Film nicht aus. Das Finale erinnert an "Kevin allein zu Haus" und wirkt zeitweise unfreiwillig komisch. Auch das allzu offene Ende dürfte viele Zuschauer unbefriedigt zurücklassen. Doch die Botschaft kommt rüber: Trauer geht vielleicht nie ganz weg, aber wer lernt, mit ihr umzugehen, kann überleben.

Den Film gibt es seit 18. September 2015 auf DVD.