Time-Warp August 2012

Hoch über New York


Andrea Limmer.

Andrea Limmer.

Von Redaktion idowa

Am 8. August 1974 trat der US-amerikanische Präsident Richard Nixon schließlich doch aufgrund der Watergate-Affäre von seinem Amt zurück. Einen Tag zuvor, am 7. August, vollbrachte ein anderer Mann in Amerika einen brenzligen Drahtseilakt: Der französische Hochseilartist Philippe Petit balancierte achtmal zwischen den Turmdächern des World Trade Centers hin und her. Und zwar in einer Höhe von beachtlichen 415 Metern, auf einem ein Zoll starken Drahtseil, ohne Sicherheitsgurt, 45 Minuten lang.
So ein Kunststück wäre heutzutage nicht mehr denkbar, sagte Petit in einem Interview 2009 (Frankfurter Rundschau). Denn unsere Welt sei voll von "naivem Sicherheitswahn".
Gelernt hat Philippe Petit, geboren am 13. August 1949 in Nemours (Frankreich), seine Standfestigkeit und Selbstsicherheit bei sich selbst. Als Junge war er ebenso interessiert an Magie wie rebellisch. Im Alter von 15 Jahren flog er von der fünften Schule, woraufhin er von zu Hause weglief, um in den 60er Jahren sein Handwerk als Pantomime, Straßenjongleur (er war einer der Ersten in Paris) und eben Hochseilartist zu lernen. Laut Petit brachte er sich die Arbeit auf dem Seil selbst bei, vom Rückwärtssalto bis zum Sprung durch den Reifen, innerhalb eines Jahres. Aber das sei ihm zu wenig gewesen, sagt Petit. Deswegen verschmähte er die normale Zirkuslaufbahn und wandte sich spektakulären Drahtseilakten zu. 1971 wandelte er auf einem Seil von einem Turm des Notre Dame de Paris zum anderen.
Diesem Schauspiel folgte die erste von circa 500 Verhaftungen. Zwei Jahre später zwingt ihn die Polizei in Sydney (Australien), seine Aktion auf der Harbour Bridge abzubrechen, indem sie droht, eines der Seile durchzuschneiden. Die Aktion zwischen den Türmen des World Trade Centers war sein größter Erfolg, der ihn weltweit berühmt machte. Seit den 80ern lebt er auf einem Hof in der Nähe von Woodstock und arbeitet immer noch als Artist und Perfomance-Künstler. 2009 kam eine Dokumentation über ihn in die Kinos: "Man on a Wire". Anlässlich des Films sagte Petit dem Fernsehsender "Arte": "Der Seiltänzer muss das Leben in der Luft beherrschen. Schwindel ist für die anderen."
Freilich nahm die Polizei Petit auch nach der Drahtseilaktion 1974 in New York fest. Das Gericht ließ jedoch alle Anklagepunkte fallen, weil sein gefährliches Kunststück weltweit Anerkennung fand. Die Watergate-Affäre ist übrigens bis heute nicht vollständig aufgeklärt worden.