Sonder-Koalitionsausschuss

Söder fordert in 25 Fragen Klarheit von Aiwanger

Hubert Aiwanger unter Druck, Markus Söder ebenso, die Opposition will eine Sondersitzung im bayerischen Landtag: In Sichtweite der Wahl spielt sich ein Polit-Drama ab. Ein Fragenkatalog soll nun Abhilfe schaffen.


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Wegen der Vorwürfe gegen seinen Vize Hubert Aiwanger hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Freien Wähler zu einer Sondersitzung «einbestellt».

Von dpa

Nach den Vorwürfen gegen Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gibt es Ergebnisse aus der Sondersitzung des Koalitionsausschusses am Dienstag Vormittag, zu der Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Freien Wähler nach Angaben der Staatskanzlei "einbestellt" hat. Aiwanger sollte dort Stellung nehmen zu den Vorwürfen wegen eines antisemitsichen Flugblattes.

Aiwanger hatte am Samstagabend schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten in den 1980er Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben. Zuletzt soll sich der Bruder geäußert haben, die Flugblätter seien in Hubert Aiwangers Schulranzen gefunden worden, weil dieser "deeskalieren" wollte und sie wieder eingeammelt hätte. Söder reichen diese Erklärungen aber bislang nicht aus.

Fragenkatalog soll weitere Aufklärung bringen 

Der Freie-Wähler-Chef soll demnach einen Katalog mit 25 Fragen schriftlich beantworten, sagte Söder nach Beratungen im Koalitionsausschuss am Dienstag in München. Aiwanger habe zugesagt, die Fragen zu beantworten. Danach soll es eine abschließende Bewertung geben. "Bis zur abschließenden Klärung, solange kein neuer Beweis vorliegt oder bisher Gesagtes komplett widerlegt werden kann, wäre eine Entlassung aus dem Amt eines Staatsministers ein Übermaß", sagte er. Eine Frist zur Beantwortung der Fragen nannte er zunächst nicht. Allerdings sehe er den Fragenkatalog für Aiwanger auch nicht als Entschuldigung: "Dies ist jetzt kein Freispruch oder Freibrief. Die Menschen sind zutiefst empört und verunsichert und haben diese Fragen - so wie wir auch", sagte Söder nach der Sondersitzung des Koalitionsausschusses. "Das heißt, es darf jetzt auch nichts mehr dazukommen."

Durch die Flugblatt-Affäre sieht der Ministerpräsident den Ruf Bayerns beschädigt. "Allein der Verdacht beschädigt das Ansehen Bayerns und natürlich die persönliche Glaubwürdigkeit des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger", sagte Söder. Die Koalition mit den Freien Wählern sieht er indes nicht gefährdet. "Die Zusammenarbeit mit den Freien Wählern als Ganzes hat sich bewährt und ist gut, und wir wollen sie auch fortsetzen. Es gibt auch keinen Anlass, etwas an der Zusammenarbeit zu ändern", sagte er am Dienstag in München. Er deutete aber ein mögliches Szenario an, das schon am Montag in der Koalition vereinzelt zu hören war: dass Aiwanger nach der Wahl auf den Fraktionschef-Posten wechseln könnte. Koalitionen hingen "nicht an einer einzigen Person", sagte Söder. "Es geht mit oder ohne eine Person im Staatsamt ganz genauso."

Scholz und Landtags-Opposition erhöhen Druck auf Söder

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte ebenfalls weitere Aufklärung von Aiwanger. Auch die Landtags-Opposition hat den Druck auf Söder massiv erhöht: Die Vertreter von Grünen, SPD, und FDP wollen wegen der Flugblatt-Affäre voraussichtlich kommende Woche eine Sondersitzung im bayerischen Landtag einberufen. Bei der Sondersitzung solle der sogenannte Zwischenausschuss zusammenkommen. Der Zwischenausschuss behandelt unter anderem nach der letzten Plenarsitzung vor Wahlen dringliche Angelegenheiten. Die Landtags-Opposition warf Söder Wegducken, eine Hängepartie und Hinhaltetaktik vor - und erhöhte knapp sechs Wochen vor der Landtagswahl ihrerseits den Druck auf die Regierung: Aiwanger sei "nicht mehr tragbar", hieß es etwa von den Grünen.

In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die CSU hatte bislang stets erklärt, die Koalition mit den Freien Wählern nach der Wahl fortsetzen zu wollen. Alle Umfragen hatten bis zuletzt auch fast keinen Zweifel daran gelassen, dass dies möglich sein wird - wobei die Freien Wähler zuletzt bei 11 bis 14 Prozent lagen. Die CSU regiert im Freistaat seit 2018 zusammen mit den Freien Wählern. Auch nach den Vorwürfen gegen Aiwanger will die Landtags-CSU die Koalition mit den Freien Wählern aber grundsätzlich fortsetzen. Ein schwarz-grünes Bündnis wurde bei Online-Beratungen des erweiterten CSU-Fraktionsvorstandes am Dienstag ausgeschlossen. Allerdings gab es den Ruf nach Aufklärung: Auch die Freien Wähler müssten klären, wie sie weiter mit der Situation und mit ihrem Vorsitzenden umgehen, hieß es.

Vorfall zeigt "fragwürdige Geisteshaltung"

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Auch wenn der stellvertretende bayerische Ministerpräsident das damalige Flugblatt als Schüler nicht selbst geschrieben haben sollte: Ein solches Schreiben mit übelster antisemitischer Hetze bewusst in der Schultasche zu haben und sich, in seinen eigenen Worten, nur "unter Druck" mit dem Thema Drittes Reich auseinander gesetzt zu haben, zeigt eine fragwürdige Geisteshaltung." Es gebe noch weiteren Aufklärungsbedarf. Zudem forderte Klein eine bundesweite Pflicht zur Meldung antisemitischer Fälle an allen Schulen, die es in Bayern bisher noch nicht gebe.

Der ehemalige Bundes- und Landesvorsitzende der Freien Wähler, Armin Grein, sieht indes Söder in der Zwickmühle: "Ich glaube auch, dass Söder das irgendwie schlucken muss. Er kann auch den Aiwanger jetzt nicht demissionieren, weil sonst seine ganze Regierung zusammenbricht", sagte er dem Bayerischen Rundfunk.