Bayern

Keine Berliner am Nockherberg: Die Bayern unter sich

Die Berliner Prominenz zeigt dem Nockherberg heuer die kalte Schulter. Die hiesige Politik bedauert das - schickt aber auch gleichneue Giftpfeil-Grüßein die Hauptstadt


Bayerische Angelegenheit: die Herren Söder und Aiwanger mit ihren Doubles Thomas Unger (l.) und Stefan Murr. Die Darsteller von Christian Lindner oder Robert Habeck konnten keine Erinnerungsfotos dieser Art machen - weil die Berliner Ministerriege geschlossen fernblieb.

Bayerische Angelegenheit: die Herren Söder und Aiwanger mit ihren Doubles Thomas Unger (l.) und Stefan Murr. Die Darsteller von Christian Lindner oder Robert Habeck konnten keine Erinnerungsfotos dieser Art machen - weil die Berliner Ministerriege geschlossen fernblieb.

Von Felix Müller, Christina Hertel

Einerseits ist es ja eine gute Idee, dass Maxi Schafroth in seiner Fastenpredigt die Berliner Gäste begrüßt. Bevor noch untergeht, dass überhaupt wer gekommen ist zum ersten Derblecken in Präsenz in langen Jahren seit 2019.

Andererseits: Nachnamen und eine kurze Erklärung zur Person wären schon auch noch wichtig gewesen. "Liebe Auswärtige, Ricarda, Dietmar", sagt Schafroth also. Und im Saal fragen sich offensichtlich viele: Dietmar, wer? Ricarda, was?

Ja, die junge Grünen-Parteichefin Ricarda Lang und das spröde Linkspartei-Urgestein Dietmar Bartsch sind tatsächlich die prominentesten Gäste aus Berlin. Gewissermaßen sind sie die einzigen - wenn man Kulturstaatssekretärin Claudia Roth herausrechnet (die ja von Wiesn bis CSD keine größere Polit-Party in München auslässt). Für den Nockherberg ist das nicht gut. Nicht im Fernsehen, wo die Zuschauer gerne gesehen hätten, wie etwa Christian Lindner oder Robert Habeck auf ihre Doubles reagieren. Aber auch im Saal ist es ein großes Thema.

Das Gegenspiel zwischen Karikierern und Karikierten ist wichtig für den Nockherberg. Für die vielen bayerischen und Münchner Politiker sind die prominenten Gäste aber auch ein Anlass, sich zu schmücken. Und wäre es nicht gerade im Jahr einer bayerischen Landtagswahl - und nach mehreren Jahren ohne klassisches Derblecken - naheliegend gewesen, dass prominente Gesichter kommen?

Egal scheint diese Fragen kaum einer zu finden, den die AZ am Nockherberg anspricht. Ein bisserl Bedeutungsverlust, bundesweit? Den versucht man wegzuschieben. Aber dabeigehabt hätte man die Berliner dann doch arg gerne.

Schon beim Warten auf dem Roten Teppich vor dem Saal schaut FDP-Landtagsfraktionschef Martin Hagen ein bisserl ratlos. Ja, der Christian Lindner, er habe ihm ja gesagt, dass er kommen soll. Tat der aber halt nicht.

Robert Habeck? Noch Anfang der Woche hatte die Paulaner-Brauerei offensichtlich gehofft. Auf AZ-Anfrage hieß es da, er habe eine Einladung bekommen und nicht abgesagt. Und nun also "liebe Ricarda, lieber Dietmar".

"Schon schade, dass aus Berlin so wenige da sind", sagt Uschi Glas auf dem Nockherberg. Als Zeichen eines Bedeutungsverlusts des Derbleckens will Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) das aber nicht verstanden wissen. "In München und in Bayern insgesamt ist der Zulauf ja weiter riesig", sagt er. Reiter betont aber auch: "Ich hätte mir schon gewünscht, dass mehr Bundesprominenz da ist."

Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann sagt zur AZ, es wäre doch "schon schön gewesen, wenn Habeck und Lindner da gewesen wären und nebeneinander gesessen hätten und sich das auf der Bühne gespiegelt hätte".

Alt-OB Christian Ude, der es sich am Freitag richtig gemütlich macht und noch im Saal ratscht, als die Fernsehkameras schon lange aus sind und die Bühne schon wieder abgebaut wird, kritisiert die Berliner. "Es ist schade, das ist politisches Kalkül in der Hauptstadt", sagt er. "Man meidet Veranstaltungen, die kein Heimspiel sind. Man scheut ein Spiel, das nicht das Eigene ist. Natürlich fällt hier heute die Abstinenz auf." Dabei sei doch gerade dieses Derblecken ein "Fest der Demokratie" gewesen.

Die Konservativen wiederum nutzen die Debatte für ihr aktuelles Anliegen, den anderen Parteien - und insbesondere deren Berliner Spitzen - Bayern-Feindlichkeit vorzuwerfen. "Die im Norden in der Ampel", ätzt Ministerpräsident Markus Söder, "die mögen den Süden halt einfach nicht, diese Lindners, Baerbocks und Habecks." Sein Stellvertreter Hubert Aiwanger klingt ähnlich. "Entweder, die hatten Angst, dass sie abgewatscht werden oder sie verstehen unsere Kultur einfach nicht", sagt er. "Und dann verstecken sie sich lieber."

Offiziell übrigens hinter wichtigen Terminen. Es ist Sitzungswoche in Berlin. Dort zu bleiben wäre für den Dietmar übrigens weniger anstrengend, aber auch weniger unterhaltsam gewesen. "Im Bundestag habe ich schon schlechtere Reden gehört", sagt er. "Hier muss ich mich als Norddeutscher halt wegen der Sprache immer sehr konzentrieren."

Für Martin Weber, den CSU-Europapolitiker, sind, klar, die Grünen schuld, die "mal mehr Werbung in Berlin machen sollen", wie er dazwischenruft, als die AZ mit Claudia Roth spricht. Ricarda Lang zumindest ist ja tatsächlich gekommen. Warum? Weil ihr Freund Münchner ist, erzählt sie, habe sie Bezug zum Derblecken.

Der übrigens wäre gern mit in den Saal gekommen, sie durfte aber niemanden mitbringen. Immerhin, sie glaubt, dass in der heißen Phase des Wahlkampfs alle in Bayern auftreten werden. Vielleicht kommen die Roberts und Christians und Annalenas dann ja noch auf den München-Geschmack. Und 2024 gibt es auf dem Nockherberg wieder mehr prominente Gesichter.