Bayern

Singspiel am Nockherberg: Reif für die Insel

Beim Singspiel erweist sich der eher unbekannte CSU-Generalsekretärals heimlicher Star,Angela Merkelkehrt zurück undChristian Lindner sehnt sich nach Sylt. Ein Überraschungsmoment geht dennoch schief


Für viele ein Highlight: Angela Merkel (Antonia von Romatowski) paddelt an den Gestrandeten einfach vorbei.

Für viele ein Highlight: Angela Merkel (Antonia von Romatowski) paddelt an den Gestrandeten einfach vorbei.

Von Heidi Geyer

Wen Markus Söder auf eine einsame Insel mitnimmt - sicherlich nicht die politischen Mitstreiter von der Ampel und der Opposition. Und dennoch kommt es im Singspiel beim Politiker-Derblecken am Nockherberg am Freitag genau so.

Was hat man am Nockherberg nicht schon alles gesehen: Fitnessstudios, Seehofers Hirn oder den Weltraum. Die Autoren sind in diesem Jahr mit der Insel, auf der die Politiker nach einem Flugzeugabsturz landen, auf Nummer sicher gegangen.

Heuer hat erstmals Thomas Unger den bayerischen Ministerpräsidenten dargestellt. Ein bisserl ausgschamter - und damit näher am echten Leben - hätt' sein Söder schon sein dürfen! Unger tritt als Nachfolger von Stephan Zinner aber auch ein schweres Erbe an. Die Kollegen vom Kostüm haben gut aufgepasst und gleich den neuen Söder-Look mit Rolli unterm Sakko umgesetzt.

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Roland Schreglmann (hinten l-r, als CSU-Generalsekretär Huber), Thomas Unger (als bayerischer Ministerpräsident Söder), Stefan Murr (als stellvertretender bayerischer Ministerpräsidenten Aiwanger), Thomas Limpinsel (vorne l-r, als Wirtschaftsminister Robert Habeck), Nikola Norgauer (als Bundeskanzler Scholz), und Christian Pfeil (als Finanzminister Lindner) treten beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg beim Singspiel auf.

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Thomas Unger (r, als bayerischer Ministerpräsident Söder), und Roland Schreglmann (als CSU-Generalsekretär Huber), treten beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg beim Singspiel auf.

Viele Novizen sind es heuer: Besonders dran glauben muss CSU-Generalsekretär Martin Huber, brillant gespielt von Roland Schreglmann. Am Abend der Generalprobe schien die Hälfte des Publikums Mitleid mit dem armen Mann zu haben.

Die andere Hälfte fragt sich vermutlich heute noch, wer das eigentlich war ("Müller, Meyer, Huber?"), der zwar nicht sein letztes Hemd, wohl aber seine Boxershorts für Dr. Markus Söder geopfert hat.

Die drei Streithansel von der Ampel dürfen natürlich auch nicht fehlen. Olaf Scholz wird verkörpert von Nikola Norgauer. Eine originelle Wahl - nur die Pointe und streckenweise auch die Ähnlichkeit zum Kanzler bleiben aus.

Ganz anders Christian Pfeil als Christian Lindner. Man muss schon zweimal hinschauen, ob es nicht doch der echte Finanzminister im etwas zu engen Slimfit-Hemd und der unvermeidlichen schwarzen Sonnenbrille ist. Chapeau!

Beim Grünen Robert Habeck (Thomas Limpinsel), der zwar glaubhaft von "Wikinger*innen" abstammt, hapert's ein bisschen am Detail. Mei, was sollen's auch mit Norddeutschen am Nockherberg anfangen? Ganz so spröde nordisch by nature ist der angeblich schönste Mann im Kabinett sicherlich nicht. Das Duell der Streithansel beim Deutsch-Hip-Hop ist dennoch einmalig zum Fremdschämen.

Zwischendrin darf auch Dieter Reiter mal auftauchen aus dem Untergrund (und Sumpf?) der Zweiten Stammstrecke. Bei Gerhard Wittmann sitzt jeder Satz: "Le Stadt, c'est moi" heißt die Devise, und was die Hampelmänner aus der Staatskanzlei und Berlin diskutieren, interessiert den Herrn Reiter herzlich wenig.

Es fehlt, wie auch in der echten Politik, ein bisserl an den Frauen. Zwar würde Hubert Aiwanger (Stefan Murr) am liebsten Katharina Schulze (Sina Reiß) anknabbern, frei nach dem Motto: "Der Hunger treibt's nei." Oder, um es mit Aiwangers Worten zu sagen: "Als Jäger darf man nix verkommen lassen." Ist das schon eine Koalitionsabsicht?

Musikalisch ist von Klängen in Richtung Spider Murphy Gang über die Rocky Horror Picture Show bis zum irischen Shanty alles dabei. Das Highlight ist aber das Medley zum Kanzler, bei dem der Saal bebt ("All you need is Olaf").

Eine überraschende Reminiszenz an Winnetou war vor einigen Jahren der Auftritt von Uschi Glas. Heuer ist den Autoren etwas Ähnliches eingefallen: Die wunderbare Gisela Schneeberger verkörpert alles, was in Sachen Querdenkern, Reichsbürgern, Corona-Leugnern und anderswie Abgehängten in den vergangenen Jahren so geschehen ist. Da wird's auf einmal ganz staad im Saal. Stimmig ist hingegen der Auftritt von Angela Merkel (souverän: Antonia von Romatowski). Die fährt in einmaliger Kaltschnäuzigkeit mit dem Kajak an den Gestrandeten vorbei, gibt Parolen aus ("Ihr schafft das schon!") und paddelt in aller Seelenruhe weiter.

Dumm gelaufen für David Zimmerschied als Friedrich Merz, der seine Erzfeindin mit einer Harpune abschießen möchte, aber ein paar Minuten zu spät kommt. So zittrig und hektisch kennt man den aalglatten Mann nicht. Aber vielleicht liegt's ja an der Merkel. Dem Publikum hat es auf jeden Fall gefallen: Der Applaus war frenetisch.