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Löwen-Rezept mit Wirkung gesucht: Köllner braucht jetzt schnell Antworten

Nach dem Krisengipfel mit Investor Hasan Ismaik darf Michael Köllner Trainer bei Sechzig bleiben. Er braucht aber dringend die passende Antwort auf die sportliche Schieflage - am Samstag gegen Zwickau


Von Ruben Stark

Eine prall gefüllte Obstschale stand von den Krisengipflern auf dem Tisch. Orangen, Kiwis, Bananen, Äpfel, eine Ananas - Vitaminbomben zur Stärkung des Immunsystems. Gesundmacher, also. Und damit zum Patienten TSV 1860 von der Grünwalder Straße 114.

Dort macht sich eine Krankheit breit. Diagnose: akutes Wenig-Punkte-Syndrom. Deshalb war Investor Hasan Ismaik zur Chefvisite angereist und wollte von seinen Sechzig-Fachärzten erfahren, welche Medizin sie zu verabreichen gedenken. Nicht anzunehmen, dass allein die Obstauswahl als Genesungsempfehlung dargereicht wurde. Die Dinge sind dann schon etwas komplexer.

Insbesondere ist Trainer Michael Köllner gefordert, endlich das richtige Rezept gegen die Punktearmut zusammenzustellen. Es ist davon auszugehen, dass er sich nach der sonntagabendlichen Tagung im "Mandarin Oriental" nicht noch einen mannheimähnlichen Auftritt seiner Mannschaft erlauben kann, ohne damit seinen Job zu riskieren. Der Kredit scheint gerade in der Fanszene nahezu aufgebraucht.

Am Montag erwies der Sechzig-Coach erst einmal dem Meisterlöwen Hans Rebele die letzte Ehre, als der auf dem Münchner Ostfriedhof beigesetzt wurde. Ab heute muss Köllner seinem Team dann das im Herbst abhandengekommene Erfolgsgen wieder einimpfen, um am Samstag gegen den FSV Zwickau (14 Uhr) für die Drittliga-Trendwende zu sorgen. Sonst, ja sonst. . .

Ismaik, der sich mit demonstrativer Löwen-Siegerfaust neben einem leicht schmunzelnden Köllner und einem eher ernst dreinschauenden Sportchef Günther Gorenzel ablichten ließ, mahnt, überstürzte Reaktionen zu unterlassen. Inwieweit damit Köllners Besuchs-Charmeoffensive bei ihm gegen Ende des letzten Jahres zu tun hat? Jedenfalls ließ der Jordanier nach der Sitzung mit dem Trainer, den Geschäftsführern Gorenzel und Marc-Nicolai Pfeifer sowie seinem Statthalter Anthony Power über seine Social-Media-Kanäle verlauten: "Wir sind uns einig: Wir halten zusammen! Jeder Verantwortliche, der seine ganze Leistung einbringt, genießt meine und sicherlich auch die volle Unterstützung der Vereinsseite. Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen und nach jedem Rückschlag, alles in Frage stellen. Ein Blick in die 1860-Historie bestätigt, dass Kurzschlussreaktionen immer ein schlechter Ratgeber waren."

Allerdings muss aktuell kein kurzfristiges Krankheitsbild behandelt werden, die Symptome waren und sind seit Monaten bekannt. In der zwei Monate langen Winterpause war reichlich Zeit zur Therapie, funktioniert hat sie entgegen aller Beteuerungen bisher nicht. Und es ist den Löwen zweifellos zu raten, ein schnell wirkendes Heilungsmittel zu finden, ehe das große Ziel außer Reichweite gerät. "Wir Löwen sind grundsätzlich große Kämpfer und resignieren nie", ließ Ismaik noch ausrichten.

Das allein wird aber nicht reichen. Die AZ fragte bei Rudi Bommer nach, vor knapp 20 Jahren für ein paar Monate Löwen-Trainer und heute Drittliga-Experte bei Magentasport. Wie beurteilt er die Lage bei 1860? "Ich würde das nicht so schwarz sehen, ich bin ein positiver Mensch", meinte der 65-Jährige. Er sieht gerade in der langen Ligaunterbrechung eine Erklärung für den uninspirierten 1:3-Fehlstart der Blauen. "Es ist nicht ganz einfach, diese Pause zu gestalten. Man weiß nicht genau, wo die Truppe steht, die Testspiele sind ja pillepalle. Wie man sieht, haben am Wochenende so einige gepatzt", erklärte der frühere Nationalspieler.

Bommer verspricht sich von der Verpflichtung des potenziellen Unterschiedsspielers Raphael Holzhauser möglicherweise entscheidende Impulse. "Der Transfer zeigt, dass man sich Gedanken gemacht hat", findet der gebürtige Aschaffenburger, der gerade die dem Österreicher zugedachte Leaderrolle als gewinnbringend beurteilt. "Der Trainer muss das Spiel noch ein bisschen mehr auf Holzhauser zuschneiden, aber dafür gibt es jetzt nach dem Auftakt die Zeit und die Anhaltspunkte."

Bommer sieht es als typisch an für das Business, dass der Coach unter Druck gerät, "wenn es nicht gleich funktioniert, dann ist er derjenige, der den Kopf hinhält." Für ratsam hält er eine Demission Köllners trotz der nervösen Gemengelage mit Fanunmut und anhaltender sportlicher Misere derzeit nicht, die Mannschaft sei schließlich nur vier Punkte vom direkten Aufstiegsplatz entfernt.

"1860 ist ein heißes Eisen und du machst mit dieser Diskussion nur noch mehr Unruhe", plädierte Bommer für Besonnenheit. Die vollmundigen Aussagen im Vorfeld des Mannheim-Missglücks zum gelungenen Trainingslager und der insgesamt geglückten Vorbereitung, zum also angeblich pumperlgesunden und vor Energie strotzenden Löwen-Rudel, kann der 417-malige Bundesligaprofi nachvollziehen. "Das ist normal, damit versuchst du, die Mannschaft zu stärken."

Sonnenklar ist für Bommer allerdings auch, dass Sechzig im ersten Heimspiel nun wirklich im neuen Jahr ankommen muss. "Gegen Zwickau musst du das Ding ziehen, diese Mannschaft ist hinten anfällig", betonte Bommer, der das erste Spiel der Sachsen gegen den VfB Oldenburg (0:1) vor Ort in seiner Expertenfunktion verfolgte. Die Frage sei nur, ob die Mannschaft auch die Nerven habe, dass der Trainer sie nicht mehr erreiche, diesen Eindruck hat Bommer nicht.

Ist also Ismaiks Siegerfaust ein gutes Omen? Wenn nicht, dann könnte die nächste Krisensitzung mit einer anderen Erklärung enden als mit einer, die Zusammenhalt dokumentieren soll.