Überblick

Auf dünnem Eis

Eishockey ist dem Wetter entkommen, hat sich aber von der Energie abhängig gemacht. Die DEL legt sich nun ein viergliedriges Nachhaltigkeitskonzept auf - damit der Sport auch langfristig noch fortbesteht


"Nachhaltigkeit hat jetzt auch eine finanzielle Komponente für die Klubs": Die Deutsche Eishockey Liga misst ihren CO2-Fußabdruck. Sie will und muss einsparen.

"Nachhaltigkeit hat jetzt auch eine finanzielle Komponente für die Klubs": Die Deutsche Eishockey Liga misst ihren CO2-Fußabdruck. Sie will und muss einsparen.

Von Martin Wimösterer

München - Ist das noch paradox oder doch schon Greenwashing? Die beste Eishockeyliga der Welt behauptet: "In der NHL ist Wasser unsere DNS", womit sie im Kern Recht hat - ohne Wasser keine Eisfläche und damit auch kein Eishockey.

Doch gleichzeitig umfasst die NHL Klubs und deren Eishallen in der Wüstenstadt Las Vegas, im heißen Südkalifornien und in den Glutöfen von Texas und Arizona. An einigen dieser Standorte gibt es für die Bürger phasenweise angeordnete Wasserrationierung. . .

Die NHL ist in diesen trockenen Regionen ein Eindringling, ein "Wirtschaftsflüchtling". Das Eishockey ist dort nicht daheim. Aber wo ist es das strenggenommen schon noch (im Profibetrieb)?

Seine angestammten Habitate - Weiher, Seen, und sonstige gefrorene Flächen in kälteren Zonen - hat das Eishockey auch hierzulande längst verlassen. Es wollte weg vom dünnen Eis und den Launen der Natur, hin zu verlässlichem Kunsteis - es hat sich zur Hallensportart gemacht.

Angesichts des Klimawandels ein unumkehrbarer Tausch, selten ist es draußen zapfig genug für Sport auf vereisten Seen. Doch die Frage bleibt: Geht der Kuhhandel noch auf?

Der Eishockey-Sport hat sich zwar unabhängig von der Willkür des Wetters gemacht, im Gegenzug unterwarf er sich der Energie. Und inzwischen bewegt sich das Eishockey auch da - auf dünnem Eis. Seit dem Angriff des Gas-Dealers Russland auf die Ukraine ist Energie ein teurer Spaß geworden, die Preise haben sich - bei Vertragsneuabschluss - nicht selten vervielfacht.

Und ressourcenreich war der menschengemachte Eissport schon zuvor. Ein Beispiel: Das altehrwürdige Eisstadion am Oberwiesenfeld benötigt an einem Spieltag circa 6200 kWh Strom pro Tag für Licht und Kälte und circa 5200 kWh Fernwärme, für das Jahr rechnet der Olympiapark mit einem Verbrauch rein fürs Eishockey von rund 2,2 Mio. kWh Strom und 1,8 Mio. kWh Fernwärme. Das ist der Gesamtjahresbedarf von 800 Vier-Personen-Haushalten - für ein Stadion, das allerdings Millionen Eisläufer, Spieler und Besucher anlockt.

Wie nachhaltig ist der Pucksport hierzulande? Die Deutsche Eishockey Liga (DEL) kommt, anders als die NHL, ohne Wüstenklubs aus, wobei auch in den deutschen Städten die Wasserbilanz negativ ist. Einmal Eismachen verschlingt rund 1000 Liter Wasser.

"Das Eishockey ist schon sehr nachhaltig", sagt Jörg von Ameln und verweist auf das kürzlich vorgestellte viergliedrige Nachhaltigkeitskonzept. "DEL4 - das vierte Drittel" heißt es und wurde in Zusammenarbeit mit einem externen Berater erstellt. Es geht, vereinfacht gesagt, um fairen Sport, der für alle Menschen da ist, den Nachwuchs fördert - und eben die Umwelt schützt. DEL-Spielbetriebsleiter von Ameln: "Der Punkt Natur hat jetzt natürlich eine hohe Priorität. Uns sind zugleich alle vier Bereiche extrem wichtig."

Es soll gespart werden. Einige Punkte des Konzepts, darunter die Erfassung des eigenen CO2-Fußabdrucks, muss künftig jeder Klub im Lizenzierungsantrag nachweisen - ansonsten fliegt er aus der Liga. Die DEL orientiert sich in ihrer Messung und Zielsetzung am Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol). Die Klubs weisen künftig die Energie aus, die sie einkaufen und erzeugen. Oben drauf - Punkt drei des GHG Protokolls muss nicht voll erfüllt werden - wird auch nach den Emissionen der Mobilität von Fans, Mannschaft und Betreuern verlangt.

Der Zuschauerverkehr zum Spiel und wieder heim ist der größte Umweltsünder. Das haben Forscher zur finnischen Liga errechnet (Studie liegt der AZ vor). Demnach verursachte die An- und Abreise der Fans 63 Prozent des gesamten CO2-Fußbabdrucks der Liga (6521,5 t CO2-eq). Der Energiebedarf für die Halle machte 27 Prozent aus. Eine weitere finnische Studie ermittelte, dass beim kleinen, zuschauerschwachen Klub Jukurit Mikkeli durch den Zuschauerverkehr rund 10 000 kg CO2-eq entstehen, rund ein Zehntel mehr als durch die An- und Abreise der Spieler. Rund 79 Prozent der Fans reisten mit dem Auto an.

Das Fan-Verhalten - ein entscheidender Punkt in ihrer Energiebilanz, den die Klubs nur durch Gutzureden beeinflussen können. Nichts, was sie direkt selbst tun können wie die Umstellung auf LED-Beleuchtung, die Einführung von Mehrwegbechern oder den Einbau eines Energie-Managements. Von Ameln erzählt darum von Fan-Abenden der Klubs, "bei denen die Werte erläutert werden". Das ÖPNV-Ticket ist bei 13 der 14 Teams (auch beim EHC Red Bull München) in der Eintrittskarte inbegriffen. "Es bewegt sich schon was", meint von Ameln mit Blick auf die Parkhausbelegung.

In der reinen Bittsteller- und Mahnerrolle - wie schon bei den Fans - sind die (meisten) deutschen Klubs auch bei neuer, ressourcenschonenderer Infrastruktur. In aller Regel ist die Kommune der Hallenbetreiber, selbst in der DEL ist das Stadion nur in derzeit fünf Fällen in (quasi-)privater Hand. Der Deutsche Eishockey-Bund, neben den Nationalteams auch für den Amateursport zuständig, schreibt in einem Positionspapier zur Energiekrise: "Mittel- bis langfristig gilt es, die Eishallen von fossilen Energien unabhängig zu machen und nachhaltig, CO2-neutral zu sanieren."

Im europäischen Ausland, etwa in Tampere (Finnland) oder bei einer durch Erdwärme betriebenen Halle in Norwegen, hat sich was getan. In Deutschland? Da gibt es viele alte Hallen. Am Ende geht es eben darum, wer zahlt. Die Kommunen sehen die Eishallen von Amateur- und Nachwuchsteams inzwischen oft als ersten Sparfaktor im Haushalt.

Gerade in Bayern geht nun die Angst um. Wie Frank Butz, Eishockey-Obmann des Bayerischen Eissport-Verbandes der "Eishockey News" sagte, überlegten rund die Hälfte der Betreiber der rund 90 bayerischen Eishallen, deren Pforten zur nächsten Saison zuzulassen oder sie kürzer zu öffnen. "Der Eissport in Deutschland ist in einem schleichenden Sterbeprozess", meinte Butz. Wenn sich denn nichts ändert. . .

Für die Profiligen steht weniger die kurzfristige, eher die langfristige Existenz auf dem Spiel. Von Ameln hält das DEL-Konzept, das in jedem Klub von einem Beauftragten überprüft werden muss, für maßgeblich: "Nachhaltigkeit hat jetzt auch eine finanzielle Komponente für die Klubs. Ich glaube an unser Konzept - wir wollen ja auch in 100 Jahren noch DEL-Eishockey sehen."

Das DEL-Büro in Neuss hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 die Hälfte der Emissionen einzusparen und bis 2040 klimaneutral zu arbeiten. Von Ameln sagt: "Dieses Ziel haben wir auch unseren Klubs mitgegeben." Seine Perspektive: "Wir sind auf dem Weg, alleine schaffen wir das aber nicht. Jeder ist gefragt." Es brauche die Hilfe der Politik - und der Fans.