DFB-Vizepräsident im Interview

Rainer Koch zu Pyro bei 1860: "Die Kurve ist kein rechtsfreier Raum"


Von Markus Giese

DFB-Vizepräsident Rainer Koch spricht in der AZ über die Attacken aus der Ultraszene, die Pyro-Exzesse bei 1860 und die Lage des Klubs: "Ich hoffe, die Löwen können eine gute Zukunft haben".

AZ: Herr Koch, eine provokante Frage zum Einstieg: Herrschen beim BFV mafiöse Strukturen?
RAINER KOCH: Da fehlt mir schlichtweg jedwede Fantasie, um mir das überhaupt vorstellen zu können.

Zumindest lautet so der ständige Vorwurf aus der Ultraszene - auch gegen Sie persönlich.
Ich habe ein Mädl angerufen, das damals im Grünwalder Stadion auf den Zaun geklettert war und dieses Transparent in der Hand hatte ("Ihr werdet von uns hören", d. Red.). Sie war recht überrascht, als sie mich am Telefon hatte. Ich habe ihr gesagt, was Mafia eigentlich ist. Und ich habe sie zum BFV und einem persönlichen Gespräch eingeladen, leider habe ich von ihr nichts mehr gehört. Bedauerlicherweise wird der Dialog aber nur eingefordert, die Auseinandersetzung findet nicht statt. Der Vorwurf ist schlicht absurd.

Im Grünwalder warfen Fans gegen Würzburg auch Geldscheine mit Ihrem Konterfei drauf auf den Platz. Als wären Sie ein Verbrecher.
Das gehört wohl dazu: Dass sich diejenigen, die Verantwortung übernehmen, derart verunglimpfen lassen müssen. Meine Vita ist genug Beleg dafür, dass ich mich nicht verteidigen muss. Im Übrigen bin ich weder beteiligt gewesen an den Entscheidungen über die Montagsspiele, noch bin ich beteiligt an Vermarktungsfragen. Aber um das zu wissen, müsste man sich mit der Thematik auch beschäftigen.

Sie wirken angegriffen. Auch ein DFB-Vize-Präsident geht abends irgendwann nach Hause, zu seiner Frau, zu seiner Familie...
Ich bin von Beruf Richter. Ich halte es seit Jahrzehnten so, dass ich das alles nicht mit nach Hause nehme. Ich finde es jedoch sehr bedauerlich, wenn der Dialog nicht stattfindet. Ich bin ein Gesicht der Institution, die attackiert wird. Die Kritik wird mit meinem Kopf verbunden, hat aber mit dem, wofür ich sachlich stehe, gar nichts zu tun. Wir drehen uns im Kreis.

Löwen-Präsident Robert Reisinger kritisierte die Sechzig-Ultras, dass diese durch ihre ständigen Pyro-Exzesse ohnehin nur dem Verein schaden würden.
Es geht für uns ja nicht darum, dem Verein wehzutun. Sondern darum, dass in den Fankurven Stadionordnungen durchgesetzt werden. Diejenigen, um die es geht, meinen, dass sie in der Kurve machen können, was sie wollen. Aber die Kurve ist kein rechtsfreier Raum.

Es gibt nun das Modell, dass die Täter persönlich bestraft werden sollen. In den Kurven ist in der Regel die Solidarität aber größer.
Das Problem ist, an die Täter heranzukommen. Ziel ist es, dass Verband und Vereine nicht in Dauerstress geraten, sondern dass die Klubs gegen die Täter vorgehen können. Die Sanktionen richten sich gegen den Verein, der Klub kann die Strafen aber rückgängig machen, wenn er die Täter selber identifiziert und gegen sie vorgeht. Das ist der Hintergrund.

In Giesing kennt man sich. Vermissen Sie mehr Konsequenz vonseiten des TSV 1860?
Täter können nur im engen Schulterschluss identifiziert werden. Der Verband kennt die einzelnen Personen nicht. Es darf nicht soweit kommen, dass ein Verein in seinem Budget einen Betrag für die Pyros der Kurve miteinplant. Ein Täter kann dem Sportgericht noch bis zu einem Jahr im Nachhinein mitgeteilt werden. Aber: Ohne das aktive Zutun der Vereine kann das Problem nicht gelöst werden.

Hat Sechzig schon einen Täter mitgeteilt?
Da ist mir nichts bekannt.

In Teil zwei des Interviews spricht Rainer Koch über Montagsspiele, Auf- und Abstiegsmodalitäten in der 3. Liga und seinen Wunsch an die Löwen.