Notzinger Doppelmord

Welche Rolle spielt der Drachentöter?


Foto: Armin Weigel, dpa

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Von kö

Es gab Tage, die hat er größtenteils in den Scheinwelten von Computerspielen verbracht. Nur dort habe er die "Bedeutungslosigkeit seiner Person" vergessen können, hat Christoph W., der sich derzeit wegen Doppelmordes vor dem Landgericht verantworten muss, seiner Psychiaterin in der Haft anvertraut. Verteidiger Winfried Folda sieht einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den "Ballerspielen" seines Mandanten und der Tatsache, dass dieser am 30. März 2012 auf brutalste Art und Weise die Eltern seiner ehemaligen Verlobten umgebracht hat. Doch die Verbindung zwischen virtueller und realer Gewalt ist umstritten. Und so nahm sich die erste Strafkammer unter Vorsitzender Richterin Gisela Geppert nach einem Beweisantrag des Verteidigers am Montag ausführlich Zeit, sogenannte Ego-Shooter selbst in Augenschein zu nehmen.

Ego-Shooter sind eine Kategorie der Computerspiele, bei welcher der Spieler aus der Ich-Perspektive heraus in einer frei begehbaren, dreidimensionalen Spielwelt agiert und mit Schusswaffen andere Spieler, computergesteuerte Gegner oder Monster bekämpft. Richterin Geppert konnte den Sinn dieser Spiele offensichtlich nicht nachvollziehen: Warum man diese Monster denn jetzt töten müsse, wollte sie bei einem Spiel von dem ermittelnden Beamten der Kriminalpolizei Erding wissen, der die Festplatte von Christoph Ws Computer ausgewertet hatte und die Prozessbeteiligten gestern in Sachen Ego-Shooter aufklärte. "Man tötet, um Erfahrungspunkte zu bekommen", so der Beamte. Wie die Auswertung ergeben habe, habe Christoph W. Computerspiele bevorzugt, die "relativ brutal" seien. Häufig finde in ihnen ein "echter Nahkampf" zwischen dem Spieler und seinen Feinden statt.

Für Verteidiger Winfried Folda geht es in erster Linie um die Frage, welche Rolle ein "Drachentöter"-Computerspiel für den Doppelmord spielt. Christoph W., der die Tat zu Prozessbeginn eingeräumt hatte, hat sich eigenen Angaben zufolge in der Nacht vor der Bluttat stundenlang mit dem Spiel "Skyrim" beschäftigt, bei dem es um das Töten von Drachen geht und das ab 16 Jahre freigegeben ist. Das könne, so Folda, der letzte Auslöser für die Tat seines Mandanten gewesen sein und damit bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit eine Rolle spielen. Wie am Rande des Prozesses bereits zu vernehmen war, bescheinigt der Sachverständige Prof. Norbert Nedopil dem 22-Jährigen bislang zwar eine Persönlichkeitsstörung. Eine Einschränkung der Schuldfähigkeit ist für ihn aber nicht gegeben.

Mancher Prozessbeteiligter konnte bei einigen Szenen von "Skyrim" gewisse Parallelen zu dem Tötungsablauf im Haus der Eltern von Christoph Ws ehemaliger Freundin in Notzing ausmachen. Ob die Kammer einen Zusammenhang zwischen dem Computerspiel und den Morden feststellt, wird sich voraussichtlich am 13. März zeigen: An diesem Tag soll das Urteil verkündet werden.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.