Pressestimmen

Niersbach-Rücktritt: Offene Fragen "weiter nicht beantwortet"


DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat am Montag im Anschluss an die Präsidiumssitzung des Deutschen Fußball-Bundes seinen Rücktritt erklärt.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat am Montag im Anschluss an die Präsidiumssitzung des Deutschen Fußball-Bundes seinen Rücktritt erklärt.

Von Manfred Fischer / Onlineredaktion

Wolfgang Niersbach ist als DFB-Präsident zurückgetreten. An seinen Posten bei der UEFA und FIFA hält er fest. So kommentiert die Presse seinen Teilrückzug.

Die "Berliner Morgenpost" schreibt: Unverkennbar hat die Kommerzialisierung dazu geführt, dass Geld längst der wichtigste Lohn bei Wettkämpfen geworden ist, zumindest für viele Funktionäre. Sie haben sich unter dem Deckmantel des hehren Anspruchs vom friedlichen Wettstreit und Miteinander eine hässliche Parallelwelt der Raffsucht erschaffen können. Und so wenig der Sport dies verhindert hat, so wenig ist er auch zur Selbstreinigung in der Lage. Erst staatliche Institutionen sorgen mit Unterstützung der Medien für die Korrekturen und erzwingen Anklagen, Ablösungen oder Rücktritte wie den Wolfgang Niersbachs. Der Sport liegt in Trümmern, seine gesellschaftliche Bedeutung gerät auch unterhalb des Profigeschäfts in Gefahr. Aber die ursprüngliche Gemeinnützigkeit ist vielen Sportfunktionären der Generation Blatter ja schon lange egal.

Der "Mannheimer Morgen" kommentiert: Dass sich Niersbach offenbar spontan und trotz Rückhalts im Verband zur Amtsaufgabe entschied, lässt (...) erahnen, dass die vom DFB mit der Untersuchung des Vorgangs beauftragte Kanzlei Freshfields gestern Indizien für die schlimmste aller Vermutungen vorgelegt haben muss: Das Geld wurde wohl tatsächlich zum Kauf der notwendigen Stimmen für die Weltmeisterschaft 2006 eingesetzt. (...) Wenn nun nach all den Gerüchten um Katar und Russland ausgerechnet dem deutschen Verband zum ersten Mal Bestechung bei einer WM-Vergabe nachgewiesen werden könnte, stünde der DFB vor Erschütterungen ungeahnten Ausmaßes - es wäre tatsächlich der größte Skandal, den der Fußball hierzulande je erlebt hat.

Das "Flensburger Tageblatt" meint: Auf die Frage, seit wann er von der falsch deklarierten 6,7-Millionen-Euro-Überweisung wusste, hatte Niersbach immer wieder behauptet, dies sei in diesem Sommer gewesen. Als der "Spiegel" ein Faksimile eines Briefentwurfs aus dem Jahr 2004 mit einer handschriftlichen Bemerkung veröffentlichte, die Niersbach zuzuschreiben ist, stand fest, dass der DFB-Präsident mehrfach die Unwahrheit gesagt hatte. Dass Niersbach trotz allem seine Posten in den Exekutivkomitees der Europäischen Fußball-Union UEFA und des Weltverbands FIFA behalten soll, wirft kein gutes Licht auf den DFB. Eine Fortsetzung jener Klüngelei, mit denen sich Verbandsfunktionäre gegenseitig über Wasser halten. Ein fatales Signal. Nach dieser Demission zieht sich die Schlinge um Beckenbauer und Co. weiter zu. Die 6,7 Millionen Euro waren Schmiergeld, das steht so gut wie fest. Für wen auch immer. Der Kaiser könnte es erklären. Wird er aber wohl nicht.

Die "Schwäbische Zeitung" schreibt: Niersbach hat spät reagiert und seine Krisenkommunikation war schlecht, aber das Finale rund um Korruptionsvorwürfe und den Verdacht der Steuerhinterziehung haben wir noch nicht erlebt. Niersbach war in der Zeit vor der Heim-WM zwar ein prominenter Fußball-Funktionär, die Fäden hielt er aber nicht in der Hand. Deshalb ist der Abschied vom hohen Amt zwar persönlich ehrenwert, bedeutet neben dem persönlichen Karriere-Ende aber keinen Schlussstrich unter die Affäre. Die offenen Fragen sind weiter nicht beantwortet und es muss damit gerechnet werden, dass sich Ikonen des deutschen Fußballs und mutmaßliche Protagonisten der Affäre wie Franz Beckenbauer oder Günter Netzer weiterhin bedeckt halten. Von einem Schritt in Richtung Aufklärung kann keine Rede sein.