Freihandelsabkommen

EU-Abgeordneter Klaus Buchner: TTIP „zerstört große Teile unseres Rechtsstaats“


Klaus Buchner fürchtet bei den Freihandelsverhandlungen mit den USA um die Demokratie. (Foto: Peherstorfer)

Klaus Buchner fürchtet bei den Freihandelsverhandlungen mit den USA um die Demokratie. (Foto: Peherstorfer)

Von Markus Peherstorfer und Redaktion idowa

Vor fünf Jahren hat der Physikprofessor Klaus Buchner den Vorsitz seiner Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) aufgegeben - aus Altersgründen. Seit einem Jahr ist der 74-Jährige wieder sehr aktiv: als erster Europaabgeordneter seiner Partei und als einziger Münchner im Straßburger Parlament. Dort sitzt er im auswärtigen Ausschuss und kämpft gegen Atomkraft, Gentechnik und Schiedsgerichte wie bei TTIP, die er im Interview mit unserer Zeitung einen "Skandal" nennt.

Herr Buchner, Sie sitzen seit einem Jahr für die ÖDP im Europaparlament. Wie lange haben Sie gebraucht, um sich zurechtzufinden?
Buchner: Das ging schnell. Ein Problem war dagegen, die eigene Organisation aufzubauen. Ich habe am Anfang auf dem Gang gearbeitet, ohne deutsche Tastatur - eine Mitarbeiterin hat mühsam Umlaute kopiert und in meine Texte eingesetzt. Und dann hat es natürlich eine Zeit lang gedauert, bis ich in den Ausschüssen wirklich effektive Arbeit leisten konnte.

Sie sind jetzt in einer Fraktion mit den Grünen. Gibt es da manchmal auch Reibereien?

Buchner: Nein, das ist menschlich sehr nett. Ich bin ein unabhängiges Mitglied, führe also mein politisches Eigenleben. Wenn ich in wichtigen Abstimmungen anderer Meinung bin, sage ich das vorher in der Fraktionssitzung. Ich nehme das als Chance wahr: In einer wichtigen Sache, nämlich beim Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, konnte ich andere auf meine Seite ziehen.

Worum ging es da konkret?


Buchner: In diesem Abkommen sollten zum Beispiel Schiedsgerichte möglich gemacht werden, ebenso der Anbau von gentechnisch verändertem Getreide. Dem konnte ich natürlich nicht zustimmen.

Sie sind jetzt Mitglied im auswärtigen Ausschuss. Wie kommen Sie mit der Außenpolitik zurecht?


Buchner: Ich wollte da unbedingt rein, Außenpolitik interessiert mich sehr. Ich habe zu tun mit Ländern wie dem Iran oder Ägypten und war gerade letzte Woche in Palästina, wo es Kriegsverbrechen am laufenden Band gibt. Dass einen das persönlich belastet, ist klar. Aber ich habe den Eindruck, ich kann im Ausschuss etwas bewegen.

Angesichts der Flüchtlingskrise fordern Sie die Einführung eines europäischen Asylbewerbungsverfahrens. Was stellen Sie sich da vor?

Buchner: Dass die Aufnahme der Flüchtlinge zentral geregelt wird. Das wäre sicher fair. Einige wenige Länder sind derzeit überlastet. Wenn wir ein gemeinsames Europa wollen, wäre es sinnvoll, hier eine gemeinsame Politik zu machen. Wir sollten aber auch versuchen, nicht diejenigen Leute nach Europa zu bringen, die viel lieber in ihrem eigenen Kulturkreis bleiben würden. Die Zustände in den Flüchtlingslagern im Nahen Osten sind zum Teil wirklich grauenhaft. Wir könnten dort mit verhältnismäßig wenig Geld sehr viel Gutes tun.

Sie haben vor Kurzem gegen eine Entschließung gestimmt, mit der das Parlament Vorgaben für das geplante Freihandelsabkommen TTIP mit den USA macht. Lehnen Sie Freihandel komplett ab?

Buchner: Freihandel lehne ich nicht ab, im Gegenteil. Aber dieses Abkommen zerstört große Teile unseres Rechtsstaats und unserer Demokratie. Was mich am meisten stört, ist die sogenannte regulatorische Kooperation, die bei TTIP verpflichtend werden soll. Das bedeutet, das jedes Gesetz, das die Kommission formulieren will, vorher mit den Amerikanern abgesprochen werden muss. Und da sitzen am Verhandlungstisch schon Wirtschaftsvertreter, die Rechenschaft darüber verlangen, ob das für die Wirtschaft nützlich ist oder nicht. In einer Demokratie sind aber die Bevölkerung beziehungsweise ihre Vertreter für Gesetzentwürfe zuständig.

In dieser Entschließung steht aber immerhin, dass es keine privaten Schiedsgerichte geben soll. Das reicht Ihnen nicht?


Buchner: Das ist eine Augenwischerei. Es gibt zwei Grundprobleme mit den Schiedsgerichten: Erstens geht es da nicht um Ersatz für den entstandenen Schaden, sondern für den entgangenen erwarteten Gewinn. Und zweitens wird etwa bei Ceta, dem Abkommen mit Kanada, von den Schiedsrichtern verlangt, dass sie die Handelsgesetze kennen, aber nicht, dass sie sich daran halten. Mit einem Rechtsstaat hat das nichts zu tun. Das ist ein Skandal.