Rasierklingen-Köder in Cham

Köderserie nimmt kein Ende - "Fonsi" hat noch einmal Glück gehabt


Als junger French Bulldog ist "Fonsi" extrem neugierig. Die präparierten Köder hat er aber zum Glück nicht gefressen.

Als junger French Bulldog ist "Fonsi" extrem neugierig. Die präparierten Köder hat er aber zum Glück nicht gefressen.

Ist es immer derselbe oder sind es verschiedene Täter? Immer öfter finden Hundebesitzer präparierte Köder, die Hunden größtmöglichen Schaden zufügen sollen. Gift am Katzberg, Glasscherben in Geigant, Metallklingen bei Neumühlen.

Jeder Köder geeignet, den Vierbeiner qualvoll zu töten. Der jüngste Fall geht immerhin gut aus: Am Montagabend entdeckt Patrick Schmaderer in Arnschwang mit scharfen Klingen gespickte Wiener Würstchen entlang eines Radwegs. Sein einjähriger Rüde Fonsi hatte den Köder erschnüffelt.

"Ich habe schon fast gewartet, dass der Hund Blut spuckt"

"Ich habe an Händen und Füßen gezittert und schon fast gewartet, dass der Hund jeden Moment Blut spuckt", erzählt der 24-jährige Schmaderer. Auf der gewohnten Abendrunde auf dem Radweg nach Neumühlen mit dem jungen French Bulldog bemerkte der Arnschwanger am Montag gegen 20.30 Uhr, dass Fonsi eine ganze Strecke am Boden entlangschnuffelte. "Er ist vorausgelaufen, mit der Schnauze am Boden entlang. Ich habe schon immer ‚Aus' gerufen, und als ich bei Fonsi ankam, sind da die Würstchen mit den Klingen gelegen." Der Köder war auf Höhe des ehemaligen Stellwärterhäuschens ausgelegt.

Schmaderer rast mit seinem Hund nach Furth im Wald zum Tierarzt. Fonsi wird zweimal geröntgt, dann die Entwarnung: Offensichtlich hat der Junghund Glück gehabt - er hat keine Klinge im Körper. Die Further Polizisten, die zum Tierarzt kommen, machen Schmaderer gleich wenig Hoffnung darauf, den Täter zu finden. "Den müsste man schon fast auf frischer Tat ertappen, um ihn belangen zu können", sagen sie zu Schmaderer, der Fonsi zusammen mit seiner Freundin Petra Wegscheider vor einem dreiviertel Jahr zu sich geholt hat. Die Klingen, so viel stellen die Polizeibeamten schnell fest, sind keine Rasierklingen. Sie hoffen, dass eine genauere Untersuchung der Metallteile zum Täter führt.

Schmaderer selbst klingt immer noch mitgenommen nach dem Vorfall: "Um Gottes Willen, man hängt ja so an dem kleinen Tier." Er ist nur froh, dass seinem Hund nichts passiert ist. "Den Rundweg gehen eigentlich viele Hundebesitzer", weiß Schmaderer. "Für mich war das immer praktisch nach der Arbeit, wenn es schon finster war, so eine dreiviertel Stunde den Rundweg entlang." Zum Spazieren wird Schmaderer sich künftig eine andere Strecke suchen.

Ein paar Kilometer weiter bei Neumühlen hatte im vergangenen Jahr im April Border-Collie-Mix Deejay ebenfalls einen mit herausgebrochenen Rasierklingen versetzten Köder erwischt. Deejay hatte damals nicht so viel Glück: Der Hund von Claudia Hemmer aus Dalking hatte 14 in Fleischbrei verborgene Rasierklingen gefressen, in einer Notoperation konnten Tierärzte 13 davon entfernen. Eine Woche nach dem Köderfraß starb der erst fünfjährige Rüde. Bis heute ist der Hundehasser, der den Köder auslegte, nicht gefasst.

Herrchen auf der Lauer: Polizei befürwortet Mithilfe der Bevölkerung

"Das ist generell schwierig", sagt der Leiter der Chamer Polizei, Alfons Windmaißer. Man müsse die Täter direkt bei der Tat erwischen. Wohl deshalb gingen in solchen Fällen auch nur äußerst selten Hinweise aus der Bevölkerung ein. "Jeder Fall ist einer zuviel", betont Windmaißer - und befürwortet Aktionen wie die von Hundetrainer Fred Kerscher, der sich künftig mit anderen zusammen auf die Lauer legen will. "Das ist nicht verboten, und vielleicht hat man da ja Glück." Anders als manche Hundebesitzer glaubt Windmaißer nicht an einen einzelnen verrückten Hundehasser. "Der müsste dann ja zwischen den Gemeinden pendeln, wieso sollte jemand so etwas machen?" Auch die Methoden variieren. Statt Rasierklingen fanden Hundebesitzer vor zwei Wochen in Geigant Glassplitter in Wiener Würstchen. Die Teilnehmer einer Fackelwanderung hatten sich am Roßhof auf einem Parkplatz getroffen - rund um ihre Autos lagen die präparierten Köder. Am Roßhof wandern öfter Hundegruppen, auch die Polizeihundeschule Herzogau nutzt die Wälder rund um Geigant für Erziehungsspaziergänge. Doch obwohl sogar die Tierschutzorganisation PETA eine Belohnung in Höhe von 500 Euro ausgesetzt hat, sind bis dato noch keine Hinweise auf den Täter bei der Polizei eingegangen. "Leider", sagt der zuständige Sachbearbeiter. "Wir würden uns über Hinweise freuen." Die Umstände seien an dem Sonntagabend im Januar denkbar schlecht gewesen für Ermittlungen: "Da war es dunkel, Schneematsch, und überall Fuß- und Reifenspuren. Man weiß gar nicht, wo man da ansetzen könnte."

Auch bei den Hunden, die vor wenigen Monaten bei Roding und am Katzberg vermutlich durch Giftköder qualvoll verendet sind, tappt die Polizei in Sachen Täter im Dunkeln.

Judith Pein von PETA betont, dass besonders scharfkantige Gegenstände in Ködern ja für Kinder und freilebende Tiere ebenfalls eine Gefahr darstellen. PETA appelliert an alle Hundebesitzer, entdeckte Köder stets der Polizei zu melden. Weitere Köder sollen diese Woche in Chamerau und am Gibacht gefunden worden sein. Zumindest bei der Polizei war davon allerdings bis Dienstag nichts bekannt.

"Das ist ein Psychopath"

"Das ist ein Psychopath, der muss krank sein", sagt Fred Kerscher. Der Hundetrainer aus Willmering war am 10. Januar mit einer Gruppe Hundefreunde am Roßhof bei Geigant zu einer Fackelwanderung unterwegs. Bei der Rückkehr fand eine Teilnehmerin neben den Autos die mit Glasscherben gespickten Wiener Würstchen. "Wir hatten Glück, denn weil das Wetter recht schlecht war, als wir aus dem Wald gekommen sind, haben die meisten gewartet, bis wir die Autos geholt haben", erzählt Kerscher. So wurde keiner der 17 Hunde verletzt.

"Das wäre sonst dumm ausgegangen", erinnert sich Kerscher. Denn die Tiere, die allesamt auf Kommando hören, dürfen bei den Erziehungsspaziergängen frei laufen. "Die hätten die Würstchen natürlich sofort gefressen." Der Täter müsse in der Zeit, in der die Gruppe gewandert ist, die Köder gezielt um die Autos herum platziert haben.

Kerscher glaubt nicht an Zufälle: "Ich meine, das ist einer, der durch den Landkreis fährt und da, wo er weiß, dass viele Hunde unterwegs sind, Köder ausbringt. Der Köder in Arnschwang war ja ähnlich wie der am Roßhof - das war ja ein Pfund Wiener." Fred Kerscher hat in seinen langen Jahren als Hundefreund noch nichts Vergleichbares erlebt wie die letzten Monate. "Das erinnert mich an die Sache mit dem Pferdeschlitzer vor einigen Jahren", sagt der Hundetrainer. "Wenn sich jemand über Hunde aufregt, soll er es halt sagen, dann kann man auch reagieren. Aber wenn man nichts weiß, kann man ja auch nichts machen." Von dem Hundehasser kleinkriegen lassen will Kerscher sich nicht: "Dann darf man ja bald keinen Hund mehr haben. Wir werden mit der Hundeschule auch weiterhin am Roßhof spazierengehen." Er setzt auf Selbsthilfe. "Ich habe mir eine Wildkamera gekauft. Und wir überlegen, bei Spaziergängen immer einen vorzuschicken und auch jemanden auf die Lauer zu legen. Wir haben immer auch Funkgeräte dabei, da könnte man dann Wege absperren ...", sinniert Kerscher vor sich hin. Der Polizei fehle natürlich die Zeit für solche Ermittlungen.

Er selber, sagt Kerscher, sei inzwischen so weit, dass er sich von verdächtigen Autos die Nummer aufschreibe. "Wenn man auch unbeteiligte Spaziergänger sensibilisiert, dass sie ein bisschen mit aufpassen, dann könnte man dem Köderleger vielleicht das Handwerk legen."

Das Traurige sei in zweiter Instanz dann ja leider auch die Gesetzgebung, die Hunde immer noch mehr oder weniger als Sache behandele. "Wenn dann einer tatsächlich erwischt wird, was passiert ihm denn schon? Eine Geldstrafe, vielleicht ein paar Sozialstunden, das war's. Der Hund ist aber tot."

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Patrick Schmaderer und seine Freundin Petra Wegscheider sind froh, dass "Fonsi" nichts passiert ist.

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Für "Fonsi" hat sich die Aufregung längst gelegt - doch sein Besitzer Patrick ist immer noch mitgenommen. Er hat sich nun eine andere Route für den täglichen Spaziergang gesucht.

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Diese präparierten Köder hatte "Fonsi" auf einem Radweg in Arnschwang erschnüffelt.

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Mit diesen Metallteilen hatte der Täter die Würstchen präpariert.

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Die Seite GiftköderRadar warnt im Netz vor gefährlichen Leckerlis. Momentan gibt es im Raum Cham immer wieder neue Fälle.