Gericht

Wenn sich der Notar nicht mehr auskennt: Steuerberaterin vor Gericht


Symbolbild: dpa

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Von Regine Hölzel

Wenn sich selbst der Notar nicht mehr auskennt Zeugen im Berufungsprozess wegen Untreue sind sich einig: "Der totale Wahnsinn"
Sollte Roswitha S., die sich derzeit vor der Berufungskammer des Landgerichts wegen Untreue verantworten muss, tatsächlich in betrügerischer Absicht gehandelt haben, wie es ihr die Anklage vorwirft, so kommt man nicht umhin, festzustellen, dass es ihr die Geschädigten mehr als leicht gemacht haben. "Wir haben ihr vertraut", so der einhellige Tenor der Zeugen.

Die ehemalige Steuerberaterin, die der Justiz seit Jahren bekannt ist, bot umfassende Unterstützung bei Bau- und Immobiliengeschäften und diese wurde offensichtlich gerne und bedenkenlos angenommen. Hohe Geldbeträge flossen wie selbstverständlich. Früher oder später brach allerdings bei jedem Projekt das Chaos aus. "Da hat sich selbst der Notar nicht mehr ausgekannt", sagte gestern ein 64-jähriger Landwirt. Wie berichtet, war das Amtsgericht 2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass die 53-jährige Landshuterin Bekannten oder Mandanten, die sich mit Bauvorhaben trugen oder ein Grundstück verkaufen wollten, unentgeltlich ihre Dienste bei der Abwicklung der Geschäfte anbot - und durch geschickte Täuschung auch der Banken nicht unerhebliche Geldsummen für sich behielt.

Roswitha S. - Mutter von fünf Kindern, angeblich Besitzerin von 19 Pferden und eigenen Angaben zufolge derzeit von Zuwendungen von Freunden lebend - wurde wegen Untreue in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nun also die Neuauflage vor der Berufungskammer mit Vorsitzendem Richter Robert Mader und zahlreichen Zuschauern, die nichts Gutes über die 53-Jährige zu berichten wissen. Verteidiger Prof. Ernst Fricke hatte erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass die Rolle seiner Mandantin nach der Beweisaufnahme ungeklärt sei, was nicht für eine Verurteilung ausreiche. S. habe sich in einer "schwierigen Lebensphase zu schnellen, unüberlegten Entscheidungen hinreißen lassen, aber ihr betrügerische Absichten dabei zu unterstellen ist unzulässig".

Hilfsweise hatte Fricke, der einen Freispruch forderte, in seinem Plädoyer nochmals vergeblich den Antrag auf das Erstellen eines psychiatrischen Gutachtens gestellt: Seiner Meinung nach war Roswitha S. im Tatzeitraum vermindert schuldfähig. Eine Einschätzung, die zumindest das Publikum mit lautem Gelächter quittierte. Bei der Verhandlung vor der Berufungskammer ist mit Dr. Ruth Saueracker nun doch eine psychiatrische Gutachterin mit von der Partie. Roswitha S. ist dieses Mal gleich mit drei Verteidigern angetreten. Doch auch zu dritt konnte man nicht verhindern, dass es am Ende des zweiten Verhandlungstages zum Eklat kam: S. wurde vorrübergehend festgenommen und nach München ins Frauengefängnis gebracht. Der Haftbefehl stützte sich unter anderem auf den Vorwurf, ein Münchner Anwalt habe im Jahr 2014 von einer Gesellschaft aus Berlin Honorar zugunsten von Roswitha S. erhalten. Zudem sah die Staatsanwaltschaft Fluchtgefahr.

Mittlerweile befindet sich die 53-Jährige wieder auf freiem Fuß - und erschien zuverlässig zum gestrigen dritten Verhandlungstag. Unter anderem wurde der eingangs erwähnte Landwirt gehört. Ende 2010 soll S. in ihrer Funktion als Steuerberaterin bei dem Grundstücksverkauf eines Klienten 20.000 Euro unterschlagen haben. Bei dem Klienten handelte es sich um den Sohn des Landwirts. Obwohl dieser der Besitzer des Grundstücks war, tauchte sein Name erst in einem zweiten Vertrag auf. Im ersten war eine GmbH eingetragen. Wie es dazu gekommen war, konnten weder Vater noch Sohn gestern sagen. Das habe alles die S. gemacht, so der Vater. Irgendwann habe selbst der Notar den Überblick verloren.

Warum sich die beiden um 20.000 Euro betrogen fühlen, konnte ebenfalls nicht geklärt werden. Fakt ist, dass der vereinbarte Kaufpreis von 400.000 Euro von dem Käufer komplett bezahlt worden ist. Das sei doch die Sache des Käufers, wenn er der Frau S. noch 20.000 Euro zukommen lassen will, meinte Richter Mader. Der Käufer wiederum, Ein Erdinger Immobilienmakler, sagte vor Gericht, Frau S. habe ihm gesagt, dass die 20.000 Euro für sie als Beratungsgebühr seien. Da habe er 220.000 Euro auf ein Treuhandkonto überwiesen: "Ich habe mir gedacht, die werden sich schon einigen." Dem 69-Jährigen zufolge belief sich die zweite Rate auf 200.000 Euro. Er habe 100prozentiges Vertrauen zur S. gehabt. Heute könne er nur noch sagen, "der totale Wahnsinn."

Der Landwirt und sein Sohn fühlen sich zudem von der 53-Jährigen um einen Mercedes gebracht. Den Kauf des Autos - man habe eigentlich schon zwei Fahrzeuge gehabt - habe sie eingefädelt, sagte der 64-Jährige und wiederholte das damals vorgebrachte Argument: "Des brauch'ma wega da Steia und lauta soiche Krampf, hods gsagt." Eines Tages habe S. dann angerufen, so der Sohn, und gesagt, ihr Auto sei kaputt. Sie wolle sich den Mercedes ausleihen. Man habe gedacht, das sei für ein, zwei Wochen. "Ein knappes Jahr später haben wir ihn wiederbekommen mit 50.000 Kilometer mehr drauf und kaputten Reifen und Felgen." Sie habe halt immer gejammert, sie brauche das Auto wegen ihren Kindern, sie werde es aber bald zurückbringen, sagte der Landwirt auf die Frage von Richter Mader, warum man sich das Fahrzeug denn so lange nicht zurückgeholt habe. "Dafür kam fast wöchentlich ein Strafzettel ins Haus geflattert." Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.